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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 10.12.2002 – II 536/2000

    Ein Steuerberater, der von der Steuerunehrlichkeit seines Mandanten weiß, etwa aufgrund dessen fehlerhafter Buchführung oder aufgrund der Nichterklärung eines steuerpflichtigen Umsatzes, handelt als Gehilfe mit Vorsatz, wenn er gleichwohl seinen Mandanten weiterhin unterstützt, indem er in seiner Kanzlei unrichtige Betriebszahlen in Steuerformulare eintragen läßt, diese mit seinem Kanzleistempel versieht und damit den Anschein der Richtigkeit erweckt.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob der Kläger zu Recht als Beteiligter einer Steuerhinterziehung für die Umsatzsteuer aus 1994 und 1995 der Firma A. B. GmbH haftet.

    Der Kläger ist als selbständiger Steuerberater in Z. tätig. Seit etwa 1992 hatte er für die Firma A. B. GmbH ein Beratungsmandat. Er erhielt monatliche Akontozahlungen i.H.v. 3.086 DM (inklusive Umsatzsteuer).

    Die berichtigten Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar und Februar 1994 und die Umsatzsteuervoranmeldungen für Juni 1994 bis Juli 1995 der Firma A. B. GmbH wurden durch die Steuerkanzlei des Klägers angefertigt, letztmals die Voranmeldung für Juli 1995, die am 14.09.1995 beim Finanzamt abgegeben wurde. Die Besteuerungsgrundlagen hatte die Firma A. B. GmbH telefonisch an die Steuerkanzlei übermittelt, diese übertrug die Zahlen in die Voranmeldungsformulare und versah sie mit dem Kanzleistempel; danach wurden die ausgefüllten Formulare an die Firma zurückgereicht.

    Unternehmensgegenstand der Firma A. B. GmbH war der An- und Verkauf von Verlagsprodukten und damit zusammenhängende Dienstleistungen. Die GmbH verfügte über keine eigene Werber-Organisation, sondern kaufte von anderen Vertriebsgesellschaften Abonnentenverträge, ... auf. Obwohl die Firma zur Buchführung verpflichtet war, wurde ab Anfang März 1994 eine Belegerfassung über das Buchführungssystem „DATEV” nicht mehr vorgenommen. Ab Mai 1994 führte sie auch kein Kassenbuch mehr. Es erfolgte lediglich eine nach Monaten geordnete Belegablage.

    Der Kläger wusste von der fehlenden Finanzbuchhaltung, beanstandete aber dieses Verhalten gegenüber den Verantwortlichen der Firma A. B. GmbH nicht. Er empfahl, die umsatzsteuerpflichtigen Provisionseinnahmen und die vorsteuerbelasteten Betriebsausgaben allmonatlich aufzuaddieren und die Beträge seiner Steuerkanzlei mitzuteilen.

    Der Kläger wusste spätestens ab Mai 1994, dass die Firma A. B. GmbH einen Bestand an Abonnentenverträgen ... am 12.04.1994 an die Firma X. GmbH in H. für 3,3 Mio. DM verkauft hatte und dass dieser umsatzsteuerpflichtige Vorgang nicht in die Umsatzsteuervoranmeldung für April 1994 aufgenommen worden war. Der Kläger wies seine Mandantin darauf hin, dass die geschuldete Umsatzsteuer unverzüglich nachzuerklären und zu bezahlen sei. Er wusste, dass seine Mandantin wegen Zahlungsschwierigkeiten eine Berichtigung nicht in einem Schritt erledigen, sondern berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Mai 1994 erstellen wollte. Hierzu stellte er seiner Mandantin mehrere Vordrucke für Umsatzsteuervoranmeldungen zur Verfügung. Tatsächlich wurde aber die geschuldete Umsatzsteuer nicht nachgemeldet.

    Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung bei den Verantwortlichen der Firma A. B. GmbH (vgl. Fahndungsbericht vom 01.04.1997, Steuernummer FA Z.) wurde festgestellt, dass die Mandantin des Klägers in den Jahren 1994 Umsätze i.H.v. 5.098.719 DM und in 1995 i.H.v. 1.547.969 DM gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt hatte (vgl. Anklageschrift der StA bei dem LG Z. vom 31.03.1998, Az. 504 Js 1157/95). Das Finanzgericht Z. hat mit rechtskräftigem Urteil vom 11.01.2000 (Az ...) eine Umsatzsteuerschuld der Firma A. B. GmbH für 1994 i.H.v. 696.217 DM und für 1995 i.H.v. 536.950 DM festgestellt.

