14.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130497
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 10.10.2012 – 2 K 13307/10
1. Eine Buchführung entspricht den gesetzlichen Anforderungen nicht bereits dann nicht mehr, wenn sie lediglich kleinere formelle Mängel aufweist.
2. Stellt sich die Buchführung als formell ordnungsgemäß dar, kann das Ergebnis der Buchführung nur verworfen werden, wenn die Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist. Die objektive Beweislast trägt insoweit das FA.
3. Bei einem Reifenhändler, der vorrangig Bargeschäfte tätigt, können auf Grundlage einer Bargeldverkehrsrechnung Umsätze hinzugeschätzt werden.
4. Aus Angeboten eines solchen Gewerbetreibenden in Online-Portalen kann auf entsprechende steuerpflichtige Umsätze geschlossen werden.
5. Das Verschweigen umsatzsteuerpflichtiger Umsätze in den USt-Erklärungen ist bei einem Stpfl., der seine Steuererklärungspflichten kennt, als vorsätzliche Steuerhinterziehung zu werten.
Niedersächsisches Finanzgericht v. 10 . 10 .2012
2 K 13307/10
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die nach einer Steuerfahndungsprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheide.
Er betrieb in den Streitjahren einen Reifenhandel und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er tätigte überwiegend Bargeschäfte und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Seine Ehefrau, mit der er gemeinsam in den Streitjahren in einer angemieteten Wohnung lebte, war nicht berufst ätig; sie arbeitete unentgeltlich im Betrieb des Klägers mit. Nach einem Umzug in 2005 zahlte der Kläger jeweils 620 € Monatsmiete bar an den Vermieter; Nebenkosten hatte er jedenfalls teilweise selbst gesondert zu tragen.
Für die Streitjahre reichte der Kläger jeweils Umsatzsteuererklärungen ein und erklärte hierin folgende Bemessungsgrundlagen BMG (Umsätze, ab 2006 auch unentgeltliche Wertabgaben), sich hieraus ergebende Umsatzsteuer (USt) zum jeweiligen Regelsteuersatz und Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen anderer Unternehmer (VSt) und meldete die verbleibenden (festzusetzenden) Umsatzsteuern (fUSt) an:
Jahr/2002/2003/2004/2005/2006/2007/2008
BMG/28.398,00 €/28.975,00 €/27.965,00 €/14.810,00 €/14.137,00 €/11.137,00 €/11.871,00 €
USt/4.543,68 €/4.693,69 €/4.474,41 €/2.369,67 €/2.261,93 €/2.116,15 €/2.255,49 €
VSt/2.650,54 €/1.680,77 €/1.783,76 €/813,27 €/524,03 €/960,05 €/482,69 €
fUSt/1.893,14 €/3.012,92 €/2.690,65 €/1.556,40 €/1.737,90 €/1.156, 10 €/1.772,80 €
Für 2003 erließ der Beklagte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung am 25. Februar 2005 einen Umsatzsteuerbescheid, in dem er den erklärten Umsätzen 360 € als Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben (Lieferungen nach § 3 Abs. 1b UStG) hinzu rechnete. Eine Änderung der angemeldeten Steuer und Abschlusszahlung ergab sich nicht; der Kläger hatte die sich unter Einrechnung dieser Summe in die Bemessungsgrundlage ergebene Steuer von 4.693,69 € angemeldet und offenbar nur vergessen, die Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertangaben in das Erklärungsformular einzutragen.
Am 11. Januar 2010 leitete das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein und führte eine Steuerfahndungsprüfung durch, in deren Verlauf die Geschäftsräume und die Wohnung des Klägers durchsucht wurden. In einem mit einem Zahlenschloss gesicherten, nicht fest eingebauten, Tresor in der Wohnung des Klägers fanden die Steuerfahnder unter anderem Bargeld in Höhe von 32.950 €, teilweise lose, teilweise in einer Geldtasche und teilweise in einem Umschlag.
Die Steuerfahnder gelangten letztlich zu dem Ergebnis, dass der Kläger und seine Ehefrau ihren Lebensunterhalt nicht von den im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung erklärten Betriebseinnahmen hätten bestreiten können. Sie erstellten eine, auf den privaten Bereich beschränkte Bargeldverkehrsrechnung. Hierbei wurde der insgesamt für die Jahre 2002 bis 2008 errechnete Ausgabenüberhang von 136.000 € unter anderem um das im Tresor aufgefundene Bargeld erhöht und insgesamt in gleichen Anteilen auf die einzelnen Jahre verteilt. So ergab sich für die Streitjahre ein Ausgabenüberhang von jeweils 27.000 €, weswegen von (abgerundet) 2.000 € monatlich nicht erklärter Brutto-Betriebseinnahmen ausgegangen wurde. Der ohne die Hinzurechnungen des Tresorinhalts und anderer Beträge für die einzelnen Streitjahre errechnete Ausgabenüberhang betrug 2002 47.000 €, 2003 16.252 € und 2004 14.501 €.
