15.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120420
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.12.2011 – 2 K 1427/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 14.12.2011
2 K 1427/11
Tatbestand
Streitig ist die Geschäftsverbindung der Klägerin mit einer liechtensteinischen Bank.
Die am 13. Oktober 1923 geborene, seit dem 21. November 1988 verwitwete Klägerin betrieb als Kauffrau bis zum Jahre 2006 einen Gewerbebetrieb, einen Einzelhandel für Bekleidung in H. Seit 2007 bezieht sie als Rentnerin neben solchen aufgrund ihrer Rente Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen. Am 24. September 2008 hat die Klägerin ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt. Bis dahin war sie mit Hauptwohnung in PLZ H, U-Straße Hausnummer gemeldet. Die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre 1997 - 2006 ergingen im Wesentlichen erklärungsgemäß.
Mit Schreiben vom 20. August 2008 überließ das Finanzamt R dem Finanzamt G mehrere Datensätze, wonach eine Frau E. D. - die Klägerin, Anm. d. Neutralisierenden -, ohne Geburtsdatum, wohnhaft in der K-Straße Hausnummer, PLZ K ein Depot mit der Nummer 3... und einer ZR-Nummer xxx.xxx.xx sowie ein Depot mit der Nummer 8... und der ZR-Nummer xxx.xxx.xx bei der Liechtensteinischen Landesbank AG, Vaduz (kurz: LLB) unterhalten haben soll. Insgesamt übersandte das Finanzamt vier Datensätze, wonach Kurse und Kontenstände (drei ohne Währungsangabe) zu bestimmten Zeitpunkten vorhanden gewesen sein sollen. Des weiteren wurde der Entwurf eines Schreibens der LLB vom 4. August 2008 beigelegt. Dieses war nicht an eine bestimmte Person gerichtet, sondern trug die Einleitung „Sehr geehrte(r) Herr oder Frau”. Auf die Unterlagen wird verwiesen (Blatt 3 - 7 der Fahndungs-Berichtsakten).
Am 17. September 2008 wurde das Strafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet und dieser am 5. November 2008 mündlich bekannt gegeben. Aus einem Fahndungsbericht vom 31. März 2010 ergibt sich, dass die mittlerweile in CH-PLZ W, R-Straße Hausnummer lebende Klägerin nach Auffassung des Beklagten wie eine Vielzahl weiterer Personen im Inland Kapitalanlagen bei der LLB getätigt haben soll. Die bereits genannten Unterlagen stammten aus einem beim Landgericht Rostock geführten strafrechtlichem Hauptverfahren gegen insgesamt drei Angeklagte. Der Hauptangeklagte wurde wegen versuchter Erpressung in zwei Fällen und Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegenstand der Verurteilung war die versuchte Erpressung von mutmaßlichen Kapitalanlegern bei der LLB mit dem Hintergedanken, dass diese ihre dortigen Kapitalanlagen den deutschen Finanzbehörden verschwiegen haben. Des weiteren wurde er wegen erfolgreicher Erpressung der Bank verurteilt. Der diese Taten unmittelbar nach Beendigung einer 11-jährigen Haftstrafe begehende Haupttäter hatte insgesamt für ca. 2300 Personen die bei der Bank geführten Datensätze in Papierform den Finanzbehörden übergeben. In Erwartung einer denkbaren Sicherungsverwahrung im Anschluss an die Verbüßung der erneuten Gefängnisstrafe hatte der Angeklagte die Unterlagen während der Hauptverhandlung der Staatsanwaltschaft zur Erzielung einer Strafmilderung überlassen. Er hatte die Datensätze von einem Mitarbeiter der LLB erhalten. Das gegen diesen Mitarbeiter geführte Strafverfahren in Liechtenstein endete mit einer Verurteilung, da der Mitarbeiter versucht hatte, die Bank mit den Erkenntnissen über mutmaßliche Anleger von Schwarzgeldern in Liechtenstein zu erpressen. Der Verurteilung lag auch zu Grunde, dass er zuvor bereits Provisionszahlungen von Kunden der Bank an diese unterschlagen hatte. Auf das Urteil des Landgerichts Rostock vom 23. Januar 2009 wird verwiesen (Aktenzeichen 19 KLs 5/08, juris Dokument).
Aus dem Fahndungsbericht ergibt sich, dass der Beklagte von einem Gesamtwert von insgesamt 4 Millionen Schweizer Franken ausging, welche die Klägerin bei der Bank angelegt haben soll. Er bezog sich dabei auf die Kontenstände zum 28. August 2000 und 13. September 2000, welche sich aus den Wertpapierdepots mit den Nummern 3... und 8... ergeben sollen. Die Geschäftsverbindung soll seit dem 8. Mai 1989 bestanden haben. Entsprechende Erträge aus Anlagen bei ausländischen Geldinstituten hatte die Klägerin nicht erklärt. Weiterhin führte der Bericht aus, dass die LLB ihren Kunden auf Anforderung alle notwendigen Unterlagen, wie zum Beispiel Kontenauflistungen, Depot- und Kontoauszüge, Aufstellungen, Erträgnisaufstellungen und Bescheinigungen zur Verfügung stelle.
