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  • 20.09.2012 · IWW-Abrufnummer 130107

    Bundesfinanzhof: Beschluss vom 05.07.2012 – III R 25/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe

    1

    I. Sachverhalt

    2

    Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich gegen einen nach § 71 der Abgabenordnung (AO) ergangenen Bescheid, durch den ihn der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für eine der W-GmbH zu Unrecht gewährte Investitionszulage für 1994 in Höhe von 520.000 DM (= 265.871,78 €) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat. Der Haftungsinanspruchnahme lag --verkürzt dargestellt-- folgender Sachverhalt zugrunde:

    3

    Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der M-GmbH. Er unterzeichnete für die nicht existente XY-GmbH (als Lieferant) im Mai 1991 den "Vertrag Nr. ..." mit einer AG (als Abnehmer). Auf Anweisung des anderweitig verfolgten Beschuldigten ... eröffnete der Kläger im Oktober 1991 für die M-GmbH als deren Geschäftsführer ein Geschäftskonto bei einer Schweizer Bank. Auf dieses Konto überwies die AG im Oktober 1991 einen Betrag von 6,5 Mio. DM als Anzahlung auf den genannten Vertrag. Der Kläger überwies diesen Betrag entsprechend einem bereits im Voraus abgegebenen Überweisungsversprechen unmittelbar wieder an die AG zurück. Am 31. Juli 1993 erklärte der Kläger gegenüber der W-GmbH sinngemäß, er sei damit einverstanden, dass die W-GmbH bezüglich des genannten Vertrages an die Stelle der AG trete und die XY-GmbH auf diesen Vertrag eine Anzahlung von 6,5 Mio. DM erhalten habe. Weiter gab der Kläger im August 1993 gegenüber dem anderweitig verfolgten Beschuldigten ... --einem bei der steuerlichen Beraterin der W-GmbH tätigen Berufsträgers-- eine von ihm unterschriebene Erklärung ab, wonach er mit dem von der AG ermittelten Saldo per 31. Juli 1993 zu "unseren" Lasten bezüglich des genannten Vertrages in Höhe von 6,5 Mio. DM und der Übernahme dieses Vertrages durch die W-GmbH einverstanden sei.

    4

    In einem von der steuerlichen Beraterin der W-GmbH im August 1993 erstellten Bericht über die Prüfung einer Kapitalerhöhung im Wege von Sacheinlagen der W-GmbH wurde u.a. ausgeführt, Sacheinlagen im Wert von 31.631.000 DM seien dadurch erbracht worden, dass die AG ihre Rechte und Pflichten aus den im Einzelnen genannten Verträgen mit bereits vorgenommenen Zahlungen auf die W-GmbH übertragen habe. Unter den übertragenen Verträgen und Zahlungen wird die im Oktober 1991 geleistete "Anzahlung" in Höhe von 6,5 Mio. DM aus dem oben genannten Vertrag angeführt.

    5

    Die W-GmbH beantragte bereits für das Jahr 1993 ohne Erfolg Investitionszulage im Zusammenhang mit der im Jahr 1991 geleisteten Anzahlung. Aufgrund eines Änderungsantrags vom Oktober 1995 wurde der W-GmbH durch geänderten Investitionszulagenbescheid für 1994 vom 29. Dezember 1995 eine Investitionszulage gewährt, in deren Bemessungsgrundlage die genannte Anzahlung in Höhe von 6,5 Mio. DM einbezogen war.

    6

    Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der W-GmbH am 1. Mai 1996 meldete das FA den Anspruch auf Rückzahlung der streitgegenständlichen Investitionszulage mit Schreiben vom 25. Juni 1996 zum Forderungsverzeichnis an. Der Anspruch wurde festgestellt. Zahlungen hierauf sind nicht erfolgt. Das Gesamtvollstreckungsverfahren wurde am 2. November 2007 eingestellt.

    7

    Strafrechtlich wurde der Kläger in dieser Sache mit Strafbefehl wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug (§§ 264, 27 des Strafgesetzbuches --StGB--) verurteilt.

    8

    Das FA nahm den Kläger mit Bescheid vom 19. September 2003 nach § 71 AO wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug in Höhe von 520.000 DM (= 6,5 Mio. DM x 8 %; dies entspricht 265.871,78 €) für die im Zusammenhang mit der nicht geleisteten Anzahlung zu Unrecht ausbezahlte Investitionszulage für 1994 in Haftung. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 24. Juni 2009 4 K 2207/04 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 691 abgedruckt.