Die Fahnder sahen auch die Buchführung des Klägers als nicht ordnungsgemäß an, weil insbesondere keine Verbuchung von Reifeneinkäufen – bei einem Lagerbestand von jedenfalls mehr als 3.000 neuen und runderneuerten Reifen – als Betriebsausgaben erfolgt sei und setzten daher im Rahmen der vorgenannten Geldverkehrsrechnung auch, sodann anteilig auf die Jahre 2002 - 2008 aufgeteilte, Anschaffungskosten für 1.000 Reifen von je 25 € je St ück an.
Der Beklagte folgte mit den zunächst angefochtenen Steuerbescheiden vom 7. April 2010, die er auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stütze, zunächst in vollem Umfang den der Berechnung der Steuerfahndung. Er erhöhte für die Streitjahre 2002 bis 2006 die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer um 20.689 € (Brutto-Hinzuschätzungssumme ./. 16% USt). Mithin ergaben sich folgende Bemessungsgrundlagen, Umsatzsteuern und Steuernachforderungen (Nfdg.), wobei die abziehbaren Vorsteuern aus Rechnungen anderer Unternehmer gegenüber den Steuererklärungen des Klägers unverändert blieben:
Jahr/2002/2003/2004/2005/2006
BMG/49.087,00 €/50.024,00 €/48.654,00 €/35.499,00 €/34.826,00 €
USt/7.853,92 €/8.003,84 €/7.784,64 €/5.679,84 €/5.572,16 €/
Nfdg./3.310,13 €/3.310,15 €/3.310,23 €/3.310,17 €/3.310,23 €
Für die Jahre 2007 und 2008 erhöhte der Beklagte dementsprechend im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 erfolgte Erhöhung des Umsatzsteuersatzes die Bemessungsgrundlage um jeweils 20.168 € (Brutto-Schätzung ./. 19% USt.). Für 2007 übernahm der Beklagte hierbei einen Schreibfehler im Fahndungsbericht, der Umsätze von 10 .077 € statt der erklärten 10 .777 €, so dass sich unter Berücksichtigung der unentgeltlichen Wertabgaben von jeweils 360 € in den Bescheiden vom 7. April 2010 folgende Beträge ergaben:
Jahr/2007/2008
BMG/30.605,00 €/32.039,00 €
USt/5.814,95 €/6.087,41 €
Nfdg./3.698,80 €/3.831,92 €
Gegen diese Steuerbescheide legte der Kläger jeweils Einspruch ein. Der Beklagte wies die Einsprüche zurück. Er führte zur Begründung aus, dass nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung ein ungeklärter Vermögenszuwachs vorliege, der nach einer Vermögenszuwachsrechnung im Hinblick auf die formell und sachlich nicht ordnungsgemäße Buchführung zu schätzen sei. Es sei davon auszugehen, dass höhere Privateinnahmen erzielt und höhere Privatentnahmen getätigt worden seien, als gebucht. Dementsprechend sei auch eine Geldverkehrsrechnung möglich. Der Kläger habe auf den hohen Fehlbetrag in Höhe von 136.000 € nicht aufklären können, weswegen zu vermuten sei, dass er einen Teil der Einnahmen aus seinen Bargeschäften nicht versteuert habe. Niemand könne mehr Geld ausgeben, als er aus seinen steuerpflichtigen und sonstigen Quellen zur Verfügung habe. Dass es sich, wie der Kläger behaupte, bei dem Tresorgeld um von der Sparkasse abgehobene Gelder handele, könne nur als Schutzbehauptung angesehen werden. Der Kläger habe die Herkunft des Geldes bis heute nicht nachweisen können. Zudem sei es nicht glaubhaft, dass als Altersvorsorge angelegte Gelder von der Sparkasse abgehoben und unverzinst in den Tresor gelegt würden. Dies sei lebensfremd und vor dem Hintergrund angeblicher Verärgerung über zu niedrige Zinsen bei der Sparkasse unlogisch. Auch angeblich von seinem Sohn gezahlte Beträge habe der Kläger nicht nachweisen können. Bei den im Tresor vorgefundenen Geldern dürfte es sich vielmehr um schwarz vereinnahmte Betriebseinnahmen handeln.
Mit der Klage wandte sich der Kläger weiter gegen die Änderungsbescheide vom 7. April 2010 und trug zur Klagebegründung vor, dass die Folgerung des Beklagten, dass jemand, der Bargeld aufbewahre und über bestimmte Dinge nicht Buchführe, Schwarzgeschäfte erwirtschaftet haben müsse unberechtigt sei. Für die Existenz von Bargeld gebe es auch zahlreiche andere Gründe. Der Kläger sei es eben leid gewesen, die Geschäfte der Bank weiter mitzumachen, der er ursprünglich seine Ersparnisse anvertraut habe. Hierfür habe es jedoch keine bzw. kaum Habenzinsen gegeben, wohl aber seien Gebühren angefallen. Dementsprechend habe er einen Betrag in Höhe von 22.800 DM von seinem Sparbuch in bar abgehoben und um das Geld in seinen Tresor zu verwahren und schon zuvor einen Betrag in Höhe von 30.000 DM. Weitere Beträge seien in den Tresor gelangt, weil sein Sohn lange Zeit bei ihm gewohnt und hierfür Kostgeld in Höhe von monatlich 150 € 200 € gezahlt habe. Auch diese Beträge seien im Tresor verwahrt worden.