Eine von einer Rechtsanwältin der Klägerin über ein Gespräch mit zwei Bankmitarbeitern der LLB vorgelegte Eidesstattliche Versicherung sei nicht geeignet, die Existenz von Kapitalanlagen bei der LLB zu widerlegen. Es handele sich entgegen dem Vortrag der Klägerin dabei nicht um eine Bestätigung der Bank, dass ein Konto beginnend mit der Nummer 3... nicht existiert habe. Hierzu legte die Klägerin die eidesstattliche Versicherung zu einem Gespräch ihres Sohnes C. D. in Begleitung der Rechtsanwältin D am 4. März 2009 in den Geschäftsräumen der LLB in Vaduz vor. Wegen des Inhalts der Eidesstattlichen Versicherung wird auf diese verwiesen (Blatt 29 der Prozessakten). Der Steuerfahndungsbericht führt weiter aus, Ermittlungen hätten ergeben, dass die Steuerpflichtige ab August 2008 mit dem Verkauf von Grundstücken begonnen habe. Vor den Veräußerungen habe sie bei der Raiffeisenbank in H Darlehen aufgenommen und diese mit Grundschulden an den zu veräußernden Grundstücken abgesichert. Darüber hinaus habe sie den gesamten Wertpapierbestand aus einem Depot bei der Raiffeisenbank verkauft. Insgesamt seien aus Darlehensaufnahmen und Wertpapierverkäufen im Zeitraum August bis Dezember 2008 1.035.555 € an die Schweizer Bank ... überwiesen worden. Es sei nicht, wie erklärt, glaubhaft, dass das gesamte Vermögen zur Bezahlung von Krankheitskosten der Klägerin in der Schweiz benötigt worden sei.
Bereits während der Prüfung hatte das Finanzamt S aufgrund von Schätzungen zu Kapitaleinnahmen geänderte Einkommensteuerbescheide der Jahre 1997 bis 2006 gemäß § 173 Abs. 1 Nummer 1 AO und einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid 2007 erlassen. Die geänderten Bescheide für die Jahre 1997 - 2001 ergingen am 24. Februar 2009, die geänderten Bescheide 2002 - 2006 am 19. Februar 2009 und der erstmalige Einkommensteuerbescheid 2007 am 20. Februar 2009. Die Bescheide 1997 bis 2006 ergingen vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 und 2 AO, da die Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen vorläufig sei, weil deren Höhe derzeit unklar sei. Der Einkommensteuerbescheid 2007 erging nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 4. September 2009 beantragte die Klägerin beim Finanzamt S die Änderung der vorläufigen Bescheide 1997 - 2006 sowie des Bescheides 2007 dahin, dass der Ansatz der Einkünfte aus Kapitalvermögen aus Anlagen bei der LLB unterbleibt. Zur Begründung trug sie vor, mittlerweile habe die Finanzverwaltung genug Gelegenheit gehabt, den Sachverhalt zu ermitteln.
Nach Einlegung eines Untätigkeitseinspruches am 1. März 2010, wegen dessen Begründung auf einen Schriftsatz vom 15. Mai 2010 verwiesen wird (Blatt 30 - 34 der Prozessakten) und Erhebung einer Untätigkeitsklage am 13. September 2010 (6 K 2205/10) lehnte nach einem Zuständigkeitswechsel vom Finanzamt S zu dem Beklagten dieser mit Entscheidung vom 9. Dezember 2010 die beantragten Änderungen ab. Daraufhin wurde von beiden Seiten die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 gegen die Entscheidung vom 9. Dezember 2010 Einspruch eingelegt.
