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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 03.08.2000 – 11 K 6126/97 BG

    -Bei einer fehlerbeseitigenden Artfortschreibung eines 1981 fertiggestellten Wohnhauses zum Einfamilienhaus muss die Finanzbehörde nach § 20 Satz 2, 2. Halbsatz BewG in der seit dem 13.11.1992 geltenden Fassung i. V. m. den gleichlautenden Ländererlassen vom 15.05.1995 (BStBl I 1995, 201) in ermessensgerechter Weise prüfen, ob das Gebäude im Wege einer Billigkeitsmaßnahme entsprechend der Verwaltungsübung bis zum Jahr 1985 weiterhin als Zweifamilienhaus bewertet werden kann.


    -Diese bewertungsrechtliche Billigkeitsregelung ist unabhängig von der Ausstattung des Hauses, den Baukosten und dem Aufwand für die Schaffung getrennter Wohnungen anzuwenden.


    Der Einheitswertbescheid (Artfortschreibung auf den 01.01.1995) vom 21.12.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.07.1997 für das Grundstück in . . ., . . ., wird aufgehoben.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob das Wohnhaus der Kläger in . . ., . . . auf den 01.01.1995 gemäß § 20 Satz 2 2. Halbsatz Bewertungsgesetz (BewG) in Verbindung mit den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend die Einheitsbewertung des Grundvermögens vom 15. Mai 1985, BStBl I 1985, 201 als Zweifamilienhaus im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 75 Abs. 6 BewG zu bewerten ist.

    Die Kläger sind seit 1986 Eigentümer des oben genannten Wohnhauses. Das Haus wurde im Jahre 1981 fertig gestellt. Es ist an einem Hang gebaut und hat drei Ebenen, die auf Grund der Hanglage versetzt sind. Das Haus ist auf Grund der Hanglage nur teilweise unterkellert und der Eingangsbereich befindet sich auf der zweiten Ebene. Auf der Ebene des Eingangsbereiches befinden sich auf der vom Eingang her gesehenen linken Seite ein 13,18 qm großer Wohnraum und ein 2,41 qm großer Abstellraum. Auf der rechten Seite des Eingangs befindet sich ein 1,94 qm großer Flur, eine 6,91 qm große Küche und eine 4,76 qm große Dusche. Zusammen mit dem Eingangsflur mit einer Größe von 2,04 qm beträgt die gesamte Wohnfläche dieser so genannten Einliegerwohnung 31,24 qm. An diesen Eingangsflur schließen die Treppenstufen an, die in die zum Tal hin gelegene erste Ebene hinab und in die zum Tal hin gelegene zweite Ebene hinauf führen. Ursprünglich war dieser Treppenbereich nicht durch eine Tür abgeschlossen. Auf Grund einer Ortsbesichtigung stellten Vertreter des Beklagten fest, dass das Gebäude ein Einfamilienhaus sei und diese Grundstücksart wurde auch durch einen entsprechenden Bescheid festgestellt. Daraufhin trennte der Voreigentümer der Kläger den Treppenbereich durch eine massive Türkonstruktion von dem Eingangsflur ab. Auf Grund einer am 28.01.1983 durch die Vertreter des Beklagten . . . und . . . durchgeführten Ortsbesichtigung erfolgte eine Anerkennung des Gebäudes als Zweifamilienhaus. Über die Ortsbesichtigung fertigten die Vertreter des Beklagten einen Aktenvermerk, auf den Bezug genommen wird (vgl. Blatt 13 der Bewertungsakte Rückseite). Mit Einheitswertbescheid (Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.1983) vom 15.10.1984 wurde der Einheitswert für das Grundstück in . . ., . . . auf 93.800,00 DM und die Grundstücksart Zweifamilienhaus festgestellt.

    Durch Einheitswertbescheid (Zurechnungsfortschreibung auf den 01.01.1987) vom 11.05.1987 wurde das Grundstück in . . . den Klägern zu je 1/2 zugerechnet. Ferner wurde ihnen nachrichtlich mitgeteilt, dass der Einheitswert wie bisher 93.800,00 DM betrage und die Grundstücksart Zweifamilienhaus sei.