    Im Hinblick auf erhebliche Steuernachzahlungen, die nach den vorläufigen Ergebnissen der Fahndungsprüfung zu erwarten gewesen waren, hatte das Finanzamt Z. am 02.02.1996 den dinglichen Arrest in das Vermögen der Firma A. B. GmbH angeordnet. Mit Haftungsbescheiden vom 04.12.1998 nahm das Finanzamt A. als faktischen Geschäftsführer der Firma A. B. GmbH und W. als deren gesetzlichen Vertreter in Anspruch.

    Über das Vermögen der Firma A. B. GmbH wurde am 27.11.1996 von einer anderweitigen Gläubigerin Konkursantrag gestellt, der am 03.04.1997 mangels Masse abgewiesen wurde (Amtsgericht Z. Az ...). Laut Gutachten zum Strafvorwurf der Untreue vom 04.08.1997 (Akten der StA bei dem Landgericht Z., Az ...) war die Firma jedenfalls seit 01.01.1993 überschuldet, jedoch nicht zahlungsunfähig.

    Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts Z. vom 01. Dezember 1998 (Az ...) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sieben Fällen verurteilt. Das Urteil wirft dem Kläger Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung i.H.v. 232.195,49 DM zu Gunsten seiner Mandantin, der Firma A. B. GmbH, aufgrund Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Januar bis Juli 1995 vor. Dabei stützt es sich auf die Einlassungen des Klägers selbst sowie die der ehemaligen Mitangeklagten, den Verantwortlichen seiner Mandantin. Wegen des Vorwurfs der Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 1994 wurde das Verfahren gegen den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 01.12.1998 nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

    Das Finanzamt hatte den Kläger bereits mit Bescheid vom 14.12.1998 gemäß § 71 AO für Steuerschulden der Firma A. B. GmbH bis zu einer Höhe von 813.621,37 DM in Haftung genommen. Dabei ging es von einer Verantwortung des Klägers als Mittäter für eine Umsatzsteuerverkürzung für das Jahr 1994 i.H.v. 764.808 DM aus. Für den Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum Januar bis Juli 1995 ging es von einer Beihilfe des Klägers zur Umsatzsteuerhinterziehung i.H.v. 239.662,34 DM aus. Es berechnete die Haftungsschuld i.H.v. 813.621,37 DM aufgrund einer Benachteiligungsquote von 81 %.

    Der Kläger legte Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein und trug zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor:

    Trotz Kenntnis der Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen in 1994, in denen fälschlicherweise die Umsätze aus dem Verkauf der Verträge an die Firma X. GmbH nicht verarbeitet worden seien, habe er nicht selbst die erforderliche Berichtigung gegen den Willen der Firma A. B. GmbH vornehmen dürfen. Hierzu verweise er auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 20.12.1995, 5 StR 412/95, (HFR 1996, 683). Das Strafverfahren sei auch bezüglich des Vorwurfs der Umsatzsteuerhinterziehung 1994 gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

    Wegen der Inhaftungnahme für Umsatzsteuerverkürzungen in 1995 habe das Landgericht Z. fehlerhaft angenommen, dass der Straftatbestand der Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung erfüllt sei. Denn er, der Kläger, habe nicht gewusst, dass die seiner Kanzlei mitgeteilten umsatzsteuerpflichtigen Entgelte unrichtig gewesen seien und habe dies auch nicht billigend in Kauf genommen. Es sei nicht Aufgabe eines Steuerberaters, die Zahlen zu kontrollieren, die ein Mandant bezüglich seiner eigenen steuerlichen Verhältnisse angebe. Der Steuerberater müsse einen Sachverhalt nur dann weiter aufklären, wenn er Anlass habe zu glauben, dass eine gemeldete Zahl unrichtig sei.