Nach Schilderung der von dem Beklagten aufgrund des im Verfahren vor dem Landgericht Rostock gezogenen Schlussfolgerungen aus Sicht der Klägerin führte diese als Einspruchsbegründung weiter aus, ein entsprechendes, an sie adressiertes Schreiben der LLB vom 4. August 2008 sei bisher nicht bekannt geworden. Der Beklagte sei zur Schätzung von Kapitaleinkünften nicht berechtigt, da bereits kein tatsächlicher Anknüpfungspunkt für eine von der Klägerin in Liechtenstein unterhaltene Bankverbindung vorliege. Diese habe alle in ihrer Macht stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, den Sachverhalt aufzuklären und sie sei der in § 90 Abs. 2 AO lozierten Mitwirkungspflicht gerecht geworden. Die Einschätzung des Beklagten, in anderen Prüfungsfällen seien alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt worden und deshalb habe die Klägerin gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen, gehe fehl. In Fällen einer bestehenden Geschäftsbeziehung sei der aus der Nichtvorlage von Unterlagen gezogene Schluss, ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten liege vor sicher zutreffend. Bestehe keine Geschäftsbeziehung, so könnten auch keine Unterlagen vorgelegt werden und die faktische Unmöglichkeit der Informationsbeschaffung führe nicht zur Rechtsfolge des § 90 Abs. 2 AO. Der Justiziar der LLB habe am 4. März 2009 erklärt, dass zumindest eine der genannten Depotnummern zu keinem Zeitpunkt eine interne Verwendung gefunden habe. Dieser Erklärungsinhalt sei von der Rechtsanwältin D in einer eidesstattlichen Versicherung festgehalten worden. Damit sei nachgewiesen, dass das vorliegende” Kontrollmaterial” auch unzutreffende Angaben enthalte. Die Eidesstattliche Versicherung sei nicht als bloße ungeeignete privatrechtliche Erklärung für das Nichtvorhandensein einer Kapitalanlage zu werten. Die Abgabe einer falschen Eidesstattlichen Versicherung sei strafbar und der Frau D sei es als Rechtsanwältin untersagt, bewusst die Unwahrheit zu verbreiten. Soweit diese Eidesstattlichen Versicherung lediglich Angaben zu der Depotnummer 3... und nicht zu der ebenfalls zur Diskussion stehenden Depotnummer 8... machen würde, dürfe aus der Erwähnung der Depotnummer 8... nicht der Rückschluss gezogen werden, für diese Depotnummer sei die Steuerpflichtige bei der Bank als Inhaberin vermerkt. Aus deren Sicht sei es wünschenswert gewesen, dass die Bank eine schriftliche Negativbestätigung gefertigt hätte, aus der hervorginge, dass zu keinem Zeitpunkt eine Geschäftsbeziehung unterhalten worden sei. Solch Bestätigungen würden aber von der LLB und anderen Banken generell nicht gefertigt, selbst wenn de keine Veranlassung eine Tätigkeit zu entfalten. Im Übrigen könne aus einer Erteilung im Regelfall aus einer Nichterteilung einer Bestätigung der Rückschluss auf eine bestehende Geschäftsbeziehung gezogen werden. Allein aufgrund der hier vorliegenden Kuriosität, dass das „Kontrollmaterial” eine Depotnummer ausweise, die niemals existiert habe, habe die Bank zumindest eine mündliche Stellungnahme abgegeben. Das Finanzamt G habe die Anregung zur Erteilung einer Vollmacht für die deutschen Finanzbehörden für die Ermittlungen im Ausland gegeben, der Beklagte mache hiervon keinen Gebrauch.
Für die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes sei auch auf den Hauptangeklagten im Verfahren vor dem Landgericht Rostock zu verweisen.
Eine Auskunft des ehemaligen Rechtsanwaltes der Klägerin gegenüber dem Beklagten zum Bestehen eines Erträgniskontos sei nicht geeignet, die Existenz der Geschäftsbeziehung zu belegen. Unmittelbar nach dieser Aussage sei das Mandatsverhältnis beendet worden. Es sei sich auf die Feststellung zu beschränken, dass es bei den im Rahmen eines Telefonats geäußerten Worten „ein” und „kein” durchaus zu Verwechslungen bzw. beim Empfänger zu einem Hörfehler gekommen sein könne. Entsprechendes gelte für die Formulierung „eine Bankverbindung” und „keine Bankverbindung”. Die Klägerin habe keinesfalls die Beitreibung von Steuerforderungen vereiteln wollen, wie dies im Ablehnungsbescheid vom 9. Dezember 2010 vermerkt sei. Wäre es ihr darum gegangen, hätte sie im November 2008 wohl kaum noch den Betrag in Höhe von ca. 95.000 € im Zusammenhang mit ihrer Geschäftsaufgabe überwiesen. Wegen der weiteren Begründung wird auf das Schreiben verwiesen (Blatt 95 - 102 der Rechtsbehelfsakten Einkommensteuer 1997 - 2007).