Im Übrigen sei der Kläger Spieler und beim Pokern oft der Gewinner. Insoweit hat er in der Klagebegründung Beweis durch noch zu benennende Mitspieler angeboten. Diese Beweisantritte sind nie konkretisiert worden.
Ferner hat er auf seine im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung verwiesen. In späteren Schriftsätzen hat der Kläger vorgetragen, er sei beim Spielen geschickt. Er könne besser als andere Zeitgenossen den Lauf der Roulettekugel berechnen. Im Rahmen der vorgenannten Betriebsprüfung habe er sich daher mit dem damaligen Prüfer dann auch verständigt, dass jährlich 6.000 DM Spielgewinne anzusetzen seien.
Ferner hat der Kläger vorgetragen, dass auch aus der fehlenden Buchführung keine Rückschlüsse zu seinem Nachteil gezogen werden könnten. Es liege nahe, dass nichts gebucht werde, wo nichts zu buchen sei. Reifenhändler würden beim Reifenwechsel oft Reifen entsorgen, die noch ausreichende Profiltiefe auswiesen. Dort habe er kostenlos, mit Hilfe seiner Ehefrau, Reifen eingesammelt und diese an einen russischen Abnehmer, dessen Namen er nicht näher benennen könne, im Austauschwege weiter gereicht. In seinem Reifenlager würden sich ferner Reifen unterschiedlichster Herkunft befinden, auch welche die er für Kunden aufbewahre.
Des Weiteren übersehe der Beklagte, dass die Umsätze aus seinem Reifenhandel zurückgingen. Hieraus könne man auch nicht auf Schwarzgeschäfte schließen. Letztendlich sei er zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden. Zudem sei er unter die Kleinunternehmerregelung gefallen, weswegen er weder Mehrwertsteuer zu berechnen hatte noch Vorsteuerabzüge durchführen konnte.
Auf Veranlassung der damaligen Berichterstatterin erstellte die Gerichtsprüferin eine Stellungnahme zum Verfahren und insbesondere zu der von der Steuerfahndung durchgeführten Geldverkehrsrechnung. Auf Anregung des erkennenden Einzelrichters erließ der Beklagte am 18. September 2012 unter Zugrundelegung der Stellungnahme der Gerichtsprüferin, die zu insgesamt geringeren Ausgabenüberschüssen kam, geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 – 2008 mit folgenden Werten:
Jahr/2003/2004/2005/2006/2007/2008
BMG/43.128,00 €/39.171,00 €/25.154,00 €/29.654,00 €/20.380,00 €/26.997,00 €
USt/6.900,48 €/6.267,36 €/4.024,64 €/4.744,64 €/3.872,20 €/5.129,43 €
VSt/1.680,77 €/1.783,76 €/813,27 €/524,03 €/960,05 €/482,69 €
fUSt/5.219,71 €/4.483,60 €/3.211,37 €/4.220,61 €/2.912,15 €/4.646,74 €
Entsprechend den Ausführungen der Gerichtsprüferin hat der Beklagte gegenüber den ursprünglichen Steueranmeldungen die Bemessungsgrundlage 2003 um 13.793 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 16 T€), 2004 um 11.206 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 13 T€), 2005 um 10 .344 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 12 T€), 2006 um 15.517 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 18 T€), 2007 um 9.243 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 11 T€) und 2008 um 15.126 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 18 T€) erhöht. In den Jahren 2007 und 2008 beinhaltet diese Schätzung die Annahme von Gewinnen aus Kraftfahrzeugverkäufen über Online-Angebote auf Grundlage von Erkenntnissen einer Ermittlungsgruppe in Höhe von 6.000 bzw. 2.000 € brutto.
Gegen diese Änderungsbescheide legte der Kläger beim Beklagten Einspruch ein.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2008 vom 7. April 2010, hinsichtlich der Jahre 2003 bis 2008 unter Einschluss der geänderten Bescheide vom 18. September 2012 aufzuheben, so dass sich die Steuerfestsetzung wie in den ursprünglichen Steueranmeldungen bzw. bescheiden für die Streitjahre ergibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält grundsätzlich an den Ausführungen in dem Einspruchsbescheid fest und verweist ergänzend darauf, dass unklar sei, wie die nach Behauptung des Klägers in den Tresor gelegten DM-Beträge €-Beträge geworden seien und es unglaubhaft sei, dass diese dort 10 Jahre zinslos belassen worden seien.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. August 2012 dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Gründe
I.
Die hinsichtlich der Streitjahre 2003 bis 2008 geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 18. September 2012 sind gemäß § 68 FGO kraft Gesetzes Verfahrensgegenstand geworden. Insoweit ist der Senat auch durch die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche an einer Sachentscheidung gehindert. Die Einsprüche sind unzulässig und unbeachtlich (§ 68 S. 2 FGO).
II.