    Im Einspruchsverfahren kündigte das Finanzamt als Einigungsvorschlag an, den Haftungsbescheid gem. § 130 Abs. 1 AO teilweise zurückzunehmen, soweit er die Umsatzsteuer 1994 i.H.v. 619.494,88 DM und die Umsatzsteuervorauszahlungen für Januar bis Juli 1995 i.H.v. 24.673,79 DM enthielt, und gewährte für diese Beträge mit Bescheid vom 10.05.2000 Aussetzung der Vollziehung. Die Haftungsschuld sollte auf die Umsatzsteuer für Januar bis Juli 1995 i.H.v. 169.502,70 DM beschränkt werden. Den Haftungszeitraum grenzte das Finanzamt zeitlich ein vom 10.02.1995 (Abgabetermin für die Umsatzsteuervoranmeldung 1/1995) bis 27.11.1996 (Konkursantrag). Auch ging es nurmehr von einer Benachteiligungsquote i.H.v. 73 aus. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande.

    In der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2000 setzte das Finanzamt unter teilweiser Rücknahme des Haftungsbescheides vom 14.12.1998 die Haftungssumme auf 169.502,70 DM herab und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Den Haftungszeitraum legte es nunmehr vom 10.07.1994, dem regulären Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuervoranmeldung 5/1994, bis zum Abgabezeitpunkt der letzten falschen Umsatzsteuervoranmeldung 7/1995, dem 14.09.1995 fest. Den Haftungsschaden begrenzte es auf einen Betrag von 169.502,70 DM, weil die Umsatzsteuer 1994 nur mit größerem Aufwand auf die Monate Mai bis Dezember aus 1994 aufzugliedern wäre und die allgemeine Tilgungsquote auf einer Schätzung beruhe.

    Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Haftungsbescheid vom 14.12.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2000 ersatzlos aufzuheben.

    Er trägt vor, er habe nicht wissen können, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht richtig gewesen seien, denn ihm hätten keine Belege vorgelegen. Für April bis Juni 1994 habe er keinen Auftrag zur Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen gehabt.

    Auch sei die Tilgungsquote viel zu hoch, denn wegen der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Masse hätten Gläubiger in erheblich größerem Umfange nicht befriedigt werden können.

    Der Haftungsbescheid beziehe sich zu Unrecht auf seine Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Diese sei nicht bewiesen. Er habe das Urteil nur rechtskräftig werden lassen aus Kostengründen, zum Schutz seiner Familie und zur Wahrung seiner beruflichen Existenz. Es lägen keine Beweise für seine Verantwortlichkeit vor. Mit Schätzungen und mutmaßlichen Unterstellungen könne ihm keine Schuld angelastet werden.

    Das Finanzamt beantragt die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung vom 16.10.2000. Der Kläger habe Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet, denn er habe aufgrund der persönlichen Darlegung der Firmenleitung gewusst, dass für eine Schätzung der Umsätze mangels Buchführung keine tragfähige Grundlage vorhanden gewesen sei. Er habe billigend in Kauf genommen, dass die übermittelten Zahlen zu Steuerverkürzungen führen könnten. Der Haftungsbetrag sei auf die absolute Untergrenze herabgesetzt worden. Das Konkursverfahren, das im November 1996 beantragt und am 03.04.1997 mangels Masse abgewiesen worden sei, sei zum Nachweis der wirtschaftlichen Lage der Firma A. B. GmbH im Haftungszeitraum 1994 und 1995 nicht geeignet.

    Das Finanzgericht hat, wie vom Kläger beantragt, Einsicht genommen in die Konkursakte des Amtsgericht Z. (Az ...), in die Vollstreckungs-, Haftungs- und Umsatzsteuerakten der Firma A. B. GmbH und in die Strafakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Z. mit den Aktenzeichen ... und ...

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Das Finanzamt hat den Kläger zu Recht als Beteiligten einer Steuerhinterziehung für Umsatzsteuer in Haftung genommen.

    Nach § 71 AO haftet für die verkürzten Steuern, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Er kann nach § 191 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Da die Haftung nach § 71 AO keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten darstellt, sondern den durch die Hinterziehungshandlung verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen soll, haftet der Teilnehmer einer Steuerhinterziehung lediglich in Höhe der aufgrund seines Tatbeitrages hinterzogenen Beträge. Die Inanspruchnahme des Gehilfen einer Steuerhinterziehung setzt daher die Feststellung voraus, dass dessen Beihilfehandlung zu dem eingetretenen Erfolg einer Steuerverkürzung zumindest mitursächlich gewesen ist (BFH-Urteil vom 26.08.1992 VII R 50/91, BStBl. II 1993, 8; BFH-Beschluss vom 11.02.2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891).