Mit Einspruchsentscheidung vom 31. März 2011 wurde der Einspruch gegen die Ablehnung des Änderungsantrages als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, aus den im Verfahren beim Landgericht Rostock vorgelegten Kontounterlagen ergebe sich, dass die Klägerin gemäß den Bewertungen in den Datensätzen vom 28. August 2000 und 13. September 2000 Gelder bei der LLB angelegt habe. Die Geschäftsbeziehung bestehe mindestens seit dem 8. Mai 1989. Nach Darlehensaufnahmen und Wertpapierverkäufen habe sie ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt. Die geschätzten Einkünfte in den angefochtenen Bescheiden seien durch den Steuerfahndungsbericht bestätigt worden. Die Klägerin sei zur erhöhten Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verpflichtet, da sie Auslandsbeziehungen unterhalte, bei denen Sachverhalte zu ermitteln und zu beurteilen seien, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereiches der Abgabenordnung bezögen. Sie habe den Sachverhalt darzulegen und nachzuweisen. Dieser Pflicht sei sie erst nachgekommen, wenn sie alle Tatsachen, die für die steuerliche Beurteilung von Bedeutung sein könnten, offen gelegt habe. Komme der Steuerpflichtige dieser Pflicht nicht nach, könne das Finanzamt im Rahmen der freien Beweiswürdigung Schlüsse zu seinen Ungunsten ziehen. Trotz Aufforderung habe die Klägerin keine ausländischen Zinserträge ermittelt und mitgeteilt. Der zuerst beauftragte Rechtsbeistand der Klägerin habe in einer E-Mail vom 2. Februar 2009, auf welche verwiesen werde (Blatt 1 der Rechtsbehelfsakten Einkommensteuer 1997 bis 2007) die Existenz eines Erträgniskontos bestätigt, eine schriftliche Antwort innerhalb der nächsten 6 - 8 Wochen zur Höhe der Erträgnisse sei angekündigt worden. Am 10. Februar 2009 habe der Sohn der Klägerin mitgeteilt, dass diese sich von diesem Rechtsanwalt getrennt und einen anderen beauftragt habe. Nunmehr werde bestritten, dass ein Konto bei der LLB auf den Namen der Klägerin existiert habe. Die hierzu vorgelegte Eidesstattliche Versicherung einer Rechtsanwältin sei im Rahmen des § 90 Abs. 2 AO lediglich als privatrechtliche Erklärung Dritter zu werten. Sie sei nicht geeignet, die Existenz von Kapitalanlagen in Liechtenstein zu widerlegen. Das weiterhin im Raum stehende Depot mit der Nummer 8...werde nicht erwähnt. Auch die Vollmacht für die Finanzverwaltung zu Ermittlungen bei Banken in Liechtenstein und der Schweiz diene nicht der Aufklärung des Sachverhaltes, da Ermittlungen der Finanzbehörden im Ausland nicht zulässig seien. Die Beschaffung von Steuerbescheinigungen falle in die erhöhte Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht der Klägerin. In anderen Prüfungsfällen habe sich ergeben, dass die betroffene Bank ihren Kunden auf Anforderung alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt habe. Dies ergebe sich aus dem Schreiben vom 4. August 2008 der LLB an ihre Kunden. Zeitnah habe die Klägerin im August 2008 Investmentfonds bei der Raiffeisenbank H veräußert, ihr Konto dort aufgelöst, Darlehen aufgenommen, mit Grundschulden auf dem Grundbesitz abgesichert und die Gelder in die Schweiz überwiesen. Als Nachweis für den Grund der Verschiebung des Vermögens, die Bezahlung von Krankheitskosten habe die Klägerin nur eine Aufenthaltsbestätigung über stationäre Krankenhausaufenthalte sowie einen Operationsbericht vorgelegt (Blatt 103 bis 104 der Rechtsbehelfsakten Einkommensteuer zu 1997 bis 2007).
Mit ihrer Klage hiergegen trägt die Klägerin vor, ein von dem Hauptangeklagten im Verfahren vor dem Rostocker Landgericht mit dem „Kontrollmaterial” erpresster Zeuge K habe den Hauptangeklagten wissen lassen, dass er kein Konto bei einer liechtensteinischen Bank unterhalte. Bei nachfolgenden Kontaktaufnahmen habe K dasselbe geäußert. Dass K eine Geschäftsbeziehung zur LLB gemäß den vermeintlichen Unterlagen gehabt habe, sei ausweislich der Urteilsgründe unzutreffend.
Zu Gunsten des Hauptangeklagten sei bei der Strafzumessung ganz erheblich berücksichtigt worden, dass mit der Übergabe der Belege eine Vielzahl von Fällen der Steuerhinterziehung aufzuklären und mit Steuernachzahlungen sowie Geldstrafen hohe staatliche Einnahmen zu erzielen gewesen seien. Aus dem Depotwert 2.027.398 zur Depotnummer 3... vom 28. August 2000 und 2.024.432 zur Depotnummer 8... vom 13. September 2000 schließe der Beklagte, dass in diesem Jahr zwei unterschiedliche Depots mit einem angelegten Volumen von jeweils mehr als 2 Millionen Schweizer Franken existiert hätten. Bei einem geschätzten Zinsertrag von 6 % ergäben sich jährliche Kapitalerträge von etwa 195.000 €. Zur Entkräftung dieser Vermutung habe die Klägerin Kontakt mit der LLB aufgenommen und Kopien des ihr von der Steuerfahndung übergebenen Kontrollmaterials übersandt. Die Bank habe kundgetan, dass grundsätzlich keine Bestätigungen über nicht existierende Geschäftsbeziehung gefertigt würden. Sie fertige auch dann keine Negativbestätigung, wenn dies den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche.
Die Klägerin wiederholt sodann die in der Eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwältin D geschilderten Vorgänge sowie den Vortrag zur Erteilung einer Ermittlungsvollmacht an das Finanzamt sowie ihrer Zahlung von Steuern im Rahmen der Geschäftsaufgabe.