Die Klage gegen diese Bescheide und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 7. April 2010 ist nur im Hinblick auf den Umsatzsteuerbescheid 2005 in geringem Umfang begründet. Im Übrigen verletzten die verfahrensgegenständlichen Steuerbescheide den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Der Beklagte ist in den angefochtenen Bescheiden zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aus dem Reifenhandel höhere, steuerpflichtige Umsätze erzielt haben muss, als er (auch) in den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre angegeben hat.
1. Die Besteuerungsgrundlagen waren zu schätzen.
a) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 zugrunde gelegt werden (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO). Nach § 158 AO ist die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechende Buchführung der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
Eine Buchführung entspricht den Anforderungen der §§ 140 bis 148 AO nicht bereits dann nicht mehr, wenn sie lediglich kleinere formelle Mängel aufweist. Vielmehr kommt es auf das sachliche Gewicht der Mängel und die Frage an, ob die materielle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung durch die formellen Mängel wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 26. August 1975, VIII R 109/70, BStBl. II 1976, 210).
Stellt sich die Buchführung hingegen als formell ordnungsgemäß dar, kann das Ergebnis der Buchführung nur dann ganz oder teilweise verworfen werden, wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass die Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das Finanzamt ( BFH-Urteil vom 26. Juni 1997, VIII R 9/96 , BStBl. II 1998, 51 m.w.N.). Bloße Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung reichen daher nicht aus (BFH-Urteil vom 9. August 1991, III R 129/85, BStBl. II 1992, 55).
Die sachliche Richtigkeit der Buchführung ist insbesondere dann widerlegt, wenn die Finanzbehörde nachweist, dass einzelne Geschäftsvorfälle nicht oder sachlich unrichtig dargestellt sind (Cöster, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl. 2009, § 158 Rn. 13). Der Nachweis der sachlichen Unrichtigkeit kann auch durch eine Schätzung in Form der Nachkalkulation erbracht werden. Dies ist unter anderem dann möglich, wenn die Behörde durch eine solche Kalkulation belegen kann, dass keine Beträge für auch nur eine bescheidene Lebensführung verbleiben (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1993 X R 12/89, BFH/NV 1994, 766).
b) Eine entsprechende Nachkalkulation ist auch dadurch möglich, dass – wie hier – eine Gegenüberstellung der dem Kläger und seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau in den Streitjahren zur Verfügung stehenden Geldbeträge und den Aufwendungen, die sie insbesondere für ihre Lebenshaltung hatten (sogenannte Bargeldverkehrsrechnung) durchgeführt wird. Diese Variante der privaten Geldverkehrsrechnung ist eine geeignete Methode, um die sachliche Richtigkeit einer formell ordnungsgemäßen Buchführung zu überprüfen (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juli 1991 XI R 27/89, BFH/NV 1991,796, 28. Mai 1986 I R 265/83, BStBl. II 1986, 732 und vom 28. Januar 2009 X R 20/05, BFH/NV 2009, 912ff. m.w.N.).
Die Bargeldverkehrsrechnung ist eine Ausgaben-Deckungsrechnung, in der die bekannten Barmittel den barausgaben gegenüber gestellt werden, die dem Steuerpflichtigen zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten (privater Konsum, private Geldanlagen) zu bestreiten. Tätigt der Steuerpflichtige höhere Barausgaben, als ihm aus den bekannten und vorhandenen Mitteln möglich sind, muss er den Unterdeckungsbetrag (Ausgabenüberhang) aus anderen steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Quellen bezogen haben (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1988 IV R 150/86, BFH/NV 1989, 416 und v.g. BFH-Urteile vom 25. Juli 1991 und 28. Januar 2009 m.w.N.).
Diesbezüglich kann auch der Senat im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht und der hieraus folgenden eigenen Sch ätzungsbefugnis eine eigene Bargeldverkehrsrechnung durchführen und ist nicht darauf beschränkt, die von der Steuerfahndung vorgenommene und vom Beklagten übernommene Geldverkehrsrechnung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO, vgl. vorgenannte BFH-Urteile vom 28. Mai 1986, 24. November 1988 und vom 28. Januar 2009).
c) Die von der Steuerfahndung durchgeführte Geldverkehrsrechnung weist einige methodische Fehler auf, so dass der Senat ihr nicht zu folgen vermag.
Zum einen ist es ersichtlich falsch, den die methodentechnisch durchaus zutreffende Gegenüberstellung der bekannten Einnahmen und Ausgaben eines Kalenderjahres und die sich hieraus jährlich ergebenen Ausgabenüberhänge aufzusummieren und sodann in gleichen Jahresbeträgen auf die einzelnen Jahre zu verteilen. Denn ein Ausgabenüberschuss in einem Jahr gibt für die Folgejahre nichts her und die gleichmäßige Aufteilung aus dem mehr oder minder willkürlich gewählten Überprüfungszeitraum führt, wie auch das weitere Verfahren zeigt, zu unrichtigen Ergebnissen und steht im Widerspruch mit dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung.
