02.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122467
Bundesfinanzhof: Urteil vom 28.02.2012 – VII R 23/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe
1
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wird vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) auf Zoll von rd. 10.000 € und Einfuhrumsatzsteuer von rd. 21.000 € in Anspruch genommen. Er sei daran beteiligt gewesen, rd. 800 Bekleidungsgegenstände und zahlreiche andere Waren aus China vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union zu verbringen oder er habe sogar diese Waren in Besitz gehabt und habe dabei wissen müssen, dass sie vorschriftswidrig verbracht worden sind.
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Diesen Vorwürfen liegt zugrunde, dass der Kläger über die Internetplattform eBay, auf der er zwei Shops unter seinem Namen unterhalten hat, die betreffenden Waren in Auktionen eingestellt, nach einem Vertragsabschluss das Entgelt vereinnahmt und mit der Bestellung an den chinesischen Händler, wie mit diesem vereinbart, weitergeleitet hat. Diesem oblag die Preisgestaltung, die Beschaffung der Waren und deren Versand in die Union.
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Das Finanzgericht (FG) hat die gegen den Abgabenbescheid erhobene Klage abgewiesen. Der Kläger sei nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 2 bzw. 3 des Zollkodex (ZK) i.V.m. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes Zoll- und Steuerschuldner geworden. Das FG war dabei zu der Überzeugung gekommen, der Kläger, soweit er Waren in Besitz hatte, hätte vernünftigerweise wissen müssen, dass die Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden waren. Soweit er lediglich an dem vorschriftswidrigen Verbringen der Waren beteiligt gewesen sei, habe er aus den gleichen Gründen vernünftigerweise wissen müssen, dass er damit vorschriftswidrig handelte.
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Der Kläger hat gegen dieses Urteil die von dem erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt, aufgrund derer der Senat eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu der Frage eingeholt hat, ob wegen "Beteiligung" am vorschriftswidrigen Verbringen einer Ware in das Zollgebiet der Europäischen Union gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 2 ZK Zollschuldner wird, wer, ohne an dem Verbringen unmittelbar mitzuwirken, den Abschluss der Kaufverträge über die betreffenden Waren vermittelt und dabei in Betracht zieht, dass der Verkäufer die Waren oder einen Teil der Waren möglicherweise unter Hinterziehung der Einfuhrabgaben liefern werde. Über dieses Ersuchen hat der EuGH durch Urteil vom 17. November 2011 C-454/10 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2012, 47) wie folgt entschieden:
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"Art. 202 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist in dem Sinne auszulegen, dass eine Person als Schuldner der aufgrund des vorschriftswidrigen Verbringens von Waren in das Zollgebiet der Europäischen Union entstandenen Zollschuld anzusehen ist, wenn sie, ohne an diesem Verbringen unmittelbar mitzuwirken, daran als Vermittlerin beim Abschluss der Kaufverträge für die betreffenden Waren beteiligt war, sofern diese Person wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass dieses Verbringen vorschriftswidrig sein würde, was vom vorlegenden Gericht zu beurteilen ist."
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Der Kläger hält nach Ergehen dieser Entscheidung an seiner Revision fest. Er meint, die Argumentation des EuGH sei nicht logisch. Art. 202 Abs. 3 ZK biete keine Grundlage dafür, ihn als Zollschuldner heranzuziehen.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG und den Steuerbescheid des HZA vom 16. Juli 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2008 aufzuheben.
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Das HZA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das Urteil des FG entspricht im Ergebnis dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
10
Nach der Vorabentscheidung des EuGH, deren rechtliche Beurteilung der erkennende Senat in diesem Verfahren zugrunde zu legen hat, und den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden und deren Richtigkeit aber auch im Wesentlichen nicht streitig ist, hat der Kläger die vom EuGH aufgeführten objektiven Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme als Zollschuldner erfüllt, weil er, ohne allerdings am vorschriftswidrigen Verbringen der betreffenden Waren in das Zollgebiet der Union unmittelbar mitzuwirken, den Abschluss der Kaufverträge über die betreffenden Waren vermittelt hat. Er ist dadurch als Beteiligter des vorschriftswidrigen Verbringens Zollschuldner geworden, sofern er auch die subjektiven Voraussetzungen, die in Art. 202 Abs. 3 ZK aufgestellt sind, erfüllt.
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Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzung hatte der erkennende Senat den EuGH befragt, ob es ausreichend sei, dass der Zollschuldner eine Hinterziehung der Einfuhrabgaben (durch den Lieferanten oder die Gesteller) für denkbar halte, oder ob er nur dann Zollschuldner werde, wenn er fest damit rechne, eine Hinterziehung der Einfuhrabgaben werde geschehen. Diese Frage hat der EuGH zwar nicht ausdrücklich beantwortet. Er hat jedoch darauf hingewiesen, die Anforderung des ZK, die als am Verbringen beteiligt in Anspruch genommene Person wusste oder hätte vernünftigerweise wissen müssen, dass dieses Verbringen vorschriftswidrig war, impliziere, dass sie Kenntnis vom Vorliegen einer oder mehrerer Unregelmäßigkeiten hatte oder vernünftigerweise h ätte haben müssen. Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des FG beschränken sich zwar weitgehend auf eine Schilderung der unstreitigen objektiven Umstände und eine Wiedergabe der Einlassung des Klägers gegenüber dem Zollfahndungsamt bei seiner Vernehmung als Beschuldigter. Der erkennende Senat entnimmt dem Urteil jedoch zusammenfassend die ihn bindende Feststellung dahin, dass der Kläger wusste oder zumindest hätte wissen müssen, dass die von seinem chinesischen Partner gelieferten Waren nicht vorschriftsgemäß in das Zollgebiet verbracht würden. Diese Annahme stellt eine zwar nicht zwingende, aber doch mögliche Schlussfolgerung aus den vorgenannten Umständen dar und ist mithin eine den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindende Feststellung. Zulässige und begründete Revisionsrügen sind dagegen nicht erhoben worden; der Hinweis der Revision, der Kläger habe in eBay ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Käufer Zoll zahlen müssten und das FG habe diesen Hinweis angeblich nicht beachtet, genügt den Anforderungen an eine Verfahrensrüge nach § 118 Abs. 3 FGO nicht. Gleiches gilt für die Behauptung einer "Außerachtlassung eines wesentlichen unstreitigen Sachverhalts".