    9

    Der Kläger stützt seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

    10

    Er beantragt,

    dass angegriffene Urteil des FG, den Haftungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

    11

    Das FA beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

    12

    II. Rechtsfrage

    13

    Im Streitfall kann die Rechtsfrage entscheidungserheblich sein, ob auf den Kläger, der sich als Gehilfe eines Subventionsbetrugs strafbar gemacht hat, die Haftungsnorm des § 71 AO entsprechend anwendbar ist. Diese Rechtsfrage ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits geklärt. Da jedoch Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung aufgetreten sind, beabsichtigt der Senat, hierüber erneut zu entscheiden.

    14

    1. Nach bisheriger Rechtsprechung müsste § 71 AO entsprechend angewendet werden.

    15

    Der Senat hat dies in seinem zum Investitionszulagengesetz 1982 (InvZulG 1982) ergangenen Urteil vom 27. April 1999 III R 21/96 (BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670) im Wesentlichen mit der in § 5 Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1982 (= § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993) enthaltenen Gesetzesverweisung begründet, wonach die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anwendbar seien. Diese allgemein gehaltene Verweisung auf die AO umfasse auch die Vorschriften über die Haftung (§§ 69 ff. AO). Insbesondere scheitere eine entsprechende Anwendbarkeit des § 71 AO nicht daran, dass diese Vorschrift lediglich eine Haftung (u.a.) des Steuerhinterziehers, nicht jedoch des Subventionsbetrügers normiere. Die in der Gesetzesverweisung angeordnete entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften sei vielmehr so zu verstehen, dass in Fällen einer deliktisch --also im Wege eines Subventionsbetrugs-- erlangten Investitionszulage der Subventionsbetrüger ebenso wie der Steuerhinterzieher im Falle einer deliktisch erlangten Steuervergütung in Haftung genommen werden könne. Der Fall des Subventionsbetrugs sei im Rahmen der Haftung nach § 71 AO abgabenrechtlich wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln.

    16

    Die gleichen Überlegungen finden sich bereits in einem hinsichtlich der hier zu erörternden Rechtsfrage vergleichbaren Fall, den der BFH mit Urteil vom 18. Februar 1977 VI R 177/75 (BFHE 121, 572, BStBl II 1977, 524) zu dem Wohnungsbau-Prämiengesetz (WoPG) 1960 bzw. 1967 entschieden hat. Nach § 5 Abs. 4 WoPG 1960 bzw. 1967 waren auf die Festsetzung und Beitreibung der zurückzuzahlenden Wohnungsbau-Prämie die Vorschriften der Reichsabgabenordnung (RAO) entsprechend anwendbar. Diese Verweisung --so der BFH-- umfasse auch die Vorschrift des § 144 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz RAO mit der Folge, dass der dort verwendete Ausdruck "hinterzogene Beträge" bei entsprechender Anwendung auf Wohnungsbau-Prämien im Sinne von "erschlichene Wohnungsbau-Prämie" zu verstehen sei. Damit verjähre der Rückforderungsanspruch erst in zehn Jahren (s. auch BFH-Urteil vom 8. Oktober 1976 VI R 251/74, BFHE 120, 324, BStBl II 1977, 223).

    17

    Schließlich enthält auch das zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) ergangene Senatsurteil vom 28. August 1997 III R 3/94 (BFHE 183, 324, BStBl II 1997, 827) die gleiche Argumentation. Danach könne eine nach § 19 BerlinFG durch Subventionsbetrug erlangte Investitionszulage für Investitionen in Berlin (West) innerhalb der verlängerten Festsetzungsfristen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zurückgefordert werden, sofern das betreffende Zulagengesetz --wie hier § 19 Abs. 7 BerlinFG-- allgemein die Steuervergütungsvorschriften der AO für entsprechend anwendbar erklärte.

    18

    2. Die Verwaltung hat sich der vorstehend dargestellten Rechtsprechung angeschlossen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 28. Juni 2001 IV A 5 -InvZ 1271- 21/01, BStBl I 2001, 379, Tz. 188; s. auch Verfügung der Oberfinanz-direktion Magdeburg vom 6. August 2009 InvZ 1460-2-St 221, [...], zu § 173 Abs. 2 AO).