Zum anderen ist es für eine richtige Geldverkehrsrechnung auch erforderlich, einen Bargeldanfangsbestand zu ermitteln, gerade dann, wenn der aufgefundene Bargeldbestand komplett zu den unerklärten, mutmaßlich steuerpflichtigen Einnahmen gezählt werden soll (vgl. vorgenannte BFH-Urteile vom 28. Mai 1986, 25. Juli 1991 und vom 28. Januar 2009).
Auch dem Ansatz von Betriebsausgaben für den Erwerb von 1.000 Reifen vermag der Senat jedenfalls auf Grundlage des bisherigen Sach und Streitstandes nicht zu folgen. Zum einen ist das diesbezügliche Vorbringen des Klägers zum kostenlosen Erhalt zahlloser Reifen nicht ganz fernliegend und nicht ohne entsprechende Beweisaufnahme widerlegbar. Zum anderen wäre eine methodisch zutreffende Schätzung entsprechender Betriebsausgaben letztlich nur dann möglich, wenn hinsichtlich des festgestellten Reifenbestandes näher geklärt werden würde, welche Reifen welcher Herkunftsquelle (Verwahrung für Kunden, mutmaßlicher entgeltlicher Erwerb, plausibler unentgeltlicher Erwerb) zuzuordnen sind und vor allem in welchen Jahren sie (mutmaßlich) erworben worden sind. Auf diese Jahre wären entsprechende Schätzungen von bar geleisteten Betriebsausgaben dann aufzuteilen. Für länger zurückliegende Zeiträume, hinsichtlich derer 2010 keine (nennenswerten) Reifenbestände mehr vorhanden waren, könnten dann möglicherweise die so gewonnene Schätzungsgrundlagen übernommen werden.
d) Angesichts des vergleichsweise geringen Betrages, der für den Erwerb von 1.000 Reifen angesetzt wurde und der nunmehr zu Gunsten der Kläger geänderten Bescheide für die Jahre ab 2003 bedarf es aber keiner weitergehenden Sachverhaltsaufklärung durch den Senat.
Die verbliebenen Hinzuschätzungen erweisen sich auch ohne Ansatz von Betriebsausgaben für Reifenankäufe dem Grunde nach – und auch weitgehend der Höhe nach – als zutreffend, so dass zugleich auch die Berechtigung des Beklagten bestand, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Die Buchführung des Klägers ist sachlich unrichtig:
aa) Der Senat geht davon aus, dass der Kläger zum Anfang des Jahres 2002 einen Bargeldbestand in Höhe von etwa 14.000 € im Tresor zur Verfügung hatte.
(1) Dem Vorbringen des Klägers zur entsprechenden „Einlage” des abgehobenen Bargeldbetrag von 22.800 DM ist im Ergebnis zu folgen. Es ist nicht feststellbar, dass dieser Betrag, der etwa 11.500 € entspricht, anderweitig genutzt wurde. Dass dieser Betrag, wie in der Stellungnahme der Gerichtsprüferin zur Anlage eines Festgeldkontos diente, ist nicht zur Überzeugung des Senats feststellbar. Der angelegte Betrag von 12.873,37 € (= 25.178,12 DM) differiert von dem Abhebungsbetrag und der zeitliche Zusammenhang ist angesichts des Zeitraums von mehr als einem Monat zwischen Abhebung und Festgeldanlage nicht so eng, dass hieraus vom Vorbringen der Kläger abweichende Schlüsse gezogen werden könnten. Bei Abhebung eines erheblichen Bargeldbetrages vom Sparbuch zum Zwecke der zinsbringenden Festgeldanlage dürfte es grundsätzlich nahe liegen, eine entsprechende Anlage sehr zeitnah durchzuführen. Es gibt für das Jahr 2001 zudem nur punktuelle Erkenntnisse zu den dem Kläger und seiner Ehefrau zur Verfügung stehenden Barmittel, so dass die Festgeldanlage möglicherweise auch aus anderen Mitteln als der Abhebung hätte bestritten werden können.
Dem Vorbringen des Klägers kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass unklar sei, wie aus dem 2001 – vor Einführung des €-Bargeldes zum 1. Januar 2002 – zwangsläufig in DM abgehobenen Betrag von 22.800 DM €-Bargeld geworden sei. Allgemeinbekannt war der Umtausch von DM-Beträgen in €-Beträgen bei jedem Kreditinstitut möglich sowie bis heute kostenfrei bei jeder Filiale der Bundesbank, so dass ein entsprechender Umtausch (gegebenenfalls auch in Teilbeträgen) zwischen dem 1. Januar 2002 und dem Auffinden des €-Betrages mehr als acht Jahre später problemlos möglich war und jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann.
(2) Zu einem so annehmbaren Tresorbestand von 11.500 € dürfte ein Haushaltsbetrag des Sohnes des Klägers hinzukommen (nach dem – insbesondere zur zeitlichen Zugehörigkeit seines Sohnes zu seinem Haushalt sehr vagen – Vorbringen des Klägers bis zu 2.400 € im Jahr), so dass der Senat insgesamt von etwa 14.000 € ausgeht.