Auch in anderen Fällen, wie bei den angekauften Daten des Bankhauses Julius Bär gebe es laut Pressemitteilungen Unstimmigkeiten. Danach habe die Steuerfahndung Münster angeblich bei mehreren Unschuldigen ermittelt. Aufgrund des vorliegenden Kontrollmaterials könne nicht von der Existenz einer Geschäftsbeziehung ausgegangen werden. Steuerpflichtige könnten Unterlagen zu nicht existierenden Geschäftsbeziehungen faktisch nicht vorlegen. Die Ermittlungen in den Fällen der LLB seien an die Finanzverwaltung des jeweiligen Bundeslandes übertragen worden, in dem der vermeintliche Steuerhinterzieher seinen Wohnsitz habe. Demgemäß könne die Steuerfahndung zur Stichhaltigkeit der Unterlagen nur hinsichtlich eines kleinen Teils der insgesamt angefallenen Fälle eine Aussage treffen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 9. Dezember 2010 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31. März 2011, die geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2001 vom 24. Februar 2009, die geänderten Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 19. Februar 2009 sowie den erstmaligen Einkommensteuerbescheid 2007 vom 20. Februar 2009 dahin zu ändern, dass die nach § 162 AO geschätzten Kapitalerträge „Liechtenstein” keine Berücksichtigung finden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und trägt vor, die mit der Klage vorgelegten Unterlagen bzw. Begründungen ließen nicht den Schluss zu, dass der Klägerin keine ausländischen Zinseinkünfte zuzurechnen seien. Es sei nicht nachgewiesen worden, dass die Depotnummer 8... bei der LLB nicht existiert bzw. nicht existiert hat. Die Eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwältin mache keinerlei Aussagen zu dieser Depotnummer. Eine Aussage des früheren Rechtsanwaltes der Klägerin in einer E-Mail vom 2. Februar 2009, dass eine Geschäftsbeziehung der Klägerin mit der Bank in Liechtenstein bestehe, sei nicht widerlegt worden.
Hierauf ließ die Klägerin eine so genannte „Schweigepflichtentbindung” für ihren ehemaligen Bevollmächtigten, den Rechtsanwalt N vom 30. Juli 2011 an das Gericht übermitteln (Blatt 46 der Prozessakten). Dem entsprechend erging in einer ersten mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2011 ein Beweisbeschluss, wegen dessen Inhalt auf das Protokoll dieser Verhandlung verwiesen wird.
Wegen des Inhalts der Vernehmung des Zeugen Stefan Neumann sowie des Zeugen C. D. in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2011 wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 14. Dezember 2011 verwiesen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte konnte nicht mit der für eine Überzeugungsbildung des Gerichts nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ausreichenden Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass die Klägerin persönlich tatsächlich Geschäftsbeziehungen zu einer in Liechtenstein agierenden Bank unterhalten hat oder unterhält. Die Klägerin trifft keine Verpflichtung an der Feststellung mitzuwirken, dass keine Geschäftsbeziehung besteht. Damit kann eine solche Geschäftsbeziehung nicht Anknüpfungspunkt einer Schätzung aufgrund fehlender Mitwirkung der Klägerin sein.
Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Maßgeblich ist die richterliche Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Tatsachen. Das ist weniger als (kaum erreichbare) Gewissheit, aber mehr als nur ein überwiegender Grad von Wahrscheinlichkeit, nämlich ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt. Als erwiesen ist ein Sachverhalt nach der Grundregel des § 96 Abs. 1 Satz 1 AO demzufolge anzusehen, wenn er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt.
Hierzu bedarf es besonders im Steuerrecht häufig einer Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Umstände. Besonderheiten ergeben sich bei der Beurteilung von Straftatbeständen im Rahmen eines Steuerprozesses: so weit sie gestaltend auf den Steueranspruch einwirken, bestimmt sich (beschränkt auf das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale) das Beweismaß nach dem Grundsatz „in dubio pro reo”. Dies bedeutet keine Übernahme von Grundsätzen des Strafverfahrensrechts, sondern lässt sich daraus ableiten, dass die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für steuerbegründende Tatsachen trägt. Es ist bezüglich des Vorliegens einer Steuerhinterziehung kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt. Bei nicht behebbaren Zweifeln ist die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes --mithin im Schätzungswege-- nicht zulässig.
Hängt die Rechtmäßigkeit eines Bescheides davon ab, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt, kann das Gericht einen entsprechenden Sachverhalt nur als festgestellt erachten, wenn es von dessen Vorliegen überzeugt ist. Hier gilt gemäß obigen Grundsätzen § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO. Daraus folgt, dass dem Steuerpflichtigen anders als bei einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO die Verletzung von Mitwirkungspflichten nicht zum Vorwurf gemacht werden darf. Dies gilt auch für die Verletzung so genannter erweiterter Mitwirkungspflichten bei internationalen Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO (BFH Urteil vom 7. November 2006 VIII R 81/04, Bundessteuerblatt II 2007, 364).