    19

    3. In der Literatur findet sich zu der aufgeworfenen Rechtsfrage ein geteiltes Meinungsbild.

    20

    a) Die bisherige Auffassung des Senats, wonach § 71 AO in einem Fall wie dem vorliegenden entsprechend anwendbar sei, wird in der Literatur weitgehend geteilt (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 71 Rz 4 a.E.; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 71 AO Rz 40; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 71 AO Rz 5; Schwarz in Schwarz, AO, § 71 Rz 2a; Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 71 Rz 9).

    21

    b) Die Auffassung, dass im Falle einer durch Subventionsbetrug erlangten Investitionszulage § 169 Abs. 2 Satz 2 AO entsprechend anwendbar sei, wird hingegen von zahlreichen Stimmen abgelehnt (Banniza in HHSp, § 169 AO Rz 42; Kruse in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 169 AO Rz 17; Frotscher in Schwarz, AO, § 169 Rz 21; Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 169 Rz 60). Als Argument wird insbesondere angeführt, der eindeu-tige --auf konkrete Steuerstraftatbestände Bezug nehmende-- Wortlaut des § 71 AO erlaube keine entsprechende Anwendung.

    22

    4. Die bisherige Senatsrechtsprechung, wonach die im InvZulG enthaltene Verweisung auf die Steuervergütungsvorschriften der AO die entsprechende Anwendung des § 71 AO rechtfertige, stößt auf Bedenken.

    23

    a) Die Investitionszulage ist keine Steuer i.S. des § 3 Abs. 1 AO (Musil in HHSp, § 1 AO Rz 23). Der Gesetzgeber hat die Investitionszulage materiell-rechtlich auch nicht als eine Steuervergütung ausgestaltet. Es fehlt --anders als z.B. für das Kindergeld (s. dazu § 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes)-- eine Norm, welche die Investitionszulage als Steuervergütung qualifiziert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in den Investitionszulagengesetzen enthaltenen Gesetzesverweisung (z.B. § 5 Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1982, § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993), die eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der AO anordnet. Durch diese Verweisungsnorm wird die Investitionszulage abgabenrechtlich nicht in eine Steuervergütung umqualifiziert, sondern allgemein das Investitionszulageverfahren geregelt (ebenso Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 6. Juni 2007 5 StR 127/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2007, 1157, zur Eigenheimzulage). Demnach hat der Gesetzgeber in Anbetracht des in § 1 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Anwendungsbereichs der AO und des Umstands, dass die Investitionszulage gerade keine Steuervergütung ist, in § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993 folgerichtig nur eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der AO angeordnet.

    24

    Diese allgemein gehaltene Gesetzesverweisung führt zwar dazu, dass auch die Haftungsnormen der §§ 69 ff. AO entsprechend anwendbar sind. Die Vorschrift des § 71 AO begründet aber nur dann eine Haftung, wenn ganz bestimmte Steuerstraftatbestände, insbesondere der einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO), erfüllt ist. Das auf "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten stellt strafrechtlich allerdings gerade keine Steuerhinterziehung, sondern einen Betrug (§ 263 StGB) bzw. einen Subventionsbetrug (§ 264 StGB) dar (s. auch BGH-Be-schluss vom 7. Februar 1984 1 StR 10/83, HFR 1984, 391). Auch wenn die Abgrenzung zwischen den unter § 370 AO fallenden Steuern bzw. Steuervorteilen und den von § 264 StGB erfassten Subventionen schwierig sein kann, gehört doch die Investitionszulage zu den Subventionen i.S. des § 264 Abs. 7 StGB und nicht zu den Steuern oder Steuervorteilen (s. auch Perron in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 264 Rz 10 a.E.). Abweichendes ergibt sich auch nicht aus § 370 Abs. 4 Satz 2 AO, wonach auch Steuervergütungen Steuervorteile sind. Die Investitionszulage ist --wie aufgezeigt-- materiell-rechtlich gerade keine Steuervergütung. Schließlich lässt sich etwas anderes auch nicht aus dem § 9 InvZulG 1993 (= § 5a InvZulG 1977/1982/1986) entnehmen, nach dem die Vorschriften der AO über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend gelten. Hierdurch werden lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff. AO einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (vgl. § 386 Abs. 2 AO) für anwendbar erklärt (ebenso BGH-Urteil in HFR 2007, 1157, zur Eigenheimzulage).