(3) Der weitere DM-Betrag in Höhe von 30.000 DM, den der Kläger nach seiner Behauptung zur Begründung des vorgefundenen €-Bestandes im Tresor durch Abhebung von seinem Sparbuch eingelegt haben will, ist jedoch nicht als Anfangsbestand zu berücksichtigen. Aus der vorgelegten Ablichtung des Sparkontos ergibt sich schon, dass dieser Betrag gar nicht bar abgehoben worden ist. Denn anders als bei dem Betrag von 22.800 DM und anderen Abhebungen von diesem Sparbuch ist der Abgang dieses Betrag nicht mit dem Kürzel „bar” gekennzeichnet, sondern mit dem Kürzel „ueb”. Dieses Kürzel steht zwar fraglos nicht für Überweisung, weil allgemein bekannt ist, dass von Sparkonten nicht überwiesen werden kann. Dieses Kürzel lässt sich aber zwangslos als Übertrag erklären.
Es handelt sich hierbei zur vollen Überzeugung des Senats um den Übertrag dieses Betrages von dem Sparkonto auf ein am allgemeinen Überweisungsverkehr teilnehmendes anderes (Geschäfts )Konto des Klägers, im Ergebnis um einen Betrag zur Finanzierung der Anschaffung des Betriebsgrundstücks.
Hierfür spricht nicht nur das Kürzel, sondern der gerichtsbekannte Umstand, dass Geldbeträge auch von Sparkonten unbar auf andere, bei dem selben Kreditinstitut geführte Konten übertragen werden, in dem der der Betrag einfach ohne Barauszahlung umgebucht wird. Ferner entspricht dieser Befund den Umständen der Anschaffung des Betriebsgrundstückes, die allesamt in der beigezogenen Akte der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 dokumentiert sind:
Von dem vertraglich vereinbarten Grundstückskaufpreis in Höhe von 85.000 DM sind 60.000 DM durch ein Darlehen finanziert worden. Auch der Restbetrag und Erwerbsnebenkosten wie Notargebühren sind entsprechend dem Vorbringen des Klägers nicht in bar finanziert worden, sondern durch den vorgenannten, vom Sparbuch übertragenen Betrag. Nach dem notariell beurkundeten Kaufvertrag war das Grundstück dem Kläger bei Kaufpreiszahlung zu übergeben und diese Zahlung hatte nicht sofort zu erfolgen, sondern war zwei Wochen nach bestimmten notariellen Mitteilungen auf das Konto des Verkäufers zu leisten. Praktisch zeitgleich zur gebuchten Übertragung der 30.000 DM vom Sparbuch ist das Grundstück buchhalterisch beim Kläger als Betriebsvermögen erstmals erfasst worden (12. Oktober 1999). Auch der Darlehensvertrag war ersichtlich auf eine Anschaffung des Grundstückes zum Herbst hin gerichtet; die Darlehensgeberin war erst ab 1. Oktober 1999 berechtigt, Bereitstellungszinsen zu erheben. Das Darlehen ist auch ausweislich des Darlehenskontoauszuges ebenfalls am 12. Oktober 1999 valutiert worden. Zugleich sind 30.000 DM als Einlage gebucht worden.
bb) Dem so errechneten Bargeld oder Tresoranfangsbestand zum 1. Januar 2002 sind anhand der eingeholten Kontoauskünfte (Beiakte Kontoauskünfte) und den detaillierten Aufstellungen in der Ablichtung der nicht foliierten (neuen) Bp.-Arbeitsakte die verbuchten Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 28.264 € hinzurechnen sowie die Abhebungen von Bankkonten des Klägers in Höhe von 14.183 €; hinzu kommt eine Abhebung von 2.700 € vom Sparbuch der Klägerin. Hinzurechnen ist noch ein Haushaltsbeitrag des Sohnes in Höhe von bis zu 2.400 €, so dass sich insgesamt verfügbare (Bar )Geldbeträge in Höhe von 61.547 € ergeben.
Hiervon sind die nach den vorgenannten Unterlagen feststellbaren Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 51.245 €, die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 3.351 € zzgl. der ebenfalls bar eingezahlten Darlehenssondertilgung von 2.550 € abzusetzen. Zwangsläufig kommen Aufwendungen für den Lebensunterhalt sowie die Miete für die damals angemietete Wohnung des Klägers und seiner Ehefrau sowie des bei Leisten eines entsprechenden Beitrages ersichtlich zum Haushalt gehörenden Sohns hinzu. Diese Ausgaben sind zu schätzen; auch hinsichtlich der Mietzinszahlungen dieser Wohnung liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Der Senat folgt hierbei den – so auch von keinem Beteiligten in Abrede gestellten – schlüssigen Überlegungen in der auf Veranlassung der damaligen Berichterstatterin zur Geldverkehrsrechnung und den weiteren Erkenntnissen der Steuerfahndung verfassten Stellungnahme der Gerichtsprüferin. Danach ist nach den auch nach der Rechtsprechung (vgl. v. g. BFH-Urteil vom 25. Juli 1991 im Zweifel zugrunde zu legenden Berechnungen eines statistischen Landesamtes 2002 für die Warmmiete eines (bescheidenen) Dreipersonenhaushalt von jedenfalls 600 € (= 7.200 € jährlich) und monatlichen Lebenshaltungskosten von 1.070 € auszugehen, von denen die unbar in Höhe von etwa 170 € geleisteten Aufwendungen (Telefon, EC-Karten-Einkäufe) abzusetzen sind (= per saldo 10 .800 € jährlich). Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 75.146 € auszugehen.
