08.01.2010
Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 23.05.2006 – 1 K 476/02
Die Teilwertabschreibung einzelner Wirtschaftsgüter kommt im Rahmen einer Vollschätzung, die wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Buchführung geboten ist, nicht in Betracht, sondern ist untrennbarer Bestandteil der Schätzung des Unternehmensgewinnes.
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Axel Schmidt-Liebig als Vorsitzender, der Richter am Finanzgericht Dr. Peter Bilsdorfer und Günter Berwanger sowie der ehrenamtlichen Richter Johanna Busch (Studiendirektorin) und Klaus-Rudolf Werding (Gärtnermeister) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2006 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der am 12. September 1937 geborene Kläger betreibt seit 1966 einen umfangreichen Kunst- und Antiquitätenhandel in S mit Zweigbetrieben in anderen Städten (Bl. 3, 41 Fahnd.A). Der anhängige Rechtsstreit geht um die Feststellung einkommensteuerlicher Verluste zum 31. Dezember 1995 und zum 31. Dezember 1997.
Nach den beim Beklagten geführten Akten hat der Kläger folgende Erträge aus dem Betrieb seines Unternehmens erklärt (Bl. 14 ff., 53 Fahnd.A, BilH)
1971: + 12.000 1972: + 17.500 1973: + 25.000 1974: + 30.000 1975: - 66.117 1976: keine Erklärung 1977: keine Erklärung 1978: keine Erklärung 1979: keine Erklärung 1980: - 79.758 | 1981: - 538.191 1982: - 321.234 1983: - 549.898 1984: - 439.825 1985: keine Erklärung 1986: keine Erklärung 1987: keine Erklärung 1988: keine Erklärung 1989: keine Erklärung 1990: keine Erklärung 1991: keine Erklärung |
Tz. 13, 14 des Berichtes über die für 1971 bis 1979 durchgeführte Fahndungsprüfung vom 12. Februar 1981 lauten (Bl. 6 Fahnd.A):
„Der Gewinn oder Verlust wird gem. § 5 EStG in Verbindung mit § 217 RAO bzw. § 162 AO 77 geschätzt, weil trotz Verpflichtung zur Buchführung keine Bücher geführt worden sind.”
„Der Stpfl. hat außer Kassenaufzeichnungen (1975 – 30.6.1980), einem „Inventur-Buch” zu Verkaufspreisen und unvollständigen Debitoren-Listen keine Bücher oder Aufzeichnungen geführt.”
Unter Tz. 10 des Berichtes über die für 1985 bis 1991 durchgeführte Fahndungsprüfung vom 17. Mai 1993 ist vermerkt (Bl. 47 Fahnd.A):
„Der Steuerfahndungsstelle war es nicht möglich, alle Geschäftsvorfälle, Geschäftsabschlüsse und sonstige unternehmerische Aktivitäten des Beschuldigten aufzudecken. Dies liegt hauptsächlich daran, dass der Beschuldigte:
keine verwertbaren Aufzeichnungen gefertigt hat,
über keine Buchführung verfügt,
bewusst Geschäftsvorfälle so abgewickelt hat, dass es für einen sachverständigen fremden Dritten kaum möglich ist, die Geschäfte nach zu vollziehen (siehe hierzu beispielhaft die Geschäftsverbindung G in A).
Im Zuge des Einspruchsverfahrens gegen die aufgrund der vorgenannten Fahndungsprüfung ergangen Bescheide haben der Kläger und der Beklagte am 3. April 1998 eine tatsächliche Verständigung getroffen, auf die wegen Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 108 ff.).
Auch für die Folgejahre reichte der Kläger zunächst keine Steuerklärungen ein. Der Beklagte erließ daraufhin für die einzelnen Jahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheide für 1992 bis 1996, deren Besteuerungsgrundlagen er im Wege der Schätzung ermittelte. Am 22. Oktober 1999 änderte er diese Bescheide dahingehend, dass er den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. Ebenfalls am 22. Oktober 1999 erließ er für 1997 einen auf Schätzung beruhenden endgültigen Einkommensteuerbescheid. Durch alle diese Bescheide wurde die Einkommensteuer jeweils auf 0 DM festgesetzt (EStA).
Am 30. Juni 1998 legte der Kläger Bilanzen und Erklärungen für 1992 bis 1997 vor (Bilh), die für das Unternehmen des Klägers folgende Daten auswiesen:
1992: | - 335.000 |
1993: | - 282.285 |
1994: | - 140.702 |
1995: | - 2.010.677 |
1996: | - 61.883 |
1997: | + 57.393 |
Die Jahresabschlüsse der Folgejahre weisen folgende Gewinne bzw. Verluste aus:
1998: | - 48.342 |
1999: | + 9.797 |
2000: | + 103.457 |
2001: | - 218.567 |
In der Bilanz zum 31. Dezember 1995 entwickelte der Kläger den Warenbestand zum 31. Dezember 1995 wie folgt:
Stand 1.1.1995 | 3.233.478 |
TWA Unterschlagung G Lager A | - 1.472.818 |
TWA Unterschlagung G Kommissionsware | - 173.000 |
TWA Unterschlagung F | - 173.000 |
TWA Unterschlagung Sch | - 80.000 |
TWA Unterschlagung G sonstige Ware | - 50.000 |
Stand 31.12.1995 | 1.284.660 |
In der Gewinn- und Verlustrechnung machte er aus diesen Bestandveränderungen eine „Teilwertabschreibung Unterschlagungen (Siehe Bestand)” i.H.v. 1.948.818 DM geltend.
In der Gewinn- und Verlustrechnung zum 31. Dezember 1997 machte er unter der Position „Wareneinsatz” Fremdleistungen i.H.v. 21.841,91 DM geltend. Unter der Position „Sonstige betriebliche Aufwendungen – Diverse” wurden Fotoarbeiten über 32.022 DM angeführt.