    Am 11.12.1995 wurde bei den Klägern eine Ortsbesichtigung durch Vertreter des Beklagten durchgeführt, um zu ermitteln, ob es sich bei dem Gebäude der Kläger um ein Ein- oder Zweifamilienhaus handelte. Bei dieser Ortsbesichtigung wurde unter anderem festgestellt, dass die Einliegerwohnung an die Mutter bzw. Schwiegermutter der Kläger vermietet war, die in . . . nur mit zweitem Wohnsitz gemeldet war und sich nach Auskunft der Kläger auch nicht ständig in dieser Wohnung in . . . aufhielt. Bezüglich der Tür, die die Hauptwohnung von der Einliegerwohnung trennt, wurde festgestellt, dass sie nicht geeignet sei, zwei abgeschlossene Wohnungen zu schaffen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vermerkes über die Ortsbesichtigung wird auf den Vermerk Blatt 71 der Bewertungsakte Bezug genommen. Mit Einheitswertbescheid (Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.1995) vom 21.12.1995 wurde für das Gebäude der Kläger im Rahmen einer fehlerbeseitigenden Fortschreibung der Einheitswert auf 141.300,00 DM und die Grundstücksart Einfamilienhaus festgestellt. Die Kläger legten gegen den Einheitswertbescheid fristgerecht Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 24.07.1997 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

    Die Kläger haben am 20.08.1997 Klage erhoben.

    Sie sind der Ansicht, dass ihr Hausgrundstück in . . . ein Zweifamilienhaus im Sinne des Bewertungsgesetzes sei. Das Hausgrundstück sei von den Klägern als Zweifamilienhaus erworben worden, um die einkommensteuerrechtlichen Vorteile der Nutzungswertbesteuerung auszunutzen. Wie sich auch aus dem Kaufvertrag ergebe, sei die Kaufentscheidung zugunsten dieses Hauses getroffen worden, weil es für die Kläger wichtig gewesen sei, dass das Haus die bewertungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Zweifamilienhaus erfüllte. Das ursprünglich nicht als Zweifamilienhaus anerkannte Haus sei von den Voreigentümern auf Grund von klaren Vorgaben von Vertretern des Beklagten so gestaltet worden, dass es sich um ein bewertungsrechtliches Zweifamilienhaus handele. Seitens der Beamten sei vorgegeben worden, die vollständige Abtrennung des Treppenhauses der Hauptwohnung zum Eingangsbereich und eine Tür in dieser Abtrennung als Haupteingang zur Hauptwohnung. Zum Beweis für diese Behauptung berufen ich die Kläger auf das Zeugnis der Voreigentümer Eheleute . . ., sowie auf das Zeugnis der damals zuständigen Mitarbeiter des Finanzamtes Herr . . . und Herr . . .. Die Voreigentümer seien den Vorgaben des Finanzamtes zu den baulichen Veränderungen vollständig nachgekommen. Bei der eingebauten Abtrennung handele es sich um eine massive Holzkonstruktion (4 bis 5 cm dick, passend zur Holzfachwerkkonstruktion des Hauses), welche fest im Mauerwerk verankert worden sei, um so auch optisch und akustisch eine vollständige Abtrennung der beiden Wohnungen zu verwirklichen. Auf Grund dieser baulichen Veränderungen sei 1983 eine Artfortschreibung zum Zweifamilienhaus erfolgt.

    Vor Kauf des Hausgrundstückes wünschten die Kläger noch eine Bestätigung des Beklagten, dass die weitere Artfortschreibung des zu erwerbenden Gebäudes als Zweifamilienhaus gewährleistet sei. Als zuständige Ansprechpartnerin hierfür sei Frau . . . benannt worden. Nach erfolgter Akteneinsicht und Rücksprache mit anderen Kollegen sei von dieser Mitarbeiterin des Beklagten am 05.11.1986 mündlich mitgeteilt worden, dass kein Zweifel an der Artfeststellung bestehe, solange keine baulichen Veränderungen vorgenommen würden und dass keinerlei Veranlassung für den Beklagten bestehe, eine nochmalige Überprüfung durch Ortsbesichtigung vorzunehmen. Auf dieser Basis sei die Kaufentscheidung der Kläger getroffen und umgesetzt worden.

