26.07.2011
Finanzgericht Münster: Urteil vom 26.05.2011 – 5 K 1388/09 U
Die Umsatzsteuer aus Rechnungen im Zusammenhang mit Beratungsleistungen nach dem StraBEG steht auch dann nicht in direktem und unmittelbaren Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen und kann folglich nicht als Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abgezogen werden, wenn die nacherklärten Einnahmen ausschließlich Einnahmen aus einem Handelsunternehmen sind.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 26.05.2011 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Vorsteuerabzug aus Beratungsleistungen im Zusammenhang mit strafbefreienden Erklärungen nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StraBEG).
Der Kläger (Kl.) betreibt einen Einzelhandel mit Schmuck und Edelmetallen. Am 31.3.2004 und am 23.12.2004 reichte er beim Finanzamt E strafbefreiende Erklärungen für in den Jahren 1993 bis 2002 im Rahmen seines Handelsunternehmens nicht erklärte Einnahmen ein. Diesbezüglich hatte er sich von seinem Prozessvertreter sowie von Rechtsanwalt W beraten lassen. Seine Berater stellten ihm ihre Beratungsleistungen in den beiden Streitjahren 2004 und 2005 mit gesondertem Umsatzsteuerausweis in Rechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnungen (Bl. 58 bis 66 GA) Bezug genommen.
In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kl. aus diesen Rechnungen Vorsteuerabzüge in Höhe von 2.330,38 EUR (2004) und 174,40 EUR (2005) geltend. Die Erklärungen führten zu unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen.
Der Beklagte (Bekl.) änderte aufgrund einer Betriebsprüfung die Umsatzsteuerfestsetzungen mit Bescheiden vom 14.7.2008 dahingehend, dass die Vorsteuerbeträge aus den o.g. Beratungsleistungen nicht anerkannt wurden, da die Aufwendungen für die Beratungsleistungen mit dem pauschalen Abschlag abgegolten seien.
Gegen die Änderungsbescheide legte der Kl. am 23.7.2008 Einsprüche ein, die er damit begründete, dass sich das StraBEG und damit auch die Abgeltungswirkung nur auf die Jahre 1993 bis 2002 bezögen. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug seien aber erst in den Streitjahren 2004 und 2005 eingetreten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14.4.2009 wies der Bekl. die Einsprüche als unbegründet zurück. Durch den pauschalen Ansatz der Umsatzsteuer in Höhe von 30% der Einnahmen (§ 1 Abs. 4 StraBEG) seien sämtliche Kosten und damit auch die Vorsteuern aus den Beratungsrechnungen abgegolten. Dieser großzügig bemessene Abschlag solle nach der Intention des StraBEG eine Vereinfachung schaffen und aufwendige Ermittlungen und Berechnungen ersparen. Maßgeblich für die Reichweite der Abgeltungswirkung sei der Kausalzusammenhang mit der strafbefreienden Erklärung und der Ermittlung der nacherklärten Einnahmen.
Der Kl. hat am 28.4.2009 Klage erhoben. Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs seien gegeben, da die streitigen Steuerberatungsleistungen ausschließlich dem betrieblichen Bereich zuzuordnen seien. Die Abgeltungswirkung des § 1 Abs. 4 StraBEG erfasse nach dem Gesetzeswortlaut und dem Sinn und Zweck nur im Amnestiezeitraum verwirklichte Sachverhalte. Eine Wirkung für spätere Zeiträume entfalte das StraBEG nicht.
Der Kl. beantragt (Bl. 1f. GA),
die Umsatzsteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 14.7.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.4.2009 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2004 auf 15.251,76 EUR und die Umsatzsteuer 2005 auf 22.953,37 EUR festzusetzen,
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt (Bl. 44 GA),
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung.
In der Sache hat am 14.4.2011 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, FGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Umsatzsteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 14.7.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.4.2009 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Bekl. hat den vom Kl. begehrten Vorsteuerabzug für die Beratungsleistungen zu Recht versagt. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen, wenn er im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung im Sinne von § 14 UStG ist.