Da der Tresoranfangsbestand nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht zur Deckung laufender Kosten genutzt wurde, sondern im Tresor verblieb und durch den Haushaltsbetrag des Sohnes erhöht wurde, ist den Aufwendungen ein so verbleibender Bargeld oder Tresorschlussbestand zum 31.12.2002 in Höhe von 16.400 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich insgesamt 91.546 € ergeben. Mithin ergibt sich ein Ausgabenüberhang von 29.999 € und damit noch deutlich über der vom Beklagten angesetzten Höhe.
cc) 2003 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 29.967 € verbucht und von Bankkonten 430 € abgehoben, so dass sich unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 16.400 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes insgesamt verfügbare Bargeldbeträge in Höhe von 49.197 € ergeben.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 23.200 €, die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 2.509 € zzgl. der ebenfalls bar eingezahlten Darlehenssondertilgung von 2.500 € abzusetzen.
Entsprechend der Ausführungen unter bb) geht der Senat auch für 2003 davon aus, dass die Mietaufwendungen 7.200 € betragen haben. Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung (Erhöhung des vom Bundesamt für Statistik errechneten Lebenshaltungskostenindexes um 1% gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 10 .900 € erhöht haben. Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 46.309 € auszugehen. Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von 18.800 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich ein Ausgabenüberhang von 15.912 € ergibt, der der vom Beklagten angesetzten Hinzuschätzung von 16.000 € praktisch entspricht.
dd) 2004 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 30.495 € verbucht und von Bankkonten 500 € abgehoben, so dass sich unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 18.800 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes sich insgesamt verfügbare (Bar )Geldbeträge in Höhe von 52.195 € ergeben.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 24.100 €, die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 956 € abzusetzen. Eine Sondertilgung auf das Darlehen ist nicht erfolgt.
Entsprechend der Ausführungen unter bb) geht der Senat auch für 2004 davon aus, dass die Mietaufwendungen 7.200 € betragen haben. Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 1,7% gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 11.100 € erhöht haben. Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 43.356 € auszugehen. Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von 21.200 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich ein Ausgabenüberhang von 12.361 € ergibt.
Die etwas höhere Schätzung des Beklagten in Höhe von weiteren 13.000 € Brutto-Betriebseinnahmen ist mit diesem Ergebnis noch zu vereinbaren. Die vorgenommene Bargeldverkehrsrechnung beruht teilweise auf vorsichtigen Schätzungen und es ist anerkannt, dass Schätzungen bis zum oberen Schätzungsrahmen möglich sind, also die mit der Schätzung verbundenen Unsicherheiten auch zu Lasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden können und bei einer ordnungsgemäßen Schätzung sogar noch ein Sicherheitszuschlag möglich ist (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., Rz. 38 zu § 162 m.w.N.).
ee) 2005 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 15.402 € verbucht. Von Bankkonten hat er insgesamt 13.015 € abgehoben. Hiervon sind insgesamt 8.945 € vom später geschlossenen Konto 2.. abgehoben worden und sodann insgesamt 4.000 € vom dortigen Konto 1.., auf das der Schlusssaldo des Kontos 2.. überwiesen worden war. Der geringe Restbetrag von 70 € ist vom Konto 4.. abgehoben worden. Unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 21.200 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes ergeben sich insgesamt verfügbare (Bar )Geldbeträge in Höhe von 52.017 €.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 17.150 € und die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 484 € abzusetzen. Eine Sondertilgung auf das Darlehen ist nicht erfolgt.
Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 1,5% gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 11.250 € erhöht haben. Entsprechend den, insoweit von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellten, Ausführungen der Gerichtsprüferin dürften sich die Mietaufwendungen auf etwa 7.500 € erhöht haben. Für die neue Wohnung waren allein 620 € monatlich an den Vermieter zu zahlen; hinzu kommen bar geleistete Nebenkosten, weil nur die Stromkosten vom Bankkonto abgebucht wurden. Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 36.384 € auszugehen. Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von 23.600 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich ein Ausgabenüberhang von 7.967 € ergibt.
Mit diesem errechneten Ausgabenüberhang ist die vom Beklagten in dem Änderungsbescheid vom 18. September 2012 vorgenommene Hinzuschätzung eines Brutto-Betrages von 12.000 € auch unter Berücksichtigung von Unsicherheitszuschlägen der Höhe nach nicht mehr zu vereinbaren. Sie berücksichtigt – entsprechend der Stellungnahme der Gerichtsprüferin – nicht, dass von dem Konto 2.. insgesamt 8.945 € und nicht nur 4.945 € abgehoben worden sind.