    Die Einliegerwohnung der Kläger sei seit dem Erwerb des Hauses vermietet worden. Die Vermietung sei von Dezember 1986 bis Oktober 1990 an einen fremden Dritten, von November 1990 bis Januar 1996 an eine Verwandte und seit April 1996 wieder an einen Dritten erfolgt.

    Wegen der Einzelheiten der baulichen Gestaltung des Hauses und insbesondere der Abtrennung zwischen Hauptwohnung und Einliegerwohnung nehmen die Kläger auf eingereichte Pläne und Fotos (vgl. Blatt 38 bis 41 der FG-Akte) Bezug.

    Die Kläger sind der Ansicht, dass ihr Wohngrundstück die Voraussetzungen des so genannten alten Wohnungsbegriffes erfülle. Voraussetzung für eine Wohnung sei danach nur, dass die Zusammenfassung der Räume zu einer Wohnung sich aus ihrer Lage zueinander, aus ihrer Zweckbestimmung und im Zweifelsfalle aus der dieser Zweckbestimmung entsprechenden tatsächlichen Nutzung ergebe. Die Räume der Einliegerwohnung müssten danach zusammenhängend getrennt von den Räumen der Hauptwohnung angeordnet sein (z. B. in einem eigenen Geschoss), damit auf Grund einer gewissen wahrnehmbaren Abgrenzung überhaupt von zwei verschiedenen Wohnungseinheiten gesprochen werden könne. Bei zweifelhafter räumlicher Gestaltung, das heiße, wenn die wahrnehmbare räumliche Abgrenzung bei einer nichtabgeschlossenen Wohnung nicht eindeutig vorliege, sei hilfsweise darauf abzustellen, ob die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt als Wohnung vermietbar wäre. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Zwar müsse der Wohnungsinhaber der Hauptwohnung durch den Eingangsbereich der Einliegerwohnung, um in die Hauptwohnung zu gelangen. Bei dem zu passierenden Bereich. handele es sich jedoch nicht um einen Aufenthaltsraum, sondern um einen Flur, der die Räume der Einliegerwohnung miteinander verbinde und von dem aus die Eingangstür der Hauptwohnung mit dem dahinter liegenden Treppenhaus erreicht werde.

    Zum Beweis für die Vermietbarkeit der Wohnung bieten die Kläger an, das Zeugnis des derzeitigen Mieters . . ..

    Zum anderen berufen sich die Kläger darauf, dass im Streitfall auch aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Änderung der Feststellung der Grundstücksart nicht in Frage käme. Die Voreigentümer hätten die Baumaßnahmen, mit denen die Voraussetzungen eines Zweifamilienhauses geschaffen wurden, eingehend mit dem Beklagten abgestimmt. Auch die Kläger hätten sich vor Erwerb des Hauses nochmals an den Beklagten gewandt, und unter Hinweis auf die erhebliche finanzielle Bedeutung der Bewertung als Zweifamilienhaus um Auskunft über die zutreffende Bewertung gebeten. Ein Hinweis, den Antrag in Form eines schriftlichen Antrags auf verbindliche Auskunft zu stellen, sei seitens des Beklagten nicht erfolgt. Der Beklagte habe jedoch insoweit eine Hinweis- und Fürsorgepflicht gegenüber dem Steuerschuldner. Es könne von einem Bürger nicht verlangt werden, dass er bei einer persönlich vorgebrachten Anfrage Detailkenntnisse über innerdienstliche Abläufe wie § 204 AO in Verbindung mit Karte 2 der AO-Kartei hinsichtlich der Form einer Anfrage besitze.