    Die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides nach § 71 AO verlangt, dass eine Steuerhinterziehung als Haupttat vorliegt. Nach § 370 Abs. 1 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt.

    Eine Haupttat, nämlich die vorsätzliche Steuerverkürzung zugunsten der Firma A. B. GmbH, steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Finanzgerichts Z. vom 11.01.2000 (Az.) und aufgrund der rechtskräftigen Verurteilungen der Verantwortlichen der Firma (vgl. Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Z., Az.).

    Mit Urteil des Landgerichts Z. wurde A. als faktischer Geschäftsführer der Firma A. B. GmbH u.a. wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer für 1994 i.H.v. 764.808 DM und für 1995 i.H.v. 447.558 DM rechtskräftig verurteilt. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung wurden für Januar bis Juli 1995 Umsätze i.H.v. 4.692.936 DM vorangemeldet, jedoch tatsächlich Umsätze i.H.v. 6.240.905 DM ausgeführt. Damit ergab sich allein für diesen Zeitraum eine Hinterziehung der Umsatzsteuer von 232.195 DM (StA bei dem Landgericht Z., Az.).

    Das Finanzamt hat das Verhalten des Klägers rechtlich zutreffend als Beihilfe zur Steuerhinterziehung gewertet.

    a) Beihilfe leistet, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss.

    Beihilfevorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch seine Beihilfe das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Er braucht die Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde oder die Tat ausdrücklich missbilligt. Es genügt, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern und der Hilfeleistende dies weiß. Unter diesen Voraussetzungen ist der Vorsatz auch dann nicht in Frage gestellt, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die Haupttat (BGH-Urteil vom 01.08.00 - 5 StR 624/99, JZ 2000, 1175; vgl. auch FG Köln Urteil vom 19.12.2001 Az. 10 K 2330/96, EFG 2002, 513; FG Münster, Urteil vom 11.12.2001 Az. 1 K 3470/98 E, EFG 2002, 728).

    b) Der BGH hat zur Beihilfestrafbarkeit von Bankangestellten beim Kapitaltransfer ins Ausland entschieden, dass eine generelle Straflosigkeit von berufstypischen Handlungen nicht in Betracht kommt. Berufstypische Handlungen sind nicht in jedem Fall neutral, sondern nach folgenden Grundsätzen als strafrechtlich relevante Beihilfehandlung zu beurteilen:

    Weiß der Hilfeleistende, dass das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf zielt, eine strafbare Handlung zu begehen, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten, weil in diesem Fall sein Tun als Solidarisierung mit dem Täter zu deuten ist.

    Hält der Hilfeleistende es jedoch lediglich für möglich, dass der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so liegt eine strafbare Beihilfehandlung dann vor, wenn für ihn die Tatgeneigtheit des Täters erkennbar war und er trotz des erkannten Risikos strafbaren Verhaltens den Täter weiter unterstützt (BGH-Urteil vom 01.08.00 - 5 StR 624/99, a.a.O.).

    c) Im Streitfall wusste der Kläger von der Steuerunehrlichkeit der Verantwortlichen der Firma A. B. GmbH aufgrund seiner Besprechungen mit ihnen, aufgrund seiner Kenntnis von der mangelhaften bzw. fehlenden Buchführung und aufgrund des von ihm tolerierten Verfahrens zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen. Er wusste, dass im April 1994 Umsatzsteuer von über 400.000 DM nicht erklärt worden war und er nahm selbst im September 1994 Berichtigungen der Umsatzsteuervoranmeldungen für Jan. und Feb. 1994 zu Lasten des Finanzamts vor. Er nahm für den Zeitraum, in dem keine ordentliche Buchführung vorlag, den Erfolg der Steuerverkürzungen billigend in Kauf.

    d) Durch sein Verhalten hat er auch gegen die ihn als unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege im Rahmen seines jeweiligen Auftrags gegenüber dem Mandanten treffenden berufstypischen Pflichten verstoßen.

