12.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122816
Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.07.2012 – 13 K 2592/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
13 K 2592/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, mit dem der Beklagte den Kläger für nicht abgeführte Abzugsbeträge im Zusammenhang mit an ihn erbrachten Bauleistungen in Haftung genommen hat.
Der Kläger ist in der Baubranche im Bereich Elektro, Sanitär, Heizung unternehmerisch tätig. Für das Unternehmen des Klägers erbrachte Herr I. N. (N.), ...............straße ..., C. in dem streitbefangenen Zeitraum von April 2005 bis Juli 2007 Bauleistungen, über die er gegenüber dem Kläger in mehreren Rechnungen abrechnete.
Nach der Anhörung des Klägers zur Inanspruchnahme als Haftender nach § 191 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 48a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), auf die nach Aktenlage keine Stellungnahme des Klägers erfolgte, erließ der Beklagte unter dem 13. März 2008 den Haftungsbescheid, mit dem er den Kläger für nicht abgeführte Abzugsbeträge in Höhe von xx.xxx,xx EUR im Zusammenhang mit den durch N. erbrachten Bauleistungen in Haftung nahm. Er führte aus: N. sei für die Einzelfirma des Klägers tätig geworden und habe seine Bauleistungen in den im Haftungsbescheid einzeln aufgeführten Rechnungen abgerechnet (Summe der Netto-Umsätze zuzüglich Umsatzsteuer: xx.xxx,xx EUR). Zum Rechtsgrund des Haftungsanspruchs führte der Beklagte aus: Anmeldungen über den Steuerabzug seien bei ihm nicht eingegangen, obwohl die Gegenleistungen bereits erbracht worden seien und damit die Verpflichtung zum Steuerabzug entstanden sei. Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass das Abzugsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, so dass der Kläger gemäß § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG für den nicht abgeführten Abzugsbetrag hafte. Für den leistenden Unternehmer N. bestünden auch zu sichernde Steueransprüche. Die Verwirklichung dieser Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Inanspruchnahme des Steuerschuldners habe nicht zum Erfolg geführt. Der Steuerschuldner sei freiwillig nicht bereit zu zahlen. Auch durch Vollstreckungsmaßnahmen habe der rückständige Betrag nicht eingezogen werden können. Er halte es deshalb für ermessensgerecht, einen Haftungsbescheid zu erlassen und den Kläger zur Haftung heranzuziehen. Umstände, die gegen eine Inanspruchnahme sprechen würden, seien nicht festgestellt worden.
Der Kläger legte gegen diesen Haftungsbescheid am 2. April 2008 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus: Nach § 191 Abs. 1 AO setze eine Haftungsinanspruchnahme voraus, dass „für eine Steuer“ gehaftet werde. An dieser Voraussetzung fehle es im vorliegenden Fall, denn dem Gesetzeswortlaut des § 48a Abs. 3 EStG nach hafte der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Es sei kein Betrag, der als Steuer verwirkt worden sei, sondern immer der Betrag, der aus der Einbehaltung resultiere. Haftung für den Abzugsbetrag bedeute also gerade nicht Haftung für eine Steuer, da der Abzugsbetrag den Leistungsempfänger treffe, die Steuer aber den Leistenden. Mit Abzugsbetrag meine der Gesetzgeber auch zweifelsfrei nicht eine Abgabenschuld, die durch den Leistenden verwirkt werde. Dies hätte ansonsten im Gesetzeswortlaut deutlich werden müssen, wie etwa in den Fällen der Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer. Der einzubehaltende Betrag entspreche einer Absicherungseinheit, die erst mit Verrechnung der besicherten Forderung gegebenenfalls zur Steuerzahlung des Leistenden werde. Der Abzugsbetrag stelle in gewisser Weise einen "Kredit“ dar.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei dem Steuerabzug für Bauleistungen um eine Steuer im Sinne des § 3 AO und nicht um einen Kredit oder eine Sicherheitsleistung. Im Gegensatz zur Steuer sei ein Kredit dadurch gekennzeichnet, dass von vornherein eine Verpflichtung zur Rückzahlung bestehe. Eine als Steuer konzipierte Abgabe werde jedenfalls rechtlich nicht dadurch zum Kredit, dass sie im Falle einer Überzahlung gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erstatten sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des 48 Abs. 3 Satz 1 EStG hafte der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Dies führe der Kläger in seiner Einspruchsbegründung selbst aus. Weshalb er dennoch zu dem Schluss komme, er hafte nicht, weil er lediglich Schuldner des Abzugsbetrags sei, sei für ihn, den Beklagten, nicht nachvollziehbar.