    Die Kläger beantragen,

    den Einheitswertbescheid (Artfortschreibung auf den 01.01.1995) vom 21.12.1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.07.1997 für ihr Grundstück in . . . aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Er ist der Ansicht, dass die Räumlichkeiten der so genannten Einliegerwohnung keine in sich zusammenhängende Einheit darstellten, die gegenüber der Hauptwohnung klar abgegrenzt und in gewisser wahrnehmbarer Weise abgeschlossen sei. Um in die so genannte Hauptwohnung zu gelangen, müsse immer der zentrale Flurbereich der Einliegerwohnung durchquert werden. Der Hinweis, dass die, so genannte Hauptwohnung auch durch einen Hintereingang zu erreichen sei, werde von den Klägern im Klageverfahren zum ersten Mal vorgebracht. Es sei zu vermuten, dass damit die Terassentür gemeint sei. Für ein Haus dieses Zuschnitts und dieser Ausstattung sei es jedoch unüblich, die eigene Wohnung ständig durch den Garten hinter dem Haus zu betreten. In der so genannten Einliegerwohnung sei eine ungestörte Führung eines zweiten Haushalts nicht möglich. Es handele sich nicht um eine Etagenwohnung. Die bauliche Gegebenheit des Hauses in dem die einzelnen Räume auf Halbetagen angeordnet seien, führe zwangsläufig dazu, dass sich jeder Bereich auf einer anderen Etage befinde. Das sei nicht zu vergleichen mit den nicht abgeschlossenen Etagenwohnungen, wie sie vor allen Dingen in Mietshäusern älterer Bauart zu finden seien, die durch ein zentrales Treppenhaus zu erreichen seien. Der Durchgang zur Hauptwohnung möge zwar nur 1,50 m betragen, er durchschneide aber die Räume der so genannten Einliegerwohnung. Die im Fall einer nicht eindeutig vorhandenen baulichen Abtrennung der Zweckbestimmung entsprechende tatsächliche Nutzung sei im vorliegenden Fall auch nicht eindeutig gegeben. Zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung am 11.12.1995 sei die so genannte Einliegerwohnung als zweiter Wohnsitz an die Mutter der Klägerin vermietet. Ausweislich des Mietvertrages erfolgte diese Vermietung ab dem 01.11.1990. Im Rahmen des Ortstermins hätten die Kläger zugegeben, dass die Mieterin nicht überwiegend in dem streitbefangenen Gebäude wohne. Also sei nicht von einer dauerhaften Haushaltsführung auszugehen.

    Die Kläger könnten sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Mündliche Auskünfte von Angehörigen der Finanzverwaltung seien unerheblich. Die Finanzverwaltung sei an eine Entscheidung grundsätzlich nur dann gebunden, wenn sie mit einer verbindlichen Zusage verbunden sei. Der Antrag auf verbindliche Zusage sei gemäß § 204 AO in Verbindung mit Karte 2 der AO-Kartei in Schriftform beim Finanzamt zu stellen. Ein solcher Antrag läge dem Finanzamt aber nicht vor. Die verbindliche Zusage selbst sei gemäß § 205 AO als solche zu kennzeichnen und in Schriftform zu erteilen. Eine solche Zusage sei vom Finanzamt nicht gegeben worden.

    Auch wenn sowohl für das streitbefangene Grundstück als auch für Mietshäuser älteren Baujahrs der alte Wohnungsbegriff anzuwenden sei, sei da noch ein Unterschied zu machen zwischen einem Mietshaus mit mehreren Mietparteien und dem streitbefangenen Haus des Baujahres 1981, dass für einen Kaufpreis von insgesamt 565.000,00 DM erworben worden sei. Nach der Verkehrsanschauung seien an die Abgrenzungskriterien des Hauses der Kläger wesentlich strengere Anforderungen zu stellen, als an Miethäuser älteren Baujahrs, die aufgrund der früheren Bauweise nicht in allen Fällen den heute üblichen Wohnkomfort erreichen. Das streitbefangene Grundstück diene in erster Linie als Wohnstätte der Kläger und solle vor allen Dingen aus einkommensteuerlichen Gründen nicht als Einfamilienhaus bewertet werden. Dies sei durchaus legitim, aber dann müssten an die Abgrenzung zwischen Ein- und Zweifamilienhaus besonders strenge Maßstäbe angesetzt werden. Daher sei im Streitfall auf die Vermietbarkeit der Einliegerwohnung großen Wert zu legen. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, dass die Vermietung so angelegt sei, dass die zweite Wohnung den Lebensmittelpunkt des Mieters darstelle. Eine zweite Wohnung solle so angelegt sein, dass sie jederzeit auf dem Wohnungsmarkt vermietbar sei.

    Eine Vermietung im Rahmen der eigenen Verwandtschaft, wobei dieser Mieter auch noch seinen Hauptwohnsitz beibehalte, sei nicht dazu geeignet, die Vermietbarkeit der Wohnung zu belegen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Der Beklagte hat das Haus der Kläger auf den 01.01.1995 zu Unrecht als Einfamilienhaus bewertet.