    Entdeckt der Steuerberater, dass beim Finanzamt abgegebene Steuererklärungen zur Verwirklichung des Tatbestands einer Steuerhinterziehung geführt haben, und fielen die Abgabe und die Erstellung der unrichtigen Erklärungen in den Zeitraum, für den der Steuerberater bereits verantwortlich war, muss er den Mandanten entsprechend aufklären, beraten und zur Selbstanzeige auffordern. Er selbst darf ohne gesonderte Beauftragung eine Selbstanzeige zwar nicht erstatten, weil der Beratungsauftrag hierfür im Regelfall keine Berechtigung enthält. Weigert sich aber der Mandant, eine Selbstanzeige zu erstatten, bzw. den Berater damit zu beauftragen, ist es aus standesrechtlichen Grundsätzen erforderlich, das Mandat niederzulegen. Der Berater muss dann auch noch prüfen, ob nicht unter Umständen eine Selbstanzeige für die eigene Person in Betracht kommt.

    Dem aufgezeigten Pflichtenkreis steht der Einwand des Klägers nicht entgegen, dass selbst bei Kenntnis der Unrichtigkeit von Steuererklärungen ein Steuerberater nicht selbst die erforderliche Berichtigung gegen den Willen des Mandanten vornehmen dürfe; es treffe den Steuerberater auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 AO, wenn er nachträglich erkenne, dass Steuererklärungen, an deren Erstellung er mitgewirkt hat, zu einer zu niedrigen Steuer führen. Hierzu verwies er auf die Entscheidung des BGH vom 20.12.1995 (Az. 5 StR 412/95 HFR 1996, 683) und auf Achenbach in Steuerberatung 1996 Seite 299 ff „Der BGH zu den Strafbarkeitsrisiken des nachträglich bösgläubigen Steuerberaters - Klärungen und offene Fragen”.

    Denn der BGH entschied, dass zwar alleine die Gegenwart eines Steuerberaters bei einer Besprechung, in der Umstände einer Steuerhinterziehung offen gelegt werden, nicht ausreiche, um den Tatbestand einer Beihilfehandlung zu erfüllen. Jedoch wird ausdrücklich bestätigt, dass eine Beihilfe auch durch psychische Unterstützung im Sinne aktiven Tuns geleistet werden kann, wenn der Täter durch die Anwesenheit des Gehilfen in seinem Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt wird, ohne dass der Erfolg der Haupttat im Sinne einer Kausalität mitverursacht werden muss. Dabei muss die Anwesenheit des Gehilfen die Tat objektiv gefördert oder erleichtert haben und der Gehilfe muss sich dessen bewusst gewesen sein (BGH-Beschluss vom 20.12.1995, 5 StR 412/95 a.a.O.; BGH-Beschluss vom 10.01.1993, 3 StR 516/92, NStZ 1993, 233).

    Auch der vom Kläger zitierte Aufsatz von Achenbach (a.a.O.) geht davon aus, dass für einen Steuerberater, der nachträglich von unrichtigen oder unvollständigen Angaben Kenntnis erlangt, dann ein nicht unerhebliches Risiko der Bestrafung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestehe, wenn er in Kenntnis der Unrichtigkeit bewusst Handlungen vornimmt, welche die Tat fördern oder erleichtern. Dafür könne ausreichen, dass der Berater dem Mandanten ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittle und ihn so in seiner Tatentschlossenheit bestärke.

    e) Die Einlassung des Klägers, er habe kurzfristig für April bis Juni 1994 keinen Auftrag zur Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen gehabt, wertet das Gericht als Schutzbehauptung. Denn im Streitfall hatte er ein Beratungsmandat seit 1992. Im Übrigen wäre er durch die geltend gemachte Unterbrechung des Mandats nicht von seiner Verpflichtung als Steuerberater befreit gewesen, die möglicherweise fehlerhaften Umsatzsteuervoranmeldungen April bis Juni 1994 zu überprüfen, als er im September 1994 weitere Berichtigungen zu Lasten des Finanzamts vornahm. Er durfte seine Augen vor dem offenkundigen Risiko der Steuerhinterziehung nicht verschließen.