Würde man die Feststellungslast bei steuerbegründenden Tatsachen mit Auslandsbezug umkehren, so hätte dies zur Folge, dass der Steuerpflichtige zum Beispiel das Nichtvorhandensein einer bei einer ausländischen Bank unterhaltenen Kapitalanlage nachweisen müsste. Das Nichtvorhandensein steuererheblicher Tatsachen nachzuweisen (so genannter Negativnachweis) ist aber nicht möglich, jedenfalls für einen Steuerpflichtigen unzumutbar, weshalb für einen Negativbeweis auch keine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 AO besteht (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 25. Februar 2003 11 K 5466/00 u.a., juris Dokument unter Verweis auf Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 90 Randziffer 25, 47).
Da gemäß obigen Grundsätzen die von dem Beklagten angenommene Geschäftsbeziehungen der Klägerin zur LLB im Streitfall steuerbegründend wirkt, obliegt diesem insoweit die Feststellungslast. Die Finanzbehörden tragen für die Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände der Einnahmeerzielung die objektive Beweislast. Daran ändert auch die in § 90 Abs. 2 AO den Steuerpflichtigen allgemein auferlegte erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nichts, da im Streitfall bereits auf der Stufe vorher ein zu Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichender Nachweis für eine bestehende Geschäftsbeziehung der Klägerin zu einer ausländischen Bank seitens des Beklagten nicht gelungen ist.
Dagegen spricht zunächst die äußerst dubiose Quelle, aus der die Informationen des Prozesses vor dem Landgericht Rostock entstammen. Aus den Feststellungen des dortigen Urteils ergibt sich, dass zunächst ein mit krimineller Energie agierender Mitarbeiter der LLB sich ca. 2300 Datensätze vermeintlicher Kunden seines Arbeitgebers in der wohl zutreffenden Annahme verschaffte, dieser sei wegen der in Deutschland nicht erklärten Kapitalanlagen seiner Kunden erpressbar. Da dies offensichtlich nicht zu seiner Zufriedenheit gelang, fand er Kontakt zu dem Hauptangeklagten des Rostocker Prozesses, der seinerseits auch die Bank bzw. deren Kunden in Deutschland zu erpressen versuchte. Letztendlich erlangte die Finanzverwaltung Informationen aus einem kriminellen Umfeld, welches bereits mit der auf Steuerhinterziehung ausgerichteten Geldanlage deutscher Anleger bei der liechtensteinischen Bank angelegt gewesen ist.
Zweifel bestehen somit an der Authentizität der im Rostocker Prozess überlassenen Datensätze. So handelt es sich gerade nicht um eine CD, deren Inhalt eine unmittelbare Kopie der bei der Bank für die insgesamt 2300 Anleger vorgehaltenen Daten enthält. Hiergegen spricht bereits, dass die Angaben äußerst unvollständig sind, insbesondere fehlt die Angabe der Währung, in der die Kapitalanlage erfolgt sein soll. Einem Datensatz fehlt die Depotnummer. Es spricht vieles dafür, dass es sich bei den in schriftlicher Form vorgelegten Datensätzen nicht um gezogene Kopien von Originalunterlagen in digitalisierter Form handelt, sondern um fehleranfällige Auswertungen von Kontounterlagen. Jedenfalls sprechen die dargestellten Mängel nicht für eine hundertprozentig sichere Wiedergabe der tatsächlichen Verhältnisse.
Im Streitfall erfolgte die Kapitalanlage durch Eröffnung eines Geschäftskontos unter dem Namen der Klägerin bereits 1989.
Der Senat hält es, nicht zuletzt aufgrund der bereits in damaligen öffentlich bekannt gewordenen Strafverfahren mit bei Ermittlungen bei deutschen Großbanken gewonnenen Erkenntnisse für nicht unwahrscheinlich, dass Anleger unter Angabe einer falschen Identität zur Verschleierung des Vergehens Steuerhinterziehung Geschäftsbeziehungen mit Schweizer und liechtensteinischen Banken unterhalten haben. Dem Senat ist dabei die Verwendung von Namen wie „Dagobert Duck” oder „Waigel” noch erinnerlich. Gerade mit Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, im Jahre 1989 sei ihr bei einem Einbruch in ihr Ladengeschäft auch ein Ausweispapier gestohlen worden, erachtet der Senat es nicht mit der für seine Überzeugungsbildung ausreichenden Sicherheit als ausgeschlossen, dass es sich um eine Schutzbehauptung handeln könnte. So drängt sich für einen kriminellen Anleger die Möglichkeit auf, sich hinter der Identität einer tatsächlich existierenden Person verstecken zu können. Ob es sich dabei um die Verwendung eines durch Diebstahl erlangten und von unbekannten Dritten zur Kontoeröffnung verwendeten Ausweispapiers handelte oder ob der Umstand des Einbruchs in anderer Weise genutzt wurde, ist für den Streitfall ohne Belang. Jedenfalls ist das Ereignis „Einbruch” geeignet, Zweifel an der Zurechnung des Kontos zur Person der Klägerin zu wecken.
Festzustellen ist in dem Zusammenhang, dass der Senat nicht von einem generellen Verwertungsverbot hinsichtlich der im Rostocker Prozess erlangten Unterlagen ausgeht. Vielmehr würdigt er die vorgelegten Unterlagen mit ihren Mängeln.