    Ob das 1981 fertig gestellte Wohnhaus der Kläger als Zweifamilienhaus im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 75 Abs. 6 BewG zu bewerten ist, richtet sich im Streitfall nach § 20 Satz 2 2. Halbsatz BewG in der seit dem 13. November 1992 geltenden Fassung (BGBl. I 1992, 1853) in Verbindung mit den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Einheitsbewertung des Grundvermögens, Änderung der BFH-Rechtsprechung zum Wohnungsbegriff vom 15. Mai 1995 (BStBl I 1995, 201). Gemäß dem zuvor zitierten Erlass in Verbindung mit § 20 Satz 2 BewG hängt die Bewertung des Gebäudes auf dem Grundstück der Kläger davon ab, ob das Grundstück nach der Verwaltungsübung der Jahre bis 1985 als Zweifamilienhaus bewertet worden wäre. Zur Ermittlung dieser Verwaltungsübung sind die damaligen Bewertungsrichtlinien, FinMin-Erlasse und OFD-Verfügung heranzuziehen. Die Regelung des § 20 Satz 2 2. Halbsatz BewG führt dazu, dass die in Verwaltungsanweisungen festgehaltene Auslegung des Wohnungsbegriffs bei der Prüfung, ob ein Gebäude als Zweifamilienhaus im Wege einer Billigkeitsmaßnahme zu bewerten ist, von den Finanzgerichten zugrundezulegen ist. Die gerichtliche Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme beschränkt sich nicht auf die Prüfung, ob nach der früheren Rechtsprechung zum Wohnungsbegriff ein Zweifamilienhaus anzunehmen war (vgl. auch: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. Juli 1998 3 K 2651/95, EFG 1999, 1006; a. A.: FG Köln, Urteil vom 3. Juni 1993 4 K 1315/89, EFG 1994, 185). Entgegen der Ansicht des FG des Saarlandes, Urteil vom 11. Mai 1995 2 K 179/93, EFG 1996, 49, ist die bewertungsrechtliche Billigkeitsregelung unabhängig von der Ausstattung des Hauses, den Baukosten und dem Kostenaufwand für die Schaffung getrennter Wohnungen anzuwenden. Für die eingeschränkte Anwendung der landeseinheitlichen Billigkeitsregelung bei aufwändigen Bauten gibt es keine Rechtsgrundlage.

    Wenn man die ursprüngliche Entscheidung des Beklagten, das Gebäude als Zweifamilienhaus zu bewerten, an dem Erlass des FinMin NW vom 5. Oktober 1979 - S 3198-8-V A 4 Bew-Kartei NW § 75 BewG 1965 (S 3198) Nr. 7, DB 1979, 2110 misst, ist sie nicht zu beanstanden. Die Merkmale des FinMin-Erlasses vom 5. Oktober 1979 Nr. 1, 2 und 4 liegen im Streitfall eindeutig vor. Auch das Merkmal Nr. 3, „räumliche Abgrenzung bei nicht abgeschlossenen Wohnungen” ist im Streitfall erfüllt. Die für Wohnzwecke bestimmten Räume der Einliegerwohnung liegen alle auf einer Geschossebene; damit ist eine wahrnehmbare Abgrenzung von der anderen Wohnung gegeben. Dass der Zugang zur Hauptwohnung durch den Flur der Einliegerwohnung führt, ist unschädlich, da die Räume der Einliegerwohnung durch Türen gegenüber dem Flur abgeschlossen sind. Wenn nach der Rundverfügung der OFD-Düsseldorf vom 25. Mai 1981 - S 3198-3-St 21, Bew-Kartei NW 75 BewG 1965 (53198) Nr. 11 bei einer wahrnehmbaren Abgrenzung der Einliegerwohnung ein Zugang zu dieser Einliegerwohnung durch Diele und Treppenbereich der Hauptwohnung unschädlich ist, wenn die Räume der Hauptwohnung durch Türen gegenüber Diele, Flur und Treppenbereich abgeschlossen sind, muss dies auch für den umgekehrten Fall gelten, dass der Zugang zur Hauptwohnung durch die so genannte Einliegerwohnung führt. Denn es ist nicht einzusehen, dass es für die Abgrenzung der Hauptwohnung ohne Bedeutung ist, ob der Zugang zur Einliegerwohnung durch Diele und Treppenbereich der Hauptwohnung führt, dies aber - wie der Beklagte jetzt annimmt - für die Einliegerwohnung anders sei. Dem Senat ist auch nicht bekannt und es wird vom Beklagten auch nicht substantiiert dargelegt, dass es eine der jetzigen Ansicht des Beklagten entsprechende Verwaltungsübung gab.

    Ohne Bedeutung ist, dass für die Einliegerwohnung zum Stichtag 01.01.1995 kein eigener Zähler und keine eigene Klingelanlage vorhanden war. Zwar ist eine eigene Klingelanlage und ein eigener Zähler für Strom oder Gas gemäß dem Erlass des FinMin vom 5. Oktober 1979, DB 1979, 2110 ein Merkmal für eine Wohnung. Diesem Merkmal kam - wie auch der Streitfall zeigt - in der Verwaltungspraxis jedoch nicht die Bedeutung zu, wie den anderen Merkmalen.

    Im Übrigen hätte der Beklagte bei seiner Entscheidung auch berücksichtigen müssen, dass die so genannte Einliegerwohnung seit 1986 unter anderem auch an fremde Dritte zur Führung eines selbstständigen Haushaltes vermietet war. Die Vermietbarkeit einer Mehrheit von Räumen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt war gemäß Verwaltungsauffassung in Zweifelsfällen für die Anerkennung einer Wohnung erforderlich. Zwar liegt ein derartiger Zweifelsfall nicht vor, wenn sich - wie im Streitfall - alle Räume der Einliegerwohnung in einem eigenen Geschoss befinden, in dem keine Räume der Hauptwohnung vorhanden sind. Wenn die Finanzverwaltung aber in Zweifelsfällen die Vermietbarkeit der Einliegerwohnung für Wohnzwecke als Indiz zur Beurteilung der vom Steuerpflichtigen behaupteten Zweckbestimmung der Räume ansieht, musste sie dieses Indiz auf Grund ihrer Rechtsauffassung auch im Streitfall berücksichtigen (vgl. Erlass des FinMin NW vom 22. Mai 1980 S 3198-8-V A 4, Bew-Kartei NW § 75 BEwG 1965 (S 3198) Nr. 8). Da die Wohnung seit dem Erwerb des Grundstücks durch die Kläger vermietet war und auch eine Vermietung für längere Zeit an fremde Dritte erfolgt ist, ist die Vermietbarkeit der so genannten Einliegerwohnung unzweifelhaft gegeben.

    Ferner durfte der Beklagte im Rahmen des Billigkeitsverfahrens gemäß 20 Satz 2 2. Halbsatz BewG nicht unberücksichtigt lassen, dass die Umgestaltung des Hauses zum Zweifamilienhaus durch die Voreigentümer der Kläger in Absprache mit entscheidungsbefugten Vertretern des Beklagten erfolgte und dass eine Mitarbeiterin des Beklagten den Klägern im Jahre 1986 vor Kauf des Hauses nach Prüfung der Rechtslage mündlich versichert hatte, dass keine Zweifel an der Richtigkeit der Artfeststellung Zweifamilienhaus bestehe. Durch dieses Verhalten hat die Finanzverwaltung einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der allenfalls dann keine Bindungswirkung hätte, wenn die Bewertung des Hauses als Zweifamilienhaus offensichtlich fehlerhaft gewesen wäre.

    Im Übrigen ist der streitige Artfortschreibungsbescheid und die Einspruchsentscheidung bereits wegen Ermessensnichtgebrauch aufzuheben, weil nicht erkennbar ist, dass den Vertretern des Beklagten bewusst war, dass sie eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 20 Satz 2 2. Halbsatz BewG und somit gemäß § 163 Abs. 1 AO eine Ermessensentscheidung getroffen haben (vgl.: FG Rheinland-Pfalz, EFG 1999, 1006; Tipke/Kruse, AO, § 5 Tz. 40).

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenBewG § 20 Satz 2 2. Halbsatz, BewG § 75, BewG § 75 Abs. 6, AO § 163 Abs. 1