Der Kläger hat am 9. Juli 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Vorschrift des § 191 Abs. 1 AO setze eine Haftung „für eine Steuer“ voraus. Die Grundkonstruktion der Haftung im Steuerrecht bei Abzugssteuern stelle sich so dar, dass der Leistungsempfänger von der Gegenleistung den Steuerabzug für den Leistenden einbehalte, weil dieser in eigener Person einen Besteuerungstatbestand erfülle und damit eine Steuer verwirkt habe. Den Einbehalt habe der Leistungsempfänger abzuführen. Hat er nicht einbehalten oder führt er nicht ab, trete seine Person an die Stelle des Steuerschuldners (des Leistenden) und er werde zum Haftenden, weil er die für den Leistenden zu erfüllenden Pflichten verletzt habe. Dementsprechend hafte beim Lohnsteuerabzugsverfahren der Arbeitgeber für Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen oder die er beim Lohnsteuerjahresausgleich zu Unrecht erstattet habe. Steuer sei die (Einkommen-) Steuer, die der Arbeitnehmer eigentlich in eigener Person entrichten müsste, weil er einen Einkünfteerzielungstatbestand verwirklicht habe. Nach § 44 Abs. 5 EStG hafte der Schuldner der Kapitalerträge für die Kapitalertragsteuer, die er einzubehalten und abzuführen habe. Dies wiederum sei die Steuer, die der Gläubiger der Kapitalerträge bei der Verwirklichung eines Eink ünftetatbestandes zu entrichten habe. Hiervon unterscheide sich der Abzugsbetrag beim Bausteuerabzug ganz wesentlich. Dem Gesetzeswortlaut des § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG nach hafte der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Abzugsbetrag sei dabei der Betrag, der von der Gegenleistung abzuziehen oder tatsächlich abgezogen worden sei und in beiden Fällen anzumelden oder zu entrichten sei. Es sei jedenfalls kein Betrag, den der Steuerschuldner als Steuer verwirkt habe, sondern immer der Betrag, der aus der Einbehaltung resultiere. Haftung für den Abzugsbetrag bedeute also gerade nicht Haftung für eine Steuer, da der Abzugsbetrag den Leistungsempfänger treffe, die Steuer aber den Leistenden. Der Begriff des Abzugsbetrags sei damit nicht identisch mit der Diktion in den Beispielen für Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer. Im letzteren spreche der Gesetzgeber zu Recht von der Steuer, für die gehaftet werde. Denn immer sei es die Einkommen- oder Kapitalertragsteuer, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung des Einkünftetatbestandes in der Person des Steuerschuldners verwirkt sei. Dem Abzugsbetrag entspreche vielmehr der Anmeldungsbetrag bei den übrigen Abzugssteuern. Dessen steuerrechtliche Natur sei geklärt; er sei ein Entrichtungsbetrag, den der Einbehaltende aufgrund des Einbehalts an den Fiskus abzuführen habe und deshalb anmelde. Es handele sich (auch hier) nicht um eine Steuer, sondern um eine reine Zahlungsschuld. Der in der Einspruchsentscheidung getroffenen Feststellung des Beklagten, beim Steuerabzug bei Bauleistungen handele es sich um eine Steuer im Sinne des § 3 AO, könne somit nicht gefolgt werden. Die Haftungsregelung über den Bausteuerabzug ordne zudem eine Haftung für eine origin är eigene Schuld des Leistungsempfängers an, da er den Bausteuerabzug einzubehalten und abzuführen habe. Wenn aber bereits eine ureigene Abführungspflicht bestehe (Schuldnerschaft), könne gleichzeitig nicht auch noch eine Haftung dafür bestehen. Die gesetzliche Anordnung über die Haftung für den Abzugsbetrag gehe somit ins Leere.
Ergänzend verweise er auf die Ausführungen in dem Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juli 2008 13 V 9389/07, DStRE 2008, 1449. Nach Ansicht des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg liege möglicherweise eine nach Art. 49, 50 des EG-Vertrags unzulässige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs vor. Der Bundesfinanzhofs (BFH) habe zwar mit seinem Beschluss vom 29. Oktober 2008 I B 160/08, BFH/NV 2009, 377 der Rechtsauffassung des Finanzgerichts widersprochen, jedoch sei er weiterhin der Auffassung, dass die Vorschriften der §§ 48 ff. EStG gemeinschaftsrechtswidrig seien.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid des Beklagten vom 13. März 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2008 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Das Gericht möge von Amts wegen prüfen, ob die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen sei. Ob die vorgenannten Vorschriften gegen den EG-Vertrag verstoßen würden oder verfassungswidrig seien, habe er nicht zu entscheiden.
Die Beteiligten haben gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Der Beklagte hat zu Recht den Haftungstatbestand des § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG durch den Haftungsbescheid vom 13. März 2008 geltend gemacht.
Die Haftung für den Abzugsbetrag ist in § 48a Abs. 3 EStG geregelt. Nach § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG haftet der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Nach § 48a Abs. 3 Satz 2 EStG haftet der Leistungsempfänger nicht, wenn ihm – was vorliegend nicht der Fall war – im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit er vertrauen konnte. Den Haftungsbescheid erlässt nach § 48a Abs. 3 Satz 4 EStG das für den Leistenden zuständige Finanzamt.
Hiervon ausgehend darf der Haftungstatbestand des § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG – entgegen der Ausführungen des Klägers – durch einen auf der Rechtsgrundlage des § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 191 Abs. 1 AO gestützten Haftungsbescheid, im Streitfall durch den Haftungsbescheid vom 13. März 2008, geltend gemacht werden. Denn die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Klägers durch einen Haftungsbescheid ergibt sich schon aus der Vorschrift des § 48a Abs. 3 Satz 4 EStG, der die Zuständigkeit für den Erlass eines solchen Haftungsbescheids regelt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2008 I B 160/08, BFH/NV 2009, 378). Zudem ist die Vorschrift des § 48a Abs. 3 EStG nach Ansicht des Senats als Verweisung auf die (allgemeine Haftungs-) Vorschrift des § 191 AO zu verstehen (vgl. so wohl auch Urteil des Finanzgerichts München vom 24. September 2009 7 K 1238/08, EFG 2010, 147; Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. Juli 2008 13 V 9389/07, DStRE 2008, 1449; ferner: Kaeser, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 48 Anm. A 4 und A 12; Gosch, in: Kirchhof EStG 10. Auflage 2011 § 48a Rz. 6; Apitz, in: Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 48a Anm. 11). Ebenso wie mit der Vorschrift des § 48a Abs. 1 Satz 3 EStG („Die Anmeldung des Abzugsbetrags steht einer Steueranmeldung gleich.“) auf die Vorschriften der AO zur Steueranmeldung (§§ 167, 168 AO) verwiesen wird, verweist § 48a Abs. 3 EStG, insbesondere § 48a Abs. 3 Satz 4 EStG, auf die Vorschriften der AO zum Haftungsbescheid (§ 191 AO). Aus diesem Grund kann im Streitfall daher auch die Frage, ob der Abzugsbetrag eine „Steuer im Sinne des § 3 Abs. 1 AO“ ist (vgl. Kaeser, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 48 Anm. A 4; Gosch, in: Kirchhof EStG 10. Auflage 2011 § 48 Rz. 2; Naujok, in: Lademann EStG § 48 Rz. 3; Druen, in: Tipke/Kruse AO/FGO § 3 AO Rz. 83; Birk Steuerrecht 14. Auflage 2011 Rz. 653), auf die § 191 AO unmittelbar anwendbar ist, oder zum Beispiel einen Zahlungseinbehalt mit Sicherungsfunktion darstellt (Loschelder, in: Schmidt EStG 31. Auflage 2012, § 48 Rz. 1; Diebold DStZ 2002, 252), auf den § 191 AO nicht unmittelbar anwendbar ist, dahingestellt bleiben (vgl. auch Rüsken, in: Klein, AO, 11. Auflage § 191 Rz. 10; andere Auffassung: Diebold DStZ 2002, 252 (259) und DStR 2002, 1336).
Der Haftungstatbestand des § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG ist im Streitfall auch erfüllt.
Der Abzugsbetrag, für den nach § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG gehaftet wird, bestimmt sich nach § 48 EStG. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG ist, wenn jemand im Inland eine Bauleistung (Leistender) an einen Unternehmer im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Leistungsempfänger) erbringt, der Leistungsempfänger verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15 Prozent für Rechnung des Leistenden vorzunehmen. Nicht vorgenommen werden muss der Steuerabzug nach § 48 Abs. 2 EStG, wenn der Leistende dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG vorlegt oder die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr die in § 48 Abs. 2 EStG genannten Beträge voraussichtlich nicht übersteigen wird. Das Verfahren, wie der Steuerabzug vorzunehmen ist, ist in § 48a EStG geregelt. Gemäß § 48a Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Leistungsempfänger bis zum zehnten Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Gegenleistung im Sinne des § 48 erbracht worden ist, eine Anmeldung nach amtlichen Vordruck abzugeben, in der er den Steuerabzug für den Anmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat. Die Anmeldung steht nach § 48a Abs. 1 Satz 3 EStG einer Steueranmeldung gleich. Der Abzugsbetrag ist am zehnten Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums fällig und an das für den Leistenden zuständige Finanzamt für Rechnung des Leistenden abzuführen (§ 48a Abs. 1 Satz 2 EStG).