Der Beklagte kann den Nachweis einer Geschäftsbeziehung ebenso wenig aufgrund der Begleitumstände des vorliegenden Verfahrens führen. Er hat weder zu seinem Vortrag, die LLB erteile in allen Verfahren Auskünfte und bisher hätten sich die im Verfahren vor dem Rostocker Landgericht erhaltenen Unterlagen in jedem Fall als zutreffend erwiesen, entsprechende Erkenntnisquellen zur Verfügung stellen können noch hat er überhaupt Anstrengungen unternommen, auf die Klägerin bezogene weitere Ermittlungen zu möglichen Kapitalanlagen anzustellen. Dies gilt trotz der zur Verfügung stehenden Zeit, welche zu dem Untätigkeitseinspruch und der letztendlich erfolgreichen Untätigkeitsklage führte. Die gesamte Untätigkeit hinsichtlich weiterer Ermittlungen erstreckte sich auf den Zeitraum zwischen dem Erlass der Steuerbescheide für die Streitjahre im Februar 2009 und der Entscheidung über die Ablehnung der Änderungsveranlagungen mit Bescheid vom 4. Dezember 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31. März 2011.
Zu den angeblich erfolgreichen Ermittlungen auf der Grundlage der Unterlagen aus dem Rostocker Prozess führt der Beklagte keinerlei Zahlen an, die diese Aussage bestätigen könnten. Unzutreffend ist weiterhin seine Auffassung, gemäß dem Schreiben der LLB vom 4. August 2008 müsse diese Bank auch der Klägerin alle Informationen zur Verfügung stellen, die Klägerin verweigere nur die Weitergabe zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen an den Beklagten. Dieser Vorhaltung steht der Grundsatz entgegen, dass die Klägerin für steuerbegründende Tatsachen mit Auslandsbezug gemäß der Rechtsprechung keine Mitwirkungspflicht trifft. Der Beklagte versucht mit dieser Argumentation nicht nur die Besteuerungsgrundlagen für eine Besteuerung der Kapitaleinkünfte der Klägerin zu ermitteln, sondern zunächst erst mit deren Hilfe die Geschäftsbeziehung nachzuweisen.
Der Beklagte hat es gerade verabsäumt, durch weitere Ermittlungsmaßnahmen zum Beispiel ein entsprechendes Schreiben, adressiert an die Klägerin im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme zu finden. Hierzu konnten auch die Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung keine weitere Aufklärung beitragen. Die ursprünglich in der E-Mail vom 2. Februar 2009 des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin Rechtsanwalt N getroffene Aussage, er habe vom Sohn der Klägerin, dem Zeugen C. D. die Mitteilung erhalten, es existiere ein Konto bei der LLB, konnte der Zeuge in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten. Er führte hierzu aus, dass er den Sohn der Klägerin möglicherweise falsch verstanden habe. Auch die zweite wesentliche Aussage der E-Mail, dass innerhalb von 6 - 8 Wochen zu der Bankverbindung seitens der Bank Unterlagen vorgelegt würden, konnte der Zeuge letztlich nicht mehr dem Sohn der Klägerin zurechnen. Er musste einschränken, dass es eventuell auch eine von ihm in anderen Verfahren gemachte Erfahrung sei, dass es bei Liechtensteiner Banken 6 - 8 Wochen dauere, bis diese Auskunft erteilten. Auf die Frage, ob von „einem Erträgniskonto” oder von „keinem Erträgniskonto” die Rede gewesen sei, führte er aus, verhören könne man sich immer. Mit dieser Vernehmung ist die letzte auf der Aussage eines „neutralen” Zeugen beruhende Erkenntnisquelle nicht in der Weise zu bewerten gewesen, dass Indizien für eine Geschäftsbeziehung nachzuweisen gewesen sind.
Ebenso wenig hat die Vernehmung des Sohnes der Klägerin C. D. ausreichende Indizien für eine Geschäftsbeziehung der Klägerin zur Bank aufgezeigt. Die Aussage des Zeugen war von großer Nervosität geprägt, insbesondere zu Beginn seiner Vernehmung war ihm eine flüssige Darstellung des Sachverhaltes aus seiner Sicht nicht möglich. Dieses Verhalten stand im Gegensatz zu demjenigen, welches er im Zusammenwirken mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits in der früheren Verhandlung vom 18. Oktober 2011 gezeigt hatte, wie auch im Mitwirken in der aktuellen mündlichen Verhandlung bis zu seiner Zeugenvernehmung. Wenig wahrscheinlich erscheinen dem Senat die Ausführungen des Zeugen zur Anbahnung des Gespräches mit einem Dr. W in der LLB in Vaduz am 4. März 2009. Ob sich die Bank, die sich des in Deutschland strafbewehrten Hintergrundes ihres „Geschäftsmodells” selbstverständlich bewusst ist, auf einen Gesprächstermin mit Personen eingelassen hätte, zu denen keinerlei geschäftlicher Kontakt besteht, bezweifelt der Senat. Er bezweifelt auch, dass es sich aus Sicht der Bank um einen Sonderfall gehandelt haben soll, weil es in dem Gespräch am 4. März 2009 nur um die Aussage gegangen sein soll, dass es eine Anfangsziffer 3 oder 8 bei den Kontonummern der Bank nicht gebe. Letztlich hat die Bank nicht die Aussage getroffen, dass bei ihr unter dem Namen der Klägerin kein Konto geführt werde. Ob und welche weiteren Kontakte neben der Anbahnung dieses Gespräches durch den Sohn der Klägerin mit der Bank wahrgenommen wurden, blieb ungeklärt. Trotz dieser Zweifel war aber aus der Aussage des Sohnes zur Überzeugung des Gerichts keine Geschäftsbeziehung der Klägerin zur Bank mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen.