    25

    Es ist daher zweifelhaft, ob der mögliche Wortsinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993 noch den Gesetzesbefehl umfasst, dass das auf "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten abgabenrechtlich als Steuerhinterziehung zu behandeln ist, obwohl die Investitionszulage abgabenrechtlich gerade keine Steuervergütung ist und deren Vergabe strafrechtlich über die §§ 263, 264 StGB geschützt ist.

    26

    b) Diese Zweifel werden durch die Regelung des § 9 InvZulG 1993 (= § 5a InvZulG 1977/1982/1986) bestätigt, nach der die Vorschriften der AO über die Verfolgung von Steuerstraftaten (§§ 385 ff. AO) entsprechend gelten. Diese Regelung geht auf das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (1. WiKG) vom 29. Juli 1976 (BGBl I 1976, 2034) zurück, mit dem die Vorschrift des § 264 StGB in das StGB neu eingefügt wurde. Der Gesetzgeber betrachtete die Investitionszulage als eine Subvention i.S. des § 264 StGB und wollte deren Vergabe strafrechtlich besonders schützen (BTDrucks 7/3441, S. 48, BTDrucks 7/5291, S. 24). Da die Investitionszulage von den Finanzbehörden verwaltet wurde, fügte er den § 5a InvZulG neu ein, wonach u.a. für die Verfolgung einer Straftat nach § 264 StGB die Vorschriften der RAO über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend galten.

    27

    In anderen Zulagen- und Prämien-Gesetzen, die ebenfalls wie das InvZulG eine Verweisung auf die Steuervergütungsvorschriften der AO enthalten (z.B. § 8 Abs. 1 Satz 1 WoPG, § 29 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG, § 14 Abs. 2 Satz 1 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes --5. VermBG--), hat der Gesetzgeber darüber hinausgehend normiert, dass auch § 370 Abs. 1 bis 4 AO entsprechend gilt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 WoPG, § 29a BerlinFG, § 14 Abs. 3 Satz 1 5. VermBG). Eine solche Anordnung fehlt im InvZulG, weil der Gesetzgeber die Vergabe der InvZulG gerade unter den besonderen materiellen Strafrechtsschutz des § 264 StGB stellen wollte.

    28

    Danach ist zu bezweifeln, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993 einen Subventionsbetrug abgabenrechtlich in eine Steuerhinterziehung umqualifiziert, obwohl der Gesetzgeber im InvZulG --im Gegensatz zu anderen Zulagen- und Prämien-Gesetzen-- allein auf das formelle, nicht aber auf das materielle Steuerstrafrecht Bezug nimmt.

    29

    5. Jenseits des möglichen Wortsinns bliebe nur noch die Möglichkeit, die Haftungsnorm des § 71 AO im Wege der Analogie anzuwenden. Hiergegen bestünden aber ebenfalls Bedenken.

    30

    a) Selbst wenn man eine steuerverschärfende Analogie im Steuerrecht nicht generell ausschließen möchte (so BFH-Urteil vom 14. Februar 2007 II R 66/05, BFHE 217, 176, BStBl II 2007, 621, m.w.N.), würde eine solche voraussetzen, dass sich zum einen einwandfrei eine Gesetzeslücke feststellen ließe, zum anderen, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut bzw. Gesamtzusammenhang oder aus den Gesetzesmaterialien eindeutig Rechtsprinzipien ergäben, nach denen diese Lücke zu schließen wäre (BFH-Urteil in BFHE 217, 176, BStBl II 2007, 621). Unabhängig von der Frage, ob im Streitfall eine Gesetzeslücke bestünde, wäre jedenfalls die Existenz des Prinzips, wonach der Subventionsbetrug abgabenrechtlich wie eine Steuerhinterziehung zu behandeln sei, zweifelhaft.