§ 15 UStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung beruht auf Art. 17 der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und ist nach den gleichen Grundsätzen auszulegen (BFH-Urteil vom 3.7.2008 V R 51/06, BStBl II 2009, 213, m.w.N.). Der Steuerpflichtige ist nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zum Vorsteuerabzug befugt, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht nach der Rechtsprechung des EuGH nur, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, besteht (vgl. EuGH-Urteile vom 8.6.2000 C-98/98, Midland Bank plc, Slg. 2000, I-4177, Rz 24; vom 22.2.2001 C-408/98, Abbey National, Slg. 2001, I-1361, Rz 26 und vom 3.3.2005 C-32/03, Fini H, Slg. 2005, I-1599, Rz 26). Das setzt voraus, dass die für den Bezug der Eingangsleistungen getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der besteuerten Umsätze gehören, die Aufwendungen also Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sind, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden (EuGH-Urteil vom 8.6.2000 C-98/98, Midland Bank plc, Slg. 2000, I-4177, Rz. 30).
Die Inanspruchnahme von Beratungsdiensten steht nur dann in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen, wenn sie ihren ausschließlichen Grund in der von dem Steuerpflichtigen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG hat (EuGH-Urteil vom 8.2.2007 C-435/05, Investrand BV, Slg. 2007 I-01315, Rz. 33). Danach ist der Vorsteuerabzug für Leistungen, die die privaten einkommensteuerlichen Belange des Unternehmers betreffen, nicht zulässig (BFH-Urteil vom 8.9.2010 XI R 31/08, BStBl II 2011, 197).
Nach diesen Grundsätzen hat der Kl. im Streitfall die Beratungsleistungen nicht „für sein Unternehmen” bezogen, da sie nicht ihren ausschließlichen Grund in der von ihm ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit als Einzelhändler haben. Die bezogenen Leistungen betreffen die Erstellung der im Streitjahr 2004 eingereichten strafbefreienden Erklärungen. Hierbei handelt es sich um eine Erklärung, die gemäß § 10 Abs. 2 StraBEG einer Steuererklärung gleichsteht und der Erlangung der Strafbefreiung (§ 1 Abs. 1 Stra-BEG) sowie der Abgeltungswirkung (§ 8 StraBEG) dient. Der dafür zu entrichtende Betrag stellt eine Abgabe eigener Art dar, die nach § 10 Abs. 1 StraBEG lediglich als Einkommensteuer gilt (Hessisches FG, Urteil vom 10.12.2009 11 K 1096/08, abrufbar über Juris). In der strafbefreienden Erklärung werden jedoch – im Gegensatz zu anderen Steuererklärungen – keine Besteuerungsgrundlagen im Sinne der materiellen Steuergesetze angegeben, sondern lediglich Einnahmen.
Allein der Umstand, dass es sich bei den in der strafbefreienden Erklärung angegebenen Einnahmen ausschließlich um Einnahmen des Handelsunternehmens des Kl. handelt, führt nicht dazu, dass die Leistungen ihren ausschließlichen Grund in der wirtschaftlichen Tätigkeit des Kl. haben. Da der Kl. seiner Pflicht zur Abgabe berichtigter Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1993 bis 2002 nach § 153 der Abgabenordnung gerade nicht nachgekommen ist, kann die Abgabe der strafbefreienden Erklärung mit der Erstattung einer strafbefreienden Selbstanzeige, für die – für Zwecke der Einkommensteuer – ein betrieblicher Zusammenhang anerkannt wird (vgl. OFD Frankfurt vom 3.3.2010, unter II., abrufbar unter Juris), nicht gleichgesetzt werden.
Da bereits die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nicht vorliegen, braucht die umstrittene Frage der Reichweite der Abgeltungswirkung des StraBEG auf Zeiträume nach 2002 (für eine Abgeltungswirkung FG Köln, Urteil vom 22.12.2009 1 K 3559/06, EFG 2010, 892 und FG Münster, Urteil vom 20.7.2010 11 K 852/07 E, EFG 2011, 66 a.A. FG Düsseldorf, Urteil vom 10.9.2007 12 K 5016/06 E und Hessisches FG, Urteil vom 10.12.2009 11 K 1096/08, jeweils abrufbar über Juris), im Streitfall nicht entschieden zu werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund i.S.v. § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die Regelungen des StraBEG ausgelaufenes Recht darstellen (vgl. BFH-Beschluss vom 26.6.2008 X B 266/07, abrufbar über Juris).