Der Beklagte stellte den verbleibenden Verlustabzug für den Kläger gemäß § 10 d Abs. 3 EStG u.a. wie folgt fest:
> am 8. November 1999 | zum 31. Dezember 1992 auf | 335.000 DM |
> am 16. Dezember 1999 | zum 31. Dezember 1993 auf | 286.575 DM |
> am 2. September 2002 | zum 31. Dezember 1994 auf | 427.278 DM |
> am 2. September 2002 | zum 31. Dezember 1995 auf | 489.137 DM |
> am 2. September 2002 | zum 31. Dezember 1997 auf | 439.979 DM |
In den Verlustfeststellungsbescheiden zum 31. Dezember 1995 und 1997 erkannte er die o.g. in den Jahresabschlüssen enthaltenen Daten nicht zum Betriebsausgabenabzug an. Hiergegen legte der Kläger Einsprüche ein, die er jedoch nicht begründete. Durch Entscheidung vom 19. November 2002 hat der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.
Am 20. Dezember 2002 erhob der Kläger Klage. Er beantragt,
unter Änderung der Bescheide vom 2. September 2002 in Form der Einspruchsentscheidung vom 19. November 2002 den verbleibenden Verlustabzug
zum 31. Dezember 1995 um 1.948.818 DM und
zum 31. Dezember 1997 um 53.863 DM
zu erhöhen.
Verlust zum 31. Dezember 1995
Der Verlust aus dem Gewerbebetrieb des Klägers habe 1995 2.010.677 DM betragen. Der Beklagte habe den verbleibenden Verlust jedoch wie folgt festgestellt (Bl. 17 ff.):
Verbleibender Verlustabzug zum 31.12.1994: | 427.278 DM |
+ negativer Gesamtbetrag der Einkünfte 1995: | 61.859 DM |
Verbleibender Verlustabzug zum 31.12.1995: | 489.137 DM |
Der Feststellungsbescheid sei wie folgt zu ändern:
Verbleibender Verlustabzug zum 31.12.1994: | 427.278 DM |
+ negativer Gesamtbetrag der Einkünfte 1995: | 2.010.677 DM |
Verbleibender Verlustabzug zum 31.12.1995: | 2.437.955 DM |
Der Warenbestand zum 1. Januar 1995 (31. Dezember 1994) habe 3.233.478 DM betragen. Der Kläger habe aufgrund der Verständigung vom 3. April 1998 den Warenbestand zum 1. Januar 1992 mittels körperlicher Bestandsaufnahme mit 3.683.478 DM ermittelt (Bl. 88 – 95). Dieser Warenanfangsbestand sei wie folgt fortzuschreiben (Bl. 95 ff., 305):
1.1.1992 | Warenanfangsbestand | 3.683.478 DM |
Verkauf LC | - 200.000 DM | |
Zukauf | 0 DM | |
31.12.1992 | Warenendbestand | 3.483.478 DM |
1.1.1993 | Warenanfangsbestand | 3.483.478 DM |
Teilwertabschreibung durch Hochwasserschäden | ||
– Bilderbestand in K | - 150.000 DM | |
– Grafiken K | - 100.000 DM | |
Zukauf | 0 DM | |
31.12.1993 | Warenendbestand | 3.233.478 DM |
1.1.1994 | Warenanfangsbestand | 3.233.478 DM |
Veränderungen | 0 DM | |
31.12.1994 | Warenendbestand | 3.233.478 DM |
1.1.1995 | Warenanfangsbestand | 3.233.478 DM |
Veränderungen | - 1.948.818 DM | |
31.12.1995 | Warenendbestand | 1.284.660 DM |
Der Warenbestand zum 1. Januar 1992 lasse sich teilweise aus den Bildbeschreibungen des Auktionshauses „D” in W und aus der seinerzeit verlesenen Anklageschrift ableiten (Bl. 300 ff., Schnellhefter „Anlagen”). Das Dresdner Porzellan sei als Teil einer Sammlung am 16. März 1981 von Dr. Z, F-straße 2, Lo, für 3.000.000 DM gekauft worden. Davon seien rd. 1.141 Mio. DM an das Land X für Steuerrückstände des Veräußerers gezahlt worden. Wiederholte Verkaufsversuche, insbesondere über das D, seien nicht erfolgreich gewesen, so dass der Warenbestand von ursprünglich 900.000 DM im Jahr 1995 endgültig auf 160.000 DM habe abwertet werden müssen (Bl. 304 f., 330 f., 335 ff., 332 f., Schnellhefter „Anlagen”).
Die Geschäftsräume in K seien vom Kläger 1993 aufgelöst worden und das gesamte Warenlager mangels einer anderen Möglichkeit der Lagerung zu Herrn L nach A verbracht worden. Herr L sei für Verbindlichkeiten des Klägers i.H.v. ca. 250.000 DM eingetreten, abgesichert durch das Lager. Nach der Sicherungsabrede sollten die Waren aus dem Lager unter Einschaltung des Kommissionärs G, J Straße 49a, A veräußert werden. Im Laufe des Jahres 1994 habe der Kläger festgestellt, dass der Herr G in erheblichem Umfang Waren aus dem Lager in A genommen und diese ohne Abrechnung mit dem Kläger oder mit Herrn L an Dritte weiter veräußert habe. Der Kläger habe Herrn G aufgefordert, über die verkauften Waren eine Liste zu erstellen. Gleichzeitig sei Herr L über die Vorgänge informiert worden (Bl. 96 f., 206 ff., 301, 333 f., 347 ff.).
Vom 8. bis 10. Juli 1997 sei die Liste der durch Herrn G veräußerten Bilder und Gegenstände erstellt worden. Gleichzeitig habe der Kommissionär die Veräußerung auf eigene Rechnung eingeräumt und ein abstraktes Schuldanerkenntnis abgegeben. Am 12. Dezember 1998 sei Herr G verstorben, ohne dass der Kläger seine Forderungen gegen ihn habe realisieren können. Am 28. Dezember 1998 habe der Kläger Antrag auf Nachlasskonkursverfahren gestellt und aus Kostengründen die Schuldsumme auf 500.000 DM begrenzt (Bl. 97 f., 214 ff., 303 f., 340 ff.).