    Denn der Kläger wusste spätestens seit Mai 1994 von der erheblichen Steuerverkürzung seiner Mandantin. Er wusste, dass die Geschäftsbücher nicht mehr ordnungsgemäß geführt wurden. Als Steuerberater war ihm bewusst, dass richtige Steuererklärungen grundsätzlich nur aufgrund einer korrekten Buchführung erstellt werden können. Er billigte die fehlerhafte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, indem er es zuließ, dass die Zahlen in seiner Steuerkanzlei in Formulare eingetragen wurden, die seinen Kanzleistempel trugen und damit den Anschein der Richtigkeit erweckten.

    Trotz des erkannten Risikos der vorsätzlichen Steuerverkürzung unterstützte er weiterhin seine Mandantin. Eine Notwendigkeit dazu hätte nicht bestanden. Die Firma A. B. GmbH hätte die Umsatzsteuervoranmeldungen auch eigenständig abgeben können, ohne den Umweg über die Steuerkanzlei des Klägers. Denn die telefonische Übermittlung von Zahlen an die Steuerkanzlei des Klägers und das dortige Ausfüllen der Umsatzsteuervoranmeldung macht nur Sinn, wenn der Einschaltung der Steuerkanzlei eine gewisse Bedeutung zukommen sollte, wenn ihr gleichsam der Stempel der Glaubwürdigkeit aufgedrückt wurde.

    f) Aufgrund seiner Kenntnisse der wirtschaftlichen Betätigung seiner Mandantin und seiner Kenntnis von dem Verkauf der Verträge war dem Kläger auch in etwa der erhebliche Umfang der Steuerverkürzung bewusst.

    In den Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Januar bis Juli 1995 war der tatsächlich ausgeführte Umsatz etwa um 30 % höher als der Umsatz, den die Steuerkanzlei des Klägers ansetzte. Dies führte zu einer Umsatzsteuerverkürzung i.H.v. 232.195 DM.

    Zudem wurden in diesen sieben Voranmeldungen monatlich ca. 90.000 DM, insgesamt 644.547,82 DM, an Vorsteuerbeträgen zugunsten der Firma A. B. GmbH geltend gemacht. Dabei war dem Kläger bewusst, dass er die Richtigkeit der Vorsteuerbeträge in seiner Kanzlei nicht nachvollziehen konnte, weil die Zahlen nur telefonisch übermittelt wurden und seiner Kanzlei Eingangsrechnungen nicht vorlagen.

    4. Das Gericht bezieht sich bei der Feststellung der Strafbarkeit des Klägers wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung auf die Erkenntnisse des Strafurteils des Landgerichts Z. vom 01.12.1998 (Az. ... ). Der Kläger wurde für schuldig befunden der Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung in sieben Fällen, nämlich bezüglich der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis Juli 1995. In der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung für 1994 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Einstellung erfolgte zur Verfahrensbeschleunigung aus prozessökonomischen Gründen. Eine Entscheidung über die Verantwortlichkeit des Klägers wurde dabei nicht getroffen (vgl. Kleinknecht/Mayer-Goßner, StPO-Kommentar, 44. Aufl., § 154 Rdn 1, 19).

    a) Das Finanzgericht kann sich die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu eigen machen (BFH-Urteil vom 13.07.1994 I R 112/93, BStBl. II 1995, 198; BFH-Beschluss vom 20.12.2000 I B 93/99, BFH/NV 2001, 639).

    Der Kläger hat seine Beihilfetat in der mündlichen Verhandlung vor dem Strafgericht zwar nicht ausdrücklich, aber doch im Ergebnis eingeräumt und damit ein ihm günstiges Urteil erreicht. Sein Einwand im Haftungsverfahren, er habe das Urteil nur aus Kostengründen, zum Schutz seiner Familie und zur Wahrung seiner beruflichen Existenz akzeptiert, kann nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Denn bei einem Freispruch oder einer eine Einstellung tragenden eindeutigen Beweislage wäre die Bereitschaft zur Verurteilung widersinnig. Nach den von der Staatsanwaltschaft in den Strafprozess eingebrachten, vom Gericht eingesehenen und in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Beweismitteln sprach die Beweislage zu Lasten des Klägers. Er ersparte sich durch sein Zugeständnis eine längere Verfahrensdauer und eine höhere Strafe.

    b) Das Finanzgericht hat bei seiner Entscheidungsfindung die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Beweismittel berücksichtigt.