Ausgehend von dem diesem Ergebnis zu Grunde liegenden Grundsatz „in dubio pro reo” sind für die Klägerin keine negativen Schlussfolgerungen aus dem Umstand zu ziehen, dass sie im Zusammenhang mit der Verlagerung ihres Wohnsitzes in die Schweiz ihr Vermögen dorthin übertragen hat. Auch die durch Darlehensaufnahmen erfolgte Belastung ihres inländischen Grundvermögens ist zunächst als neutraler Vorgang zu bewerten, der in die Dispositionsfreiheit eines jeden Steuerpflichtigen gestellt ist. Gleiches gilt für die Verlagerung des Wohnsitzes in die Schweiz unter Mitnahme des Vermögens.
Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die nicht zweifelsfreie Annahme der Existenz einer Geschäftsbeziehung zu einer ausländischen Bank im Streitfall für den Beklagten die Grundlage dafür schafft, dass die wirtschaftliche Existenz eines Steuerpflichtigen durch eventuell unzutreffende Vollstreckung unzutreffender Steuerfestsetzungen bedroht wird. Im Falle tatsächlich unzutreffender und nicht mit Bestandskraft festgesetzter Steuerforderungen kann es einem Steuerpflichtigen nicht verwehrt sein, hierauf zu reagieren. Jedenfalls sind für einen nicht erwiesen unehrlichen Steuerpflichtigen hieraus keine negativen Schlüsse zu ziehen. Angesichts der ansonsten dürftigen Beweislage fehlt jegliche Beweiskraft dafür, dass die Klägerin sich einer zutreffenden Besteuerung hat entziehen wollen.
Im Streitfall hat der Beklagte ebenso wenig wie eine direkte Geschäftsbeziehung zur LLB zu Überzeugung des Gerichts Umstände dafür nachweisen können, dass die Klägerin überhaupt eine Geldanlage in Höhe von 4 Millionen Schweizer Franken aus ihren sonstigen Einkommensquellen hätte erwirtschaften können. Inwieweit sie mit dem Gewinn aus ihrem Einzelhandelsbetrieb sowie den sonstigen Einkünften, wie Vermietung und Verpachtung und Renteneinkünften ein derartiges Vermögen hat erwirtschaften können, wird nicht deutlich. Eine diesbezüglich schlüssige Vermögenszuwachsrechnung hat der Beklagte nicht angestellt. Dem Gericht ist nicht nachzuvollziehen, wie die Klägerin dies während ihres Erwerbslebens erreicht haben soll. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sie bereits nachgewiesenermaßen dem Beklagten bekannte Vermögenswerte, unter anderem aus der Umschichtung von Vermögen durch Belastung ihres Grundvermögens und vorhandenes Kapitalvermögen in Höhe von über 1 Million € aus Anlass ihrer Umsiedlung in die Schweiz nach dort verbracht hat. Auch diese Vermögenswerte mussten erst einmal durch ihr unternehmerisches Wirken erwirtschaftet werden.
Der vorgenannten Entscheidung standen keine formellen Hinderungsgründe entgegen. So können auf den Antrag auf Abänderung die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 2007 vom Februar 2009 noch dahin geändert werden, dass die geschätzten Kapitaleinkünfte als Besteuerungsgrundlage entfallen. Für die Jahre 1996 - 2006 gilt dies gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 AO. Danach ist eine vorläufige Steuerfestsetzung, hier aufgrund der geschätzten Kapitaleinkünfte, aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären, wenn die Ungewissheit beseitigt ist. Im Streitfall ist die Ungewissheit aufgrund der dargestellten Entscheidungsgründe entfallen. Aufgrund der geltenden Beweislastverteilung konnte der Beklagte eine Geschäftsverbindung nicht nachweisen, so dass die Ungewissheit einer solchen beseitigt ist.
Das Jahr 2007, welches unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO stand, musste nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO auf Antrag der Klägerin geändert werden, da die mit dieser Entscheidung abschließende Prüfung des Falles eine Geschäftsbeziehung nicht nachgewiesen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nummer 10, 713 ZPO.