Der Antrag sei vom Amtsgericht A mangels Masse abgelehnt worden. Das Lager in A sei im Juli 1997 aufgelöst und nach Y verlagert worden. Hierbei sei ein Verzeichnis über den Warenbestand aufgestellt worden, der sich nun auf 790.960 DM beziffert habe. Aus den Eingeständnissen des Herrn G seien die Werte der unterschlagenen Gegenstände zusammengestellt worden. Es habe sich um 1.948.818 DM gehandelt (Bl. 98 f., 226 ff.).
Des weiteren sei eine Unterschlagung durch Kn F festgestellt worden, der in diesem Zusammenhang (und anderen Angelegenheiten) gegenüber dem Kläger ein abstraktes Schuldanerkenntnis über 382.000 DM abgegeben habe (Bl. 99, 197, 271, 305 f.).
Die Ware sei durch einen Spediteur vom Lager K nach A gebracht und wegen der hohen Kosten nicht versichert worden (Bl. 302).
Der Kläger mache die Anschaffungskosten geltend. Die Differenz betreffe Zinsen und Kosten, die der Kläger getragen habe. Das Finanzamt verfüge über die Jahresabschlüsse der Streitjahre. Verbleibende Beweisschwierigkeiten beruhten darauf, dass Unterlagen durch das Hochwasser vernichtet worden seien (Bl. 306 ff.).
Der Kläger sei nach Aufforderung des Finanzamtes zum 1. Januar 1992 erstmalig zur Bilanzierung übergegangen. Auch das Anlageverzeichnis sei erstmalig erstellt worden. Die Wertansätze zum 1. Januar 1992 seien vom damaligen Berater des Klägers, Herrn Rechtsanwalt B, in Abstimmung mit dem Beklagten ermittelt worden (Bl. 331 f.).
Verlust zum 31. Dezember 1997
Der Beklagte habe 1997 die Betriebsausgabenpositionen „Fremdleistungen” i.H.v. 21.841 DM und „Aufwendungen für Fotoarbeiten” i.H.v. 32.022 DM mangels „erkennbarem direkten Zusammenhang” nicht berücksichtigt (Bl. 63 ff.).
Die Fremdleistungen seien auf dem Finanzbuchhaltungskonto 3100 wie folgt erfasst:
Nr. | Datum | Rechnungsersteller | Art der Leistung | Betrag netto |
43 | 07.05.1997 | L. R, GG | Restaurierung | 3.168,00 DM |
45 | 07.05.1997 | L. R, GG | Transport und Aufwendungen | 1.500,00 DM |
46 | 09.05.1997 | RH GmbH | Polsterarbeiten | 2.000,00 DM |
103 | 18.11.19 7 | L. R, GG | Restaurierung | 12.173,91 DM |
119 | 08.12.1997 | AA, Z | Transport | 3.000,00 DM |
Summe | 21.841,91 DM |
Die Kopien der Belege zu Nummer 43, 45 und 119 seien beigefügt. Zur Buchung Nummer 46 sei nur eine Zahlungsquittung vorhanden. Sobald die Rechnungskopie vorliege, werde sie dem Finanzgericht vorgelegt. Der Beleg zur Buchung Nummer 103 sei nicht auffindbar. Der Rechnungsaussteller sei um die Zusendung einer Rechnungskopie gebeten worden. Die Rechnung zur Buchung 119 mit der Nummer 0000000 sei nicht auffindbar. Die AA AG, Z sei um die Zusendung einer Rechnungskopie gebeten worden (Bl. 65 f., 74-81).
Die Fotoarbeiten seien auf dem Konto 4931 wie folgt erfasst:
Nr. | Datum | Rechnungssteller | Art der Leistung | Betrag netto |
132 | 5.3.1997 | AC, S | Reproduktionen | 19.196,00 DM |
134 | 8.3.1997 | AC, S | Fotoreportage | 2.726,00 DM |
150 | 5.12.1997 | DU, S | Litho-Arbeiten | 10.100,00 DM |
32.022,00 DM |
Kopien der Belege zu Nummer 132, 134 und 150 seien beigefügt (Bl. 66, 83-85).
Oftmals seien Antiquitäten durch Restaurierungsarbeiten in einen handelsfähigen Zustand zu bringen. Hierfür bediene sich der Kläger entsprechender Experten wie zum Beispiel der Firmen L.R oder R.H GmbH. Die Waren würden nicht vom Kläger selbst, sondern von Speditionsunternehmen (z.B. der Firma AA, Z) transportiert. Soweit der Kläger wertvolle Gemälde zum Verkauf anbiete, werde dem potentiellen Kunden in ersten Verhandlungen nicht das Original, sondern eine Reproduktion vorgelegt. Die Firma AC, S, sei auf solche Reproduktionen spezialisiert. Zudem sei ein „Oeuvre-Katalog” über die Werke des Malers Max Slevogt erstellt worden, für den in den verschiedensten Häusern Fotografien und später Reproduktionen der über 1.000 Werke des Meisters gefertigt worden seien. Dabei seien auch Reisekosten entstanden. Entsprechendes gelte für Kataloge und schriftliche Verkaufsunterlagen, die lithografisch aufbereitet worden seien (u.a. durch das Unternehmen DU, Bl. 67 f., 77 ff.).
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Verlust zum 31. Dezember 1995
Der Kläger sei seit jeher Kaufmann i.S.d. HGB. Seiner Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sei er jedoch nicht nachgekommen. Die tatsächliche Verständigung vom 3. April 1998 für 1985 bis 1991 sei erforderlich geworden, weil weder der Kläger noch der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für diese Veranlagungszeiträume auch nur ansatzweise hätte ermitteln können. Dies gelte auch für Zeiträume zumindest bis 1998, für die ebenfalls keine ordnungsgemäße Buchführung vorliege. Auch den später eingereichten, auf der damaligen Vereinbarung aufbauenden Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen, auf die der Kläger sich nunmehr berufe, sei die Ordnungsmäßigkeit zu versagen (Bl. 277 f., 311, 353).
Die tatsächliche Verständigung habe lediglich ein grobes Berechnungsschema zur Ermittlung des Warenbestandes und anderer Vermögenswerte zum 1. Januar 1992 enthalten, das jedoch ausdrücklich nicht Gegenstand der tatsächlichen Verständigung gewesen sei. Der Kläger habe den Warenbestand zum 1. Januar 1992 nicht durch eine körperliche Bestandsaufnahme (Inventar – Inventur) mit 3.683.478 DM ermittelt. Vielmehr versuche er, den Warenbestand durch eine für ihn günstige Schätzung zu ermitteln. Denn bei den hierzu eingereichten Unterlagen handele es sich ausschließlich um Eigenbelege, die weder nachprüfbar noch aussagekräftig seien. So bezeichne er Waren im Wert von 530.000 DM als „Ungarnbilder” und im Wert von 595.000 DM als „Niederländer”. Gleiches gelte für die Ermittlung des Warenbestandes, der von K nach A verbracht worden sein soll (Bl. 278 f.).
Umlaufvermögen sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Diese habe der Kläger nicht nachgewiesen. Auch die Teilwertabschreibungen durch den Hochwasserschaden in 1993 sei nicht nachgewiesen worden. Bei einem Kommissionsgeschäft – wie vorliegend gegeben – werde der Kommissionär nicht (wirtschaftlicher) Eigentümer der Waren. Demgemäß habe er die im Kommissionslager befindliche Ware im Inventar und in der Bilanz zu erfassen und ein Kommissionswarenkonto oder ähnliches zu führen. Im Streitfall sei eine solche Erfassung nicht vorgenommen worden (Bl. 280).
Die ertragsteuerliche Berücksichtigung von Diebstahl oder Unterschlagung bezüglich Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens werde durch die Bestandsaufnahme zum Bilanzstichtag (Inventar – Inventur – Bilanz) sichergestellt. Entsprechende Forderungen gegen die Täter seien in die Bilanz einzustellen. Der Kläger begehre die Berücksichtigung von Betriebsausgaben durch „Unterschlagungs- bzw. Untreuetatbestände” des P G i.H.v. 1.695.818 DM, ohne diese ausreichend nachweisen zu können. Entsprechendes gelte für die Beträge F (173.000 DM) und Sch (80.000 DM, Bl. 280 f.).
Selbst wenn entsprechende Unterschlagungen u.ä. vorgekommen sein mögen, so könne die Minderung des Warenbestandes zum Jahresende auch darauf zurückzuführen sein, dass der Kläger oder in seinem Auftrag ein Dritter Vermögensgegenstände veräußert habe, deren Erlöse u.U. zwar dem Kläger nicht zugeflossen (z.B. infolge Abtretungen, Sicherungsübereignungen, Schuldentilgung), ihm jedoch steuerrechtlich zuzurechnen seien (Bl. 311).
Es werde nicht grundsätzlich bestritten, dass Waren zur Versteigerung an das Auktionshaus D gegeben worden seien, sondern deren Anzahl und Wertansatz in den Bilanzen ab 1992. Nach den eingereichten Unterlagen des Ds seien insgesamt 70 Bilder eingereicht worden, während der Rechnung des Transportunternehmens M die Abholung von 144 losen Bildern zugrunde liege. Der Bilanzansatz dieser Bilder könne auch nicht aus den Ausrufpreisen des Ds abgeleitet werden, weil die Anschaffungskosten weitaus niedriger gewesen seien (Bl. 311, 352 f., 354). Die Liste der vom Lager K nach A verlagerten Gegenstände entspreche nicht den Anforderungen, die das HGB an die Aufzeichnungen eines Kaufmannes stelle. Dem Schuldanerkenntnis des Herrn G könnten die Schuldgründe nicht entnommen werden. So sei es durchaus möglich, dass ein Teil der Schuld nicht aus Geschäftsbeziehungen, sondern aus Darlehen herrühre, die dem privaten Bereich des Klägers zuzuordnen seien. Aus der tatsächlichen Verständigung vom 3. April 1998 (dort Seite 3, Forderungen) gehe hervor, dass G dem Kläger schon vor 1991 erhebliche Beträge geschuldet habe. Es sei diesbezüglich vereinbart worden, dass die bis zum 31. Dezember 1991 entstandenen Forderungen gegen G steuerlich als ausgebucht zu behandeln seien (Bl. 311 ff., 353 ff.). Entsprechendes gelte für das Schuldanerkenntnis des Herrn F vom 9. Februar 1995 (Bl. 314).
Die Wertminderung des Dresdner Porzellans, die bereits 1985 festgestanden habe, gehöre nicht in den Veranlagungszeitraum 1995. Aus der Sicherungsübereignung der Waren könne nicht abgeleitet werden, dass – bis auf die Entwendungen durch G und F – keine Veräußerungen vorgenommen worden seien. Der Sicherungsübereignung habe lediglich eine Schuld des Klägers i.H.v. ca. 250.000 DM zugrunde gelegen, der Wert der nach A ausgelagerten Waren hätte indes ein Vielfaches dieses Betrages ausgemacht haben sollen (Bl. 314 f.).
Der Kläger trage die Beweislast für die begehrte Steuerminderung. Aufgrund seines steuerlichen Verhaltens in den Vorjahren seien an den Nachweis der tatbestandlichen Voraussetzungen erhöhte Anforderungen zu stellen. Die Forderungsabschreibung sei der Höhe nach ungeklärt und zudem nicht auf den 31. Dezember 1995 vorzunehmen, da deren Uneinbringlichkeit erst 1998 endgültig festgestanden habe (Bl. 355).
Verlust zum 31. Dezember 1997
Die streitigen Betriebsausgaben beruhten teilweise auf Rechnungen des Einzelunternehmens L.R, das seit 1984 nicht mehr existiere, teilweise seien Rechnungen nicht vorgelegt worden oder würden andere Gewinnermittlungszeiträume betreffen und teilweise – bezüglich der auf dem Konto 4931 erfassten Beträge – sei der betriebliche Zusammenhang bisher nicht in ausreichendem Maße erkennbar (Bl. 281 f.).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Steuerrechtliche Grundlagen
a. Der Kläger macht aufgrund verschiedener Vorgänge im Zusammenhang mit Unterschlagungen Teilwertabschreibungen i.H.v. 1.948.818 DM geltend. Derartige Ereignisse können im Falle ihrer betrieblichen Veranlassung zu Betriebsausgaben führen.
Sofern Wirtschaftsgüter durch Diebstähle bzw. Unterschlagungen abhanden kommen, ohne dass ein Täter festgestellt werden kann, wirkt sich deren Verlust bei der Gewinnermittlung im Jahr der Tat in Höhe der Werte gewinnmindernd aus, mit denen die fraglichen Wirtschaftsgüter in der Buchführung erfasst sind. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (§§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG).
Soweit der Täter bekannt ist, ist in die Bilanz eine dementsprechende Forderung einzustellen. Grundsätzlich entspricht der Wert dieser Forderung ihrem Nennwert, der nicht mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter, wegen derer die Forderung entstanden ist, übereinstimmen muss (grundlegend: BFH vom 23. November 1967 IV 123/63, BStBl. II 1968, 176). Zu Verlusten führt die Unterschlagung in einem solchen Falle erst, wenn der Teilwert dieser Forderung unter die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des fraglichen Wirtschaftsgutes sinkt (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG; s. z.B. BFH vom 16. März 1989 IV R 153/86, BStBl. II 1989, 557; vom 28. Januar 1993 IV R 131/91, BStBl. II 1993, 509).
Der Teilwert einer Forderung oder eines sonstigen Wirtschaftsguts steht regelmäßig nicht eindeutig fest. Für zum Wiederverkauf bestimmte Waren besteht die tatsächliche Vermutung, dass ihr Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den Anschaffungskosten, später den Wiederbeschaffungskosten, entspricht. Forderungen sind grundsätzlich mit ihrem Nennwert anzusetzen. Behauptet der Steuerpflichtige, dass der Teilwert in seinem Falle niedriger liege, muss er die dafür maßgebenden Umstände darlegen und nachweisen (BFH vom 28. Oktober 1976 IV R 76/72, BStBl. II 1977, 73). Entsprechendes gilt für die Höhe der Forderung und den Zeitpunkt ihres Entstehens.
b. Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit es sie nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann (§ 162 Abs. 2 S. 2 AO).
Die Höhe der Besteuerungsgrundlagen darf nur geschätzt werden, „soweit” sie nicht (exakt) ermittelt werden kann (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO). Das Finanzamt hat also der Steuerfestsetzung die Erklärung des Steuerpflichtigen zugrunde zu legen, soweit diese zutrifft; es kann die Erklärungen nicht insgesamt verwerfen und schätzen, nur weil einzelne Teile derselben unrichtig sind. Eine sog. „Vollschätzung” ist unzulässig, solange die Erklärung durch ergänzende Teil- oder Punktschätzungen richtiggestellt werden kann (BFH v. 13. Oktober 1976 I R 67/75, BStBl. II 1977, 260). Vollschätzungen kommen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn keine Möglichkeit zu einer punktuellen oder teilweisen Schätzung besteht, weil entweder keine Unterlagen vorlegt werden oder die vorgelegten Unterlagen insgesamt kein Vertrauen verdienen. Das Finanzamt darf nicht ohne weiteres z. B. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb schätzen, sondern es muss versuchen, zunächst die einzelnen Bemessungsgrundlagen (Einnahmen, Ausgaben u. ä.) oder – soweit sinnvoll – Teile derselben (z. B. die Bareinnahmen, die Reisekosten) zu schätzen. Umgekehrt können dann, wenn eine Vollschätzung geboten erscheint, nicht nur punktuelle Einzelermittlungen oder -schätzungen erfolgen. Es ist dann letztlich unerheblich, wie sich die geschätzten Besteuerungsgrundlagen im Einzelnen zusammensetzen (s. BFH vom 24. April 1991 XI R 28/89, BStBl. II 1991 II, 606).
Naturgemäß besteht bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist um so größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Wenn sich die Schätzung in diesem Rahmen hält, ist sie nicht zu beanstanden. Der Steuerpflichtige hat bei Schätzungen des Finanzamtes keinen Anspruch darauf, dass sich diese bei Einnahmen u.ä. im untersten Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei groben Pflichtverletzungen, die darauf hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt im Gegenteil an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (BFH v. 20. 12M 2000 I R 50/00, BStBl. II 2001, 381; v. 29. März 2001 IV R 67/99, BStBl. II 2001, 484).
c. Den Nachteil aus der Nichterweislichkeit eines prozesserheblichen Umstandes hat derjenige Prozessbeteiligte zu tragen, der die objektive Beweislast hat. Für die Minderung seines Betriebsvermögens wegen einer Teilwertabschreibung trägt der Kläger die objektive Beweislast (vgl. z.B. BFH vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BStBl. II 1976, 562); er macht damit einen steuermindernden Umstand geltend, für den er nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast hat (BFH vom 5. November 1970 V R 71/67, BStBl. II 1971, 220).
2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
a. Teilwertabschreibung und ordnungsgemäße Buchführung
Eine erhöhte Verlustfeststellung kann bereits aus folgenden Gründen zu den beiden streitigen Stichtagen nicht in Betracht kommen:
Bereits die für 1985 bis 1991 durchgeführte Fahndungsprüfung hat festgestellt, dass der Kläger über seine unternehmerische Tätigkeit weder eine Buchführung noch ansonsten verwertbare Aufzeichnungen vorgelegt und bewusst die Geschäftsvorfälle so abgewickelt hat, dass sie für einen Dritten kaum nachvollziehbar sind. Gleiches gilt für die Jahresabschlüsse 1992 bis 1997, die der Kläger in einem Zuge im Jahre 1998 erstellen ließ, nachdem der Beklagte seine Einkünfte durch Schätzung ermittelt hat (s. Bl.277 ff.).
Die Abschlüsse weisen nicht nur erhebliche Ungereimtheiten auf (Umsatzerlöse 1993 bis 1996: 0 bei gleichzeitig hohen auf Umsätze hindeutende Betriebsausgaben, z.B. Transportkosten für Bilder i.H.v. 35.000 DM in 1995; hohe Umsätze durch Telefoneigenbedarf und zwar 1992 und 1993 in exakt gleicher Höhe, keine Veränderungen des hohen Lagerbestandes), ihnen liegen auch keine ordnungsgemäßen Unterlagen zugrunde. Mit Schreiben vom 11. April 2006 hatte der Berichterstatter den Kläger aufgefordert, „alle Buchführungs- und Abschlussunterlagen nebst Kontenplan, Grundaufzeichnungen, Belegen und sonstiger Unterlagen betreffend die Jahre 1992 bis 1998 lückenlos bei Gericht vorzulegen” (Bl. 357). Die Unterlagen, die der Kläger daraufhin vorlegte (5 Ordner, davon einer ausschließlich mit den Bilanzen 1992 bis 1998), entsprechen nicht einmal ansatzweise dem, was von einer ordnungsgemäßen Buchführung erwartet werden kann. Ein Journal, ein Kontenplan und Inventaraufzeichnungen fehlen völlig. Eine Kontierung ist nur für 1998 vorgelegt worden. Des weiteren ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wie die einzelnen Vorgänge auf welchen Konten verbucht worden sind. Als Beispiel mag eine der seltenen Kasseneinnahmen dienen: Unter dem 22. Dezember 1998 (Ordner „Kasse 1998 komplett”) sind Einnahmen i.H.v. 50.000 DM verbucht. Gemäß dem beiliegenden formlosen Beleg vom 20. Dezember 1998, der den Aussteller nicht erkennen lässt, soll es sich um einen Scheck über 100.000 DM des „Herrn Ke für Kommissionsware Picasso” gehandelt haben. Davon sollen – laut Beleg – 50.000 DM an die Rechtsanwälte Ka weitergegeben worden sein. Der Nettobetrag von 46.728,97 wurde – ebenfalls am 22. Dezember 1998 – auf dem Erlöskonto 8300 verbucht und am selben Tage mit einer Gegenbuchung in gleicher Höhe „Generalumkehr”) versehen, deren Gründe nicht ersichtlich sind. Obwohl sich der Kläger umfänglich mit Kommissionsgeschäften befasst haben dürfte, ist kein gesondertes Kommissionswarenkonto geführt worden. Die Kassenaufzeichnungen – soweit vorhanden – bestehen aus einzelnen – offenbar in einem Zuge nachgeschriebenen – Blättern ohne Anfangs- und Endbestände. Die Unterlagen – soweit überhaupt vorhanden – erlauben es einen sachverständigen Dritten in keiner Weise, sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsabläufe zu verschaffen. Sie sind offensichtlich 1998 im Nachhinein in einem Zuge, also nicht fortlaufend und zeitnah erstellt worden und verdienen bereits insoweit insgesamt kein Vertrauen (s. §§ 238 ff. HGB), so dass eine Vollschätzung geboten erscheint. Die Geschäftsabläufe sind auch in den Streitjahren offenbar in einer Art und Weise abgewickelt worden, wie sie die Steuerfahndung bereits für 1985 bis 1991 angetroffen hat (s. oben S. 3 f.). Für eine Schätzung im unteren Rahmenbereich des Schätzungsermessens besteht kein Anlass.
Der Kläger hat immer wieder mit wertvollen Gemälden (z.B. Madonna mit dem Wickelband) bekannter Maler (z.B. Murillo, C, van Dyck, Slevogt), mit hochwertigen Antiquitäten und sonstigen Kunstgegenständen gehandelt. Er hat Ankäufe und sonstige Aufwendungen erheblichen Umfangs getätigt (z.B.: 1981 Anschaffung einer Sammlung für 3 Millionen DM; 1994: Rechtsanwaltskosten: 63.533 DM, Gerichtsgebühren i.H.v. 35.005 DM, Raumkosten i.H.v. 14.453 DM; 1995: Transportkosten Bilder i.H.v. 35.000 DM und Reisekosten i.H.v. 15.044 DM; 1996: Expertisen i.H.v. 18.000 DM). Trotz dieser und anderer Hinweise auf anspruchsvolle und umfangreiche Aktivitäten hat er für 1971 bis 1975 und 1980 bis 1984 und 1992 bis 2001 (saldiert mit den Gewinnen) Verluste i.H.v. insgesamt 4.837.332 DM erklärt. Für 1976 bis 1979 und 1985 bis 1991 hat er keinerlei Erklärungen abgegeben. Wovon der Kläger und seine Familie seit 1971 gelebt haben, ist nicht ersichtlich. Aufgrund dieser Gesamtumstände, wäre es kaum zu beanstanden gewesen, den durchschnittlichen Gesamtbetrag der Jahreseinkünfte des Klägers und seiner Ehefrau auf jährlich mindestens 30.000 DM zu schätzen. Hierzu ist der Senat wegen des im Klageverfahren geltenden Verböserungsverbotes jedoch nicht in der Lage. Keinesfalls können aber Verluste in der beantragten Höhe festgestellt werden, deren Entstehung im übrigen auch ansonsten mehr als zweifelhaft erscheint:
b. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31. Dezember 1995
• „Unterschlagungen” G (Lager A: 1.472.818; Kommissionsware: 173.000; sonstige Ware: 50.000)
Nach dem Klägervortrag sollen sich seit 1993 Waren des Klägers im Lager des Herrn L in A befunden haben. Die Waren hätten einen Anspruch des Herrn L gegen den Kläger i.H.v. ca. 250.000 DM abgesichert. Aus diesem Lager habe der Kommissionär G – wie der Kläger im Laufe des Jahres 1994 festgestellt habe – erhebliche Verkäufe vorgenommen, ohne hierüber mit Herrn L oder dem Kläger abzurechnen. Im Juli 1997 sei eine Liste der von G veräußerten Waren erstellt und von G ein abstraktes Schuldanerkenntnis abgegeben worden. Am 12. Dezember 1998 sei Herr G verstorben. Am 28. Dezember 1998 habe der Kläger Antrag auf Nachlasskonkurs gestellt, der am 23. August 1999 vom Amtsgericht A mangels Masse abgelehnt worden sei. Die Werte der „unterschlagenen Gegenstände” hätten (1.472.818 + 173.000 + 50.000 =) 1.695.818 DM betragen.