Der Senat hält daher nur eine Hinzuschätzung von 8.000 € Brutto-Betriebseinnahmen angemessen; die hieraus zu ziehenden umsatzsteuerlichen Folgen sind unter III. dargestellt.
ff) 2006 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 13.631 € verbucht. Hinzu kommt (nur) eine Barabhebung in Höhe von 50 € vom neuen Konto seiner Ehefrau. Unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 23.600 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes ergeben sich insgesamt verfügbare (Bar )Geldbeträge in Höhe von 39.681 €.
Hiervon sind die von der Steuerfahndung festgestellten Bareinzahlungen auf Konten des Klägers in Höhe von 9.820 € nebst 950 € auf dem vorerwähnten Konto seiner Ehefrau und die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 624 € abzusetzen.
Im Hinblick auf den Umzug im Vorjahr und die diesbezüglichen Ausführungen unter ee) geht der Senat von Mietaufwendungen in Höhe von nunmehr 8.400 € aus. Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 1,6% gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 11.500 € erhöht haben. Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 31.294 € auszugehen. Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von 26.000 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich ein Ausgabenüberhang von 17.613 € ergibt. Hiermit ist der vom Beklagten angesetzte Hinzuschätzungsbetrag von 18.000 € brutto zu vereinbaren.
gg) Kalenderjahr 2007
(1) 2007 hat der Kläger bar erhaltene Betriebseinahmen in Höhe von 11.836 € verbucht. Hinzu kommen Barabhebungen in Höhe von 9.776 € von seinen Bankkonten und von insgesamt 210 € vom Konto seiner Ehefrau. Unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 26.000 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes ergeben sich insgesamt verfügbare (Bar )Geldbeträge in Höhe von 50.222 €.
Hiervon sind die von der Steuerfahndung festgestellten Bareinzahlungen auf Konten des Klägers in Höhe von 3000 € nebst 1.100 € auf dem vorerwähnten Konto seiner Ehefrau und die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 1.979 € abzusetzen.
Wie im Vorjahr geht der Senat von Mietaufwendungen in Höhe von 8.400 € aus. Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes um 2,3% gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 11.750 € erhöht haben. Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 26.229 € auszugehen. Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von 28.400 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich zunächst ein Ausgabenüberhang von 4.407 € ergibt.
(2) Ferner hat der Kläger im Streitjahr Gewinne aus der Ver äußerung von insgesamt 15 Kraftfahrzeugen über Angebote bei Online-Verkaufsportalen erzielt. Die diesbezüglichen überzeugenden, dezidiert erläuterten, Ermittlungserkenntnisse zu Einnahmen in Höhe von 30.360 € hat der Kläger per se nicht in Frage gestellt. Der Senat hatte auf diese Erkenntnisse zudem in der, der mündlichen Verhandlung dieses Verfahrens direkt vorausgehenden, mündlichen Verhandlung im die Einkommensteuer der Streitjahre betreffenden Verfahren ausdrücklich hingewiesen. Da der Kläger diesbezüglich auch Aufwendungen zur Erwerb und möglicherweise zur Reparatur der online veräußerten Fahrzeuge gehabt haben muss oder diese teilweise möglicherweise nur im Rahmen von Vermittlungsgeschäften für Kunden veräußert haben könnte, erscheint es insgesamt angemessen, einen nicht gebuchten unversteuerten Brutto-Gewinn in Höhe von etwa 20 % der festgestellten Veräußerungserlöse auf 6.072 € zu schätzen. In den in der Buchhaltung des Klägers erfassten Betriebsvorfällen finden sich entsprechende Geschäftsvorfälle nicht.
Dieser zusätzliche Brutto-Gewinn, der sowohl bar wie auch unbar erzielt worden sein kann, ist nicht geeignet, den errechneten Bar-Ausgabenüberhang ganz oder teilweise mit der Folge zu schließen, dass etwa nur von nicht versteuerten zusätzlichen Brutto-Gewinnen in Höhe von 6.072 € auszugehen wäre.
Soweit die entsprechenden Gewinne unbar erzielt worden, ergibt sich dies von selbst. Die Berechnung ist methodisch auf den Bargeldverkehr beschränkt; als Überweisung eingehende Beträge werden nur und erst im Falle ihrer Abhebung vom Bankkonto erfasst. Auch soweit – nicht näher ermittelbare – Teilbeträge bar erzielt worden sein sollten, erscheint es nicht angemessen, diese zu schätzen und mit dem errechneten Bar-Ausgabenüberhang zu verrechnen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass neben den geschätzten Gewinnen aus Fahrzeugverkäufen wie in den Vorjahren weitere nicht gebuchte und nicht versteuerte Betriebseinnahmen angefallen sind. In allen Vorjahren haben sich deutlich höhere Ausgabenüberhänge im Umfang von mindestens 8.000 € ergeben, so dass es nahe liegt, dass auch 2007 ein entsprechender Ausgabenüberhang durch nicht erfassten Betriebseinnahmen vorliegt. Dies ist – mit Werten im Rahmen der Vorjahre und des Folgejahres – durch die zusätzliche Berücksichtigung der geschätzten Kraftfahrzeugverkäufe möglich. Hierdurch ergibt sich eine Erