21.09.2012 · IWW-Abrufnummer 123121
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 22.06.2012 – 4 K 46/12
1. Es ist rechtlich unbedenklich, wenn eine Prüfungsanordnung nach § 2 SchwarzArbG erst unmittelbar vor dem Beginn der Prüfung bekannt gegeben wird.
2. Prüfungsanordnungen können auch ohne das Vorliegen bestimmter Verdachtsmomente erlassen werden.
3. Es ist unproblematisch, wenn Prüfungen aufgrund von bestimmten Hinweisen durchgeführt werden und wenn sich an eine Prüfung eines Arbeitnehmers nach § 2 SchwarzArbG, die Auffälligkeiten ergeben hat, eine weitere Prüfung nach § 2 SchwarzArbG mit einem erweiterten Prüfungsumfang bei dessen Arbeitgeber anschließt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Prüfungsanordnung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.
Die Klägerin betreibt eine Bäckerei. In der Gewerbeanmeldung ist ihre Tätigkeit beschrieben mit „Herstellung von ... (Industrie) sowie der Im- und Export mit Lebensmitteln”. Das Gewerbe wird in dieser Form seit ... 2009 ausgeübt.
Am 09.11.2007 kontrollierten Beamte des Hauptzollamts A ein Fahrzeug. Dessen Fahrer gab an, bei der Klägerin beschäftigt zu sein. Ein Abgleich seiner Angaben bei der Deutschen Rentenversicherung ergab, dass er nicht zur Sozialversicherung angemeldet war. Am 12.01.2011 erließ der Beklagte daraufhin eine Prüfungsverfügung gem. §§ 2 ff. SchwarzArbG. Am 10.08.2011 fand die Prüfung statt. Ausweislich der Sachakte und des Aktenvermerks vom 11.08.2011 wurden bei der Prüfung 7 Personen arbeitend angetroffen. Bei einer Überprüfung wurde festgestellt, dass 4 Personen nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung waren und sich eine Person außerhalb des r äumlichen Bereichs ihrer Duldung aufhielt. Gegen diese Personen wurde ein Bußgeldverfahren nach § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III eingeleitet.
Am 24.08.2011 legte die Klägerin gegen die Prüfungsverfügung vom 12.01.2011 Einspruch ein, den sie nicht begründete.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 als unzulässig zurückgewiesen, da die Prüfung beendet worden und die Prüfungsverfügung damit gegenstandslos geworden sei. Daher fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
Mit ihrer am 14.03.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Prüfungsverfügung sei rechtswidrig, weil sie ihr nicht zugestellt worden sei und sie auch nicht aufgefordert worden sei, der Anforderung durch Vorlage der zur Prüfung erforderlichen Unterlagen selbst nachzukommen. Das rechtliche Gehör sei verletzt worden. Durch die Aushändigung der Verfügung unmittelbar vor der Maßnahme werde die Einlegung eines Einspruchs unmöglich gemacht. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr.
Die Klägerin beantragt,
die Prüfungsverfügung vom 12.01.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 aufzuheben,
hilfsweise, festzustellen, dass die Prüfungsverfügung vom 12.01.2012 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Prüfung sei aufgrund der Einleitung des Ermittlungsverfahrens beendet worden. Daher sei auch die Beschwer weggefallen. Eine schriftliche Vorankündigung der Prüfung sei nicht erforderlich. Das Ausfertigungsdatum einer Prüfungsverfügung sei unerheblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist mit dem Hauptantrag unzul ässig (I.). Mit dem Hilfsantrag ist sie zulässig, aber unbegründet (II.).
I.
Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Prüfungsverfügung vom 12.01.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 begehrt, ist unzulässig. Nach der Durchführung der Prüfung hat sich die Prüfungsverfügung erledigt, damit ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.
II.
Mit dem Hilfsantrag ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 S. 4 FGO analog zulässig, da durch die Vornahme der Prüfung vor Klageerhebung Erledigung eingetreten ist. Wegen der Wiederholungsgefahr ist das Feststellungsinteresse zu bejahen.
Die Klage ist indes unbegründet. Die Prüfungsverfügung vom 12.01.2012 war rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Prüfungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG), der zwar nicht ausdrücklich zum Erlass einer Prüfungsanordnung ermächtigt, der jedoch die Prüfungsaufgaben der Zollverwaltung im Einzelnen auflistet und damit die Möglichkeit, eine solche Prüfung anzuordnen, gleichsam voraussetzt. Die angeordnete Prüfung dient ersichtlich der Erfüllung dieser Aufgaben, wie sich ausdrücklich aus der Prüfungsverfügung, die auf § 2 SchwarzArbG Bezug nimmt und diese Bestimmung inhaltlich wiedergibt, ersehen lässt. Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit unterliegt diese Prüfungsanordnung nicht.
Bereits die Kontrolle am 09.11.2010 mit dem anschließenden Abgleich der Daten bei der Deutschen Rentenversicherung, die die Behörden der Zollverwaltung bei ihren Prüfungen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 SchwarzArbG unterstützt, war eine Prüfung nach § 2 SchwarzArbG, gegen die sich die überprüfte Person nicht gewandt hat. Die streitgegenständliche Prüfung der Klägerin stellt ebenfalls eine Überprüfung nach § 2 SchwarzArbG dar.
Dass der Klägerin die an sie gerichtete schriftliche Prüfungsanordnung vom 12.01.2011 erst unmittelbar vor der Prüfung ausgehändigt wurde, ist nicht zu beanstanden. Zwischen der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und der Durchführung der Prüfung muss entgegen der Auffassung der Klägerin keine - wie auch immer im Einzelnen zu berechnende - Frist eingehalten werden. Mangels entsprechender Regelungen im SchwarzArbG ist es sogar zulässig, wenn die Prüfung - wie hier - unmittelbar nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erfolgt (FG Hamburg, Urteile vom 26.11.2008, 4 K 73/08 und vom 20.10.2010, 4 K 34/10; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.11.2009, 7 K 7024/07).
Die Vorschriften der Abgabenordnung über die Anordnung einer Außenprüfung mit den dort geregelten Formerfordernissen (§§ 196 ff. AO) kommen nicht zur Anwendung. Nach § 22 SchwarzArbG gelten zwar, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Abgabenordnung sinngemäß für das Verwaltungsverfahren der Behörden der Zollverwaltung nach diesem Gesetz, die Prüfung nach dem SchwarzArbG stellt jedoch keine Außenprüfung dar. Eine Außenprüfung ist nur die besonders angeordnete, in der Regel umfassende Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Besteuerung und für die Bemessung der Steuern maßgebend sind (Kruse in Tipke/ Kruse, § 171 AO, Rn. 32). Hierzu zählen nicht solche Prüfungen die sich nicht unmittelbar auf Steuern beziehen. Die Prüfungen nach § 2 SchwarzArbG dienen nicht unmittelbar dazu, steuerliche Sachverhalte zu ermitteln, wie sich aus dem Prüfungsaufgabenkatalog in § 2 SchwarzArbG ergibt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.11.2009, 7 K 7024/07, wonach die Prüfung nach § 2 SchwarzArbG eher einer Nachschau gemäß § 210 AO, denn einer Außenprüfung entspricht; FG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2010, 4 K 904/10 AO).
Gegen eine entsprechende Anwendbarkeit von §§ 196 ff. AO und insbesondere dagegen, eine schriftliche Bestimmung des Prüfungsbeginns bzw. die Einhaltung einer bestimmten Frist zwischen Bekanntgabe der Anordnung und Durchführung der Maßnahme zu verlangen, sprechen auch die mit einer Prüfung nach dem SchwarzArbG verfolgten Zwecke. Das Gesetz dient der Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit (§ 1 Abs. 1 SchwarzArbG). Letztlich geht es durch die Überprüfung um das Aufdecken illegaler Machenschaften. Eine längerfristige Vorankündigung würde diesem Zweck zuwiderlaufen. Zur Effektivität der Überprüfung ist es hilfreich, ein gewisses Überraschungsmoment zu nutzen und den zu Überprüfenden nicht die Möglichkeit zu geben, Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Katalog von § 2 SchwarzArbG zu verschleiern (so im Ergebnis m. w. N. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.11.2009, 7 K 7024/07). Die Gewährung einer längeren Ankündigungsfrist würde regelmäßig dem Prüfungszweck zuwiderlaufen. Dieser Gedanke findet sich im Übrigen auch in § 197 Abs. 1 AO, der die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung für entbehrlich erklärt, wenn der Prüfung dadurch gefährdet würde.
Aus diesem Grund war auch eine vorherige Anhörung der Klägerin entbehrlich, § 91 Abs. 3 AO. Der Klägerin wurde auch die Einlegung eines Einspruchs nach § 357 AO nicht unmöglich gemacht. Sie hätte unmittelbar nach Bekanntgabe der Prüfungsverfügung Einspruch einlegen können. Dass die Prüfung nach Einlegung eines Einspruchs möglicherweise gleichwohl auch bei gleichzeitiger Beantragung der Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO durchgeführt worden wäre, ändert nichts, da Einsprüche nach § 361 Abs. 1 AO die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts, hier also der Prüfungsverfügung, nicht hemmen. Auch ein Antrag nach § 361 Abs. 2 S. 1 AO führt für sich genommen noch nicht zur Aussetzung der Vollziehung. Die sofortige Vollziehbarkeit ist Verwaltungsakten im Anwendungsbereich der Abgabenordnung mithin immanent und gilt daher auch für eine Prüfungsverfügung nach § 2 SchwarzArbG. Keinesfalls hat die Klägerin daher einen Anspruch, dass die Prüfung etwa erst nach Bestandskraft der Prüfungsanordnung durchgeführt wird.
Da die Prüfungsverfügung sowohl den Inhaltsadressaten als auch den Ort der Prüfung präzise benennt, ist sie auch hinreichend bestimmt.
Der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung steht nicht entgegen, dass sie auf Veranlassung der am 09.11.2010 durchgeführten Überprüfung nach § 2 SchwarzArbG ergangen ist. Bei der Überprüfung nach § 2 SchwarzArbG handelt es sich nicht um eine Maßnahme der Strafverfolgung, sondern um eine präventive polizeiliche Maßnahme. Das SchwarzArbG bestimmt nicht, dass die Anordnung einer Prüfung vom Vorliegen bestimmter Verdachtsmomente abhängig ist, lässt also grundsätzlich auch verdachtsunabhängige Kontrollen zu (so auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.11.2009, 7 K 7024/07). Das schließt indes nicht aus, dass Prüfungen aufgrund von bestimmten Hinweisen durchgeführt werden, und dass sich an eine Prüfung nach § 2 SchwarzArbG, die Auffälligkeiten ergeben hat, eine weitere Prüfung nach § 2 SchwarzArbG mit einem erweiterten Prüfungsumfang anschließt.
Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfung im Streitfall unverhältnismäßig oder sonst sachwidrig gewesen sein könnte, sieht das Gericht indes nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.