Dieser Vorgang kann aus mehreren Gründen nicht zur Anerkennung des begehrten Verlustes führen:
Selbst wenn man die Darstellung des Klägers als zutreffend ansehen wollte, würde sie nicht zum 31. Dezember 1995 zu entsprechenden steuerlichen Auswirkungen führen. Der Kommissionär G hat die im Lager A befindliche Ware nicht unterschlagen oder gestohlen. Er war nach eigenem Vorbringen des Klägers mit deren Verkauf beauftragt und damit grundsätzlich auch zur Entnahme berechtigt. Zum Zeitpunkt des Verkaufs der Gegenstände wären damit entsprechende Forderungen des Klägers gegen Herrn G mit Gewinnauswirkung zu aktivieren gewesen. Dies hat der Kläger aber zu keinem Zeitpunkt getan. Erst die aktivierten Forderungen, deren Höhe und Entstehenszeitpunkt zu prüfen wäre, könnten im Falle einer entsprechenden Teilwertabschreibung zu dem entsprechenden Aufwand führen. Abschreibungsfähig sind nur in der Bilanz oder ansonsten in der Buchführung enthaltene Wirtschaftsgüter. Eine Verlustverwirklichung „auf kurzem Wege” durch den Hinweis auf Warenbestandveränderungen, die im übrigen keineswegs zweifelsfrei nachgewiesen worden sind, ist nicht möglich.
Erst im Juli 1997 sollen eine Fehlliste (Bl. 215 bis 219) und ein abstraktes Schuldanerkenntnis des Herrn G (Bl. 221 f.) erstellt worden sein. Im Dezember 1998 ist Herr G verstorben. Der Ansatz einer Teilwertkorrektur kommt deshalb allenfalls zum 31. Dezember 1998, nicht aber bereits zum 31. Dezember 1995 in Betracht. Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass der Antrag auf Eröffnung des Nachlasskonkursverfahrens (Bl. 223) erst durch Beschluss des Amtsgerichts A vom 23. August 1999 (Bl. 226) zurückgewiesen worden ist. Der pauschale und unbewiesene Hinweis des Klägers, die Unterschlagungen des Herrn G hätten zur Finanzierung von dessen Trunksucht gedient, rechtfertigt nicht die Vorverlegung der Uneinbringlichkeit.
Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger – sollten sich die Vorgänge wie von ihm geschildert zugetragen haben – auch Ansprüche gegenüber Herrn L, dem Inhaber des Lagers, zugestanden haben dürften, der die Gegenstände ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen an Herrn G herausgegeben hätte (s. dazu das Schreiben vom 5. September 1994, Bl. 209 f., 212).
Die Höhe der von Herrn G nicht abgerechneten Beträge – und damit die der Forderungen des Klägers – ist völlig unklar; die Liste, die der Kläger als Anlage 16 zum Schriftsatz vom 26. November 2003 eingereicht hat (Bl. 215 ff.), ist zum Nachweis ungeeignet. Sie enthält lediglich Ziffern oder Kurzbezeichnungen, die einem Dritten die Identifizierung der fraglichen Gegenstände nicht ermöglichen, und weist auch keine Werte aus. Entsprechendes gilt für die Liste „Kommissionen an G” (Bl. 199 ff.). Ebenso weist auch das „Schuldanerkenntnis” des Herrn G (Bl. 221 f.) keine Einzelwerte aus. Bei der Forderungsanmeldung zum Konkursverfahren über den Nachlass des Herrn G durch Schreiben vom 28. Dezember 1998 wurde die Kopie eines abstrakten Schuldanerkenntnisses (Urkunde des Notars Dr. XY vom 21.9.1995) über 3 Millionen DM eingerecht (Bl. 223). Das Schuldanerkenntnis weist aus, dass sich dieser Betrag i.H.v. 500.000 DM auf „Verkäufe von eingelagerten Gegenständen” bezieht (Anlage zum Schriftsatz vom 3. März 2005 in Schnellhefter der Akte beigefügt). Von daher liegt die Vermutung nahe, dass in Höhe der Differenz (1.695.818 – 500.000 =) 1.195.818 DM aus den fraglichen Vorgängen keine Forderungen mehr gegen Herrn G bestanden haben und diese Beträge – was bisher nicht geschehen ist – der Besteuerung zu unterwerfen wären.
Nicht einwandfrei erkennbar ist auch der Zeitpunkt der Erstellung der vorgenannten „Fehlliste”. Wann und aus welchem Anlass der Zusatz (auf der ersten Seite unten) vorgenommen wurde „Inventur vom 8., 9., 10. Juli 97”) ist unklar. Entsprechendes gilt für das handschriftliche „Schuldanerkenntnis” des Herrn G (Bl. 221 f.).
Überhaupt ist die Schilderung der Vorgänge für den Senat alles andere als plausibel:
Die Waren, die aus Sicherungsgründen in das Lager des Herrn L gegeben worden sind, sollen einen Wert von weit über einer Million DM gehabt haben. Die zu sichernde Forderung soll aber nur ca. 250.000 DM betragen haben (Bl. 301). In der Bilanz zum 31. Dezember 1993 werden an Verbindlichkeiten gegenüber Herrn L 391.729 DM ausgewiesen.
Obwohl sowohl der Kläger als auch Herr L ein erhebliches Eigeninteresse an der wirtschaftlichen Verwertung der Lagergegenstände gehabt haben, soll es dem Kommissinär G möglich gewesen sein, innerhalb relativ kurzer Zeit Gegenstände im Werte von 1.472.818 DM ohne Abrechnung zu veräußern.
Obwohl das unredliche Verhalten des Herrn G bereits etwa ab September 1994 bekannt geworden ist (s. Bl. 209 ff.), soll es erst im Juli 1997 zur Erstellung der o.g. Fehlliste gekommen sein.
Graphiken und Bücher im Werte von 250.000 DM, die 1993 im Lager K dem Hochwasser zu Opfer gefallen seien, sollten 1995 abgeschrieben werden, da erst dann deren Restaurierung endgültig nicht mehr möglich gewesen sei (Bl. 305, 89).
• „Unterschlagung” F (173.000 DM)
Für die „Unterschlagung F” gilt im Wesentlichen Entsprechendes wie für die „Unterschlagungen G”. Die Angaben sind unpräzise und für Dritte nicht nachvollziehbar. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als richtig unterstellen wollte (s. Bl. 304 ff.), würde es an der Aktivierung entsprechender Forderungen fehlen und eine eventuelle Teilwertkorrektur nicht im Jahr 1995, sondern allenfalls im Jahr 2004 vorzunehmen sein:
Der Kläger hat es unterlassen, entsprechende Forderungen gegen Herrn F, deren Höhe und Entstehenszeitpunkt zu prüfen wäre, mit Gewinnauswirkung zu aktivieren oder ansonsten in seinen Buchführungsunterlagen zu erfassen. Insofern fehlt es an der buchhalterischen Grundlage einer entsprechenden Teilwertabschreibung. Im Streitjahr wären die fraglichen Forderungen mit entsprechender Gewinnauswirkung zu aktivieren. Auch die nicht unerheblichen aus dem Schuldanerkenntnis vom 9. Februar 1995 (Anlage 8 zum Schriftsatz vom 28. Februar 2005) resultierenden Zinszahlungen sind in den Betriebseinnahmen offenbar nicht erfasst.
Herr F hat erst am 30. November 2004 erklärt, dass er nicht in der Lage sei, „den Ihnen geschuldeten Betrag zurückzuzahlen” (Anlage 10 zum Schriftsatz vom 28. Februar 2005). Eine Abschreibung der Forderung im Streitjahr kommt damit nicht in Betracht. Überdies lässt die Erklärung nicht erkennen, bezüglich welchen Betrages Herr F zur Rückzahlung außer Stande ist.
Das Schuldanerkenntnis vom 9. Februar 1995 lässt nicht den Schuldgrund erkennen. Den Ausführungen unter V des Schuldanerkenntnisses ist zu entnehmen, dass sie nur teilweise die Geschäftsbeziehungen zum Kläger betreffen und insoweit ausdrücklich die Rückgabe des Bildes „Pastorale Landschaft” ausnehmen.
• „Unterschlagung” Sch (80.000 DM)
Hierzu hat der Kläger Nichts vorgetragen. Da aber auch insofern kein aktiviertes Wirtschaftsgut in Form einer entsprechenden Forderung gegen Herrn Sch vorliegt und über dessen mangelnde Bonität Nichts bekannt ist, kommt auch keine Teilwertabschreibung derselben in Betracht.
c. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31. Dezember 1997
Der Beklagte hat zu Recht die fraglichen Aufwendungen nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen, da diese nicht in hinreichendem Maße nachgewiesen worden sind. Die damit zusammenhängenden Unklarheiten gehen zu Lasten des Klägers.
• Grundlagen
Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Aufwendungen sind durch den Betrieb veranlasst, wenn sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (grundlegend: BFH vom 4.Juli 1990 GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817 m.w.N.). Der objektive Zusammenhang einer Aufwendung mit dem Betrieb wird in der Regel dadurch begründet, dass die Leistung, die die Zahlung entgilt, dem Betrieb (der Gewinnerzielung) förderlich ist. Die genannten Voraussetzungen müssen bei der konkreten Aufwendung, die es zu beurteilen gilt, erfüllt sein (z.B. BFH vom 6. Oktober 1993 VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173). Wie für alle steuermindernden Umstände trägt ein Steuerpflichtiger auch für die Geltendmachung von Betriebsausgaben nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast (s. oben Nr. 1 c).
• Fremdleistungen i.H.v. 21.841 DM
Der Zusammenhang zwischen den Leistungen der Fa. L.R und dem Unternehmen des Klägers ist nicht hinreichend dargetan. Der Kläger hat sich lediglich zur Existenz der Rechnungsbelege, nicht aber zum Inhalt der erbrachten Leistungen geäußert (Bl. 65 ff.):
Unklar bleibt bezüglich der Aufwandspositionen die Fa. L.R betreffend, welche Arbeiten die „Restaurierungskosten an einem Salon” oder „entstandene Transport- und Aufwendungskosten” (jeweils Rechnungen vom 7. Mai 1997, Bl. 75 f.) betreffen. Dies gilt um so mehr, als der Beklagte unwidersprochen darauf hinweist, dass die Einzelfirma L.R seit 1984 nicht mehr bestehe (Bl. 282).
Der Beleg über Restaurierungskosten der Fa. L.R i.H.v. 12.173 blieb „trotz intensiver Suche des Klägers unauffindbar” (Bl. 65).
Entsprechendes gilt für die Rechnung der Fa. AA, Z (Bl. 66).
Der Beleg der R.H GmbH vom 9. Mai 1997 weist zwar die Zahlung i.H.v. 2.000 DM, nicht aber eine Leistung nach, die einen eindeutigen Bezug zum Unternehmen des Klägers hat „Polsterarbeiten”, Bl. 77).
• Fotoarbeiten i.H.v. 32.022 DM
Die Rechnungen der Fa. „AC” sind an den „XX-Verlag XXX” gerichtet, so dass nicht ohne Weiteres der Bezug zum streitigen Unternehmen des Klägers hergestellt werden kann. Entsprechendes gilt von den in den Rechnungen, auch der der Fa. „DU” ausgewiesenen Leistungen. Ob die fraglichen Rechnungen tatsächlich der Erstellung von Katalogen und sonstigen Verkaufsunterlagen für das Unternehmen des Klägers gedient haben, ist schon allein deshalb nicht zweifelsfrei, weil diese nicht vorgelegt worden sind und weil damit in Zusammenhang stehende Einnahmen nicht erkennbar sind.
3. Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger gemäß § 135 Abs 1 FGO auferlegt.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestand keine Veranlassung.