    31

    aa) Aus dem Wortlaut bzw. Gesamtzusammenhang des InvZulG ließe sich ein solches Prinzip nicht entnehmen. Auch wenn mit § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993 eine allgemein auf die Steuervergütungsvorschriften der AO verweisende Norm besteht, wäre die Existenz eines solchen Prinzips schon deshalb fraglich, weil § 9 InvZulG 1993 lediglich auf das formelle Steuerstrafrecht verweist. Weitere Zweifel an der Existenz eines solchen Prinzips ergäben sich auch mit Blick auf den Schadensersatzcharakter des § 71 AO. Diese Vorschrift soll eine Schadensersatzpflicht in Höhe der verkürzten Beträge begründen (s. z.B. BFH-Urteil vom 21. Januar 2004 XI R 3/03, BFHE 205, 394, BStBl II 2004, 919). Danach setzt § 71 AO tatbestandlich eine vollendete Steuerhinterziehung voraus, weil der Versuch dieses Delikts keinen Schaden verursacht (BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198). Ein vollendeter Subventionsbetrug nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt aber --unabhängig von einer tatsächlichen Schädigung-- bereits dann vor, wenn die unrichtigen Angaben beim Subventionsgeber eingehen. Der Subventionsbetrug ist anders als die Steuerhinterziehung nicht als Erfolgs-, sondern als Gefährdungsdelikt ausgestaltet (s. dazu Perron in Schönke/Schröder, a.a.O., § 264 Rz 5). Es hätte daher erwartet werden dürfen, dass der Gesetz-geber --hätte er den Subventionsbetrug im Rahmen der Haftung nach § 71 AO mit einer Steuerhinterziehung gleichstellen wollen-- dies ausdrücklich angeordnet hätte.

    32

    bb) Etwas anderes dürfte sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ergeben. Das InvZulG wurde erstmals durch Art. 1 des Gesetzes über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechtlicher und prämienrechtlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1969) vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211) kodifiziert. In dem damaligen § 3 Abs. 6 Satz 1 InvZulG 1969 hieß es, dass u.a. die Vorschriften des Ersten und Zweiten Teils der RAO entsprechend anzuwenden sind. Der Gesetzesbegründung hierzu lässt sich lediglich entnehmen, dass mit dieser Vorschrift das Investitionszulageverfahren geregelt werden sollte (BTDrucks V/3890, S. 29, zu § 4). Die Vorschrift des § 3 Abs. 6 Satz 1 InvZulG 1969 wurde in den Folgejahren ohne inhaltliche Änderung in § 5 Abs. 6 Satz 1 InvZulG 1973 (BGBl I 1973, 1494) und § 5 Abs. 6 Satz 1 InvZulG 1975 (BGBl I 1975, 529) übernommen. Die nächste für den Streitfall bedeutsame Änderung erfolgte durch das bereits erwähnte 1. WiKG. Der Gesetzgeber fügte den § 5a (= § 9 InvZulG 1993) neu in das InvZulG ein und begründete damit eine Ermittlungszuständigkeit des Finanzamtes in den Grenzen des § 433 und der §§ 435, 436 RAO (BTDrucks 7/3441, S. 48).

    33

    Schließlich erhielt § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993 seine für den Streitfall maßgebliche Fassung im Kern bereits durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (AOEG 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341). § 5 Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1977 --die Vorgängerregelung zu § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1993-- lautete, dass "auf die Investitionszulage ... die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung ... entsprechend anzuwenden" sind (s. Art. 64 Nr. 1 AOEG 1977). Daneben wurde in § 5a InvZulG das Wort "Reichsabgabenordnung" durch das Wort "Abgabenordnung" ersetzt (s. Art. 64 Nr. 2 AOEG 1977). In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, dass nunmehr auch für die Investitionszulagen die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO gelten sollen (BTDrucks 7/261, S. 54). Im Übrigen ergebe sich die Anwendbarkeit der Vorschriften der AO über die Verfolgung von Steuerstraftaten auf die Investitionszulage bereits aus dem durch das 1. WiKG eingefügten § 5a InvZulG (BTDrucks 7/5458, S. 20).

    34

    b) Nach alledem lassen sich in den Gesetzesmaterialien nur schwerlich Anhaltspunkte dafür finden, dass der Subventionsbetrug im Rahmen des § 71 AO abgabenrechtlich wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln ist.

    35

    III. Beitritt des BMF

    36

    In Anbetracht seiner bisherigen Rechtsprechung und der überkommenen Verwaltungsauffassung hält es der Senat für angezeigt, dem BMF die Gelegenheit zu geben, dem Verfahren beizutreten.

    37

    Es wird gebeten, die Erklärung über den Beitritt und ggf. die Stellungnahme zur Sache bis zum ... abzugeben.

    RechtsgebieteAO, InvZulG 1993Vorschriften§ 71 AO § 7 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1993