08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 21.06.2006 – 4 K 3051/04
Hinterziehungszinsen wegen Steuerhinterziehung des Erblassers können bei der Erbschaftsteuer (ErbSt) als Nachlassverbindlichkeiten nur abgezogen werden, soweit sie auf die Zeit bis zum Todestag entfallen.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Gretzschel, des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2006
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob festgesetzte Zinsen für von der Erblasserin hinterzogene Steuern nicht nur für die Zeit bis zu ihrem Tode, sondern darüber hinaus bis zur Zahlung der hinterzogenen Steuer in vollem Umfang als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden können.
I.
Die am 12.2.1993 in Pöcking verstorbene Erblasserin, Frau F., wurde gemäß dem vom Amtsgericht … am 4.6.1993 ausgestellten Erbschein von Herrn Dr. … L. und seiner Ehefrau, der Klägerin, zu gleichen Teilen beerbt.
Entsprechend den Angaben in der am 8.6.1994 eingereichten Erbschaftsteuererklärung, den Einheitswerten der vererbten Grundstücke, den Meldungen der Banken und unter Berücksichtigung der von der Erblasserin angeordneten Vermächtnisse setzte das Finanzamt, der Beklagte, die Steuer mit Erbschaftsteuerbescheid vom 27.6.1994 auf 220.120 DM fest.
Mit geändertem Erbschaftsteuerbescheid vom 22.9.1994 erklärte der Beklagte antragsgemäß die Steuerfestsetzung für vorläufig hinsichtlich eventueller Steuerschulden bzw. Steuererstattungsansprüche.
Nachdem im Jahr 2000 die Einkommensteuerbescheide 1984–1992 und die entsprechenden Vermögenssteuerbescheide des Finanzamtes S. vorlagen, setzte das Finanzamt mit Erbschaftsteuerbescheid vom 2.3.2000 nach § 165 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) endgültig wegen Steuerschulden der Erbin die Erbschaftsteuer auf 180.424 DM herab (Bl. 82 Finanzamts-Akte).
Mit Schriftsatz vom 12.10.2000 bat die Klägerin um eine nochmalige Änderung des Erbschaftsteuerbescheides vom 2.3.2000, weil noch weitere Steuerschulden (Hinterziehungszinsen in Höhe von insgesamt 73.507 DM gemäß Bescheid des Finanzamtes S. vom 21.7.2000) der am 12.2.1993 verstorbenen Erblasserin zu berücksichtigen seien.
Den Erbschaftsteuerbescheid vom 2.3.2000 änderte das Finanzamt unter Berücksichtigung der Hinterziehungszinsen nur bis zum Todestag (26.075 DM) am 22.2.2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wobei es die Hälfte beim Erwerb der Klägerin berücksichtigte und die Erbschaftsteuer auf 175.484 DM (= 89.723,54 EUR) herabsetzte.
Im Einspruchsverfahren brachte die Klägerin vor, dass die gesamten Hinterziehungszinsen in Höhe von 73.507 DM zu berücksichtigen seien und nicht nur die anteiligen Hinterziehungszinsen bis zum Todestag der Erblasserin.
Der Einspruch blieb erfolglos (s. Einspruchsentscheidung vom 8.6.2004).
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass die Hinterziehungszinsen in der Person der Erblasserin entstanden seien. Der Zeitpunkt der Festsetzung könne deshalb keine Rolle spielen, zumal die Einkommensteuer- und Vermögensteuer-Bescheide erst im Januar 2000 geändert worden seien. Es sei sachgerecht, die Hinterziehungszinsen bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Hinterziehungszinsbescheids vom 21.7.2000 als Erblasserinschulden anzuerkennen. Die Zinsen seien wie latente Steuerschulden vom Erwerb abzuziehen, zumal die Klägerin nichts dafür könne, dass der Erbschaftsteuerbescheid erst so spät geändert worden sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 27.6.1994 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 22.9.1994, vom 2.3.2000 und vom 22.2.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 8.6.2004 die Hinterziehungszinsen in voller Höhe als erwerbsmindernd abzuziehen.
Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.
Am 21.6.2006 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Vom Erblasser herrührende Schulden (Erblasserschulden) können nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) abgezogen werden.
Zu den vom Erblasser herrührenden Schulden zählen alle zu seinen Lebzeiten entstandenen und auf den Erben übergehenden Verbindlichkeiten.
Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) können Nachlassverbindlichkeiten sein, zumal sie noch nach dem Tod des Steuerpflichtigen, der den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht hat, festgesetzt werden können (Bundesfinanzhof – BFH – vom 27.8.1991 VIII R 84/89, BStBl II 1992, 9; vom 1.8.2001 II R 48/00, BFH/NV 2002, 155).
Die Hinterziehungszinsen sind als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig, soweit sie auf den Zeitraum vom Beginn des Zinslaufs bis zum Todestag des Erblassers entfallen.
Bei dem Teil der Zinsschuld, der auf die Folgezeit (nach dem Todestag) bis zur Zahlung der hinterzogenen Steuer gemäß § 235 Abs. 3 Satz 1 AO entfällt, handelt es sich um eine Eigenschuld des Erben, die nicht berücksichtigt werden kann (Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz. 152).
Der Umstand, dass die Hinterziehung, also der Grund für die Zinsen, bereits zu Lebzeiten der Erblasserin von ihr begangen wurde, rechtfertigt keinen Abzug der nach dem Todestag der Erblasserin (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Erbschaftsteuer) durch Nichtzahlung entstandenen Zinsen als Nachlassverbindlichkeiten.
Diese Zinsansprüche resultieren allein aus der Nichtzahlung durch die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin. Das Problem latenter Belastung (s. dazu Troll/Gebel/Jülicher a.a.O., § 10 Tz. 139) liegt hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.