Im Streitfall hatte N. gegenüber dem Kläger, einem Unternehmer im Sinne des § 2 UStG, Bauleistungen im Inland erbracht. Da die Ausnahmevorschrift des § 48 Abs. 2 EStG nicht einschlägig war, hatte der Kläger daher gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG für die in dem streitbefangenen Zeitraum von April 2005 bis Juli 2007 erbrachten Bauleistungen einen Steuerabzug in Höhe von insgesamt xx.xxx,xx EUR (15 % des Entgelts zuzüglich Umsatzsteuer – Bemessungsgrundlage gemäß § 48 Abs. 3 EStG) für Rechnung des N. vorzunehmen, diesen Betrag gemäß § 48a Abs. 1 EStG in Steueranmeldungen gegenüber dem Beklagten, dem ebenfalls für N. zuständigen Finanzamt, zu erklären und an ihn abzuführen. Diesen Verpflichtungen ist der Kläger nicht nachgekommen. Er hat mithin den Steuerabzug nicht ordnungsgemäß durchgeführt, so dass die Voraussetzungen des § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG vorlagen.
Dass der Beklagte neben dem Erlass eines Haftungsbescheids auch die Möglichkeit gehabt hätte, gegenüber dem Kläger gemäß § 167 Abs. 1 AO einen Nachforderungsbescheid zu erlassen, ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides unmaßgeblich. Denn der Gesetzgeber hat dem Beklagten nach der gesetzlichen Regelung des § 48a EStG insoweit ein Wahlrecht eingeräumt (vgl. u.a. Gosch, in: Kirchhof § 48a Rz. 6; Apitz, in: Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 48a Rz. 11). Der Kläger haftet – entgegen der Ausführungen des Klägers – im Übrigen auch nicht nur für eine eigene Schuld, sondern auch für eine Schuld des Leistenden, denn der Steuerabzug ist dem Grunde nach unlösbar verknüpft mit Abgabenansprüchen des Beklagten gegen den Leistenden N. (vgl. auch Ebling, in: Blümlich EStG § 48a Rz. 100; andere Auffassung: Diebold, DStR 2002, 1336). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dem Gesetzgeber für die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Anspruchsverwirklichung ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, den die Regelung des § 48a EStG nicht überschreitet.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten, den Kläger durch den Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, gibt keinen Anlass zu rechtlichen Beanstandungen. Ermessensfehler im Sinne von § 102 FGO liegen nicht vor.
Der Kläger kann sich im Streitfall auch nicht auf die Grundfreiheiten berufen. Denn es fehlt im Streitfall insoweit an dem notwendigen Auslandsbezug, einem grenzüberschreitenden Sachverhalt. Nach der ständigen Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch des BFH sind die Grundfreiheiten (u.a. die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) auf – wie im Streitfall – rein innerstaatliche Sachverhalte eines Mitgliedstaats nicht anwendbar (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 IX R 56/09, BFHE 231, 173, BStBl II 2011, 409; BFH-Urteil vom 15. Juli 2005 I R 21/04, BFHE 210, 43, BStBl II 2005, 716; Urteil des EuGH vom 26. Januar 1993 Rechtssache C-112/91 –Werner–, Slg. I-429, DB 1993, 359).
Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn man unterstellt, dass die Regelungen über den Steuerabzug für Bauleistungen gemeinschaftsrechtswidrig sind und Inländer, die sich – wie bereits ausgeführt – bezüglich reiner Inlandssachverhalte nicht auf die Grundfreiheiten berufen können, dadurch schlechter gestellt werden als EU-Ausländer (sog. umgekehrte Inländerdiskriminierung), würde dies nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes führen. Denn diese Ungleichbehandlung wäre nicht auf die Regelungen über den Bausteuerabzug und damit auf die deutsche Hoheitsgewalt, sondern auf die Gemeinschaftsrechtsordnung und damit auf eine Maßnahme eines vom nationalen Gesetzgeber abweichenden Hoheitsträgers zurückzuführen. Durch die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht geschaffene Ungleichbehandlungen rein innerstaatlicher Sachverhalte können insoweit aber nicht dem nationalen Gesetzgeber zugerechnet werden, da dieser lediglich gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen in die nationale Rechtsordnung zu übernehmen hat (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12. Januar 2012 I R 25/10, BFH/NV 2012, 871; BFH-Urteil vom 18. März 2009 I R 13/08, BFH/NV 2009, 1613; BFH-Urteil vom 15. Juli 2005 I R 21/04, BFHE 210, 43, BStBl II 2005, 716).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.