    Dabei konnte aufgrund der vorliegenden Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis Juli 1995 und den Berechnungen der Steuerfahndung der konkrete Umfang der Steuerhinterziehung in diesem Zeitraum nachvollzogen werden.

    Die Kenntnis des Klägers von der Unrichtigkeit der in seiner Steuerkanzlei gefertigten Voranmeldungen steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeuginnen XX und YY gegenüber den Beamten der Steuerfahndungsstelle, wenn sie ausführen, dass die Zahlen in den Umsatzsteuervoranmeldungen zwischen ihnen abgesprochen und in Annäherung an die der Vormonate geschätzt wurden. Dabei sei klar gewesen, dass aufgrund fehlender Eingangsrechnungen die Vorsteuern viel zu hoch angesetzt waren. Der Kläger selbst habe im Büro der Firma A. B. GmbH vorgesprochen und auch Belege mit zu sich genommen.

    Eine erneute Vernehmung durch das Gericht hat der Kläger nicht beantragt und war auch nicht erforderlich, weil neue Erkenntnisse zum Sachverhalt nicht zu erwarten waren.

    Die Inanspruchnahme des Haftenden steht im pflichtgemäßen Entschließung- und Auswahlermessen des Finanzamts (§§ 5, 191 Abs. 1 Satz 1 AO). Das Gericht hat bei seiner Überprüfung im vorliegenden Streitfall nicht feststellen können, dass das Finanzamt die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 Abs. 1 FGO).

    a) Die Ermessensentscheidung im Falle einer vorsätzlichen Steuerverkürzung oder einer Beihilfe hierzu ist bezüglich der Inanspruchnahme sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorgeprägt. Bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung ist die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner aufgrund des Verschuldensgrades regelmäßig gerechtfertigt. Aufgrund der vorsätzlichen Beihilfehandlung des Klägers hat die Behörde von ihrem Entschließungsermessen rechtmäßig Gebrauch gemacht.

    Die Vorschrift des § 71 AO hat ihrer Rechtsnatur nach Schadensersatzcharakter. Mit ihr wurde ein selbständiger Verpflichtungsgrund für die Zahlung der hinterzogenen Steuereinnahmen geschaffen und für denjenigen, der eine unerlaubte Handlung begangen hat, eine Schadensersatzpflicht in Höhe der hinterzogenen Beträge begründet. Deshalb führt eine dem Zweck des § 71 AO berücksichtigende und an § 5 AO orientierte Ermessensausübung dazu, dass die Höhe des Haftungsanspruchs durch die Verwirklichung des Tatbestands des § 71 AO auf den Betrag vorgegeben ist, auf den sich der Vorsatz des Täters oder Teilnehmers bezogen hat (BFH-Urteil vom 26.02.1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504; BFH-Urteil vom 06.03.2001 VII R 17/99, BFH/NV 2001, 1100; BFH-Beschluss vom 29.08.2001 VII B 54/01, ZfZ 2002, 55). Das Finanzamt hat den Haftungsbetrag in der Einspruchsentscheidung auf einen Betrag von 169.502,70 DM begrenzt; damit ist er deutlich unter dem Schadensbetrag geblieben, der sich aus der Beihilfehandlung des Klägers ergibt.

    b) Die Beschränkung der Haftung auf eine bestimmte Quote war nicht erforderlich. Zwar hat der BFH in Fällen des Zusammentreffens der Tatbestände der Vertreterhaftung (§ 69 AO) mit der Hinterzieherhaftung (§ 71 AO) entschieden, dass die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Haftung geboten sein kann (BFH-Urteil vom 26.08.1992 VII R 50/91, BStBl. II 1993, 8). Im vorliegenden Streitfall war jedoch der Kläger weder vertretungsbefugt hinsichtlich der Firma A. B. GmbH, noch bestand zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuern im Haftungszeitraum eine Zahlungsunfähigkeit der Firma. Es lag zwar eine Überschuldung vor, jedoch standen genügend liquide Mittel zur Verfügung, um die Umsatzsteuern im Voranmeldungszeitraum Januar bis Juli 1995 zu bezahlen.

    Danach war die Klage abzuweisen.

    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenAO § 71, AO § 191 Abs. 1, AO § 370 Abs. 1, StGB § 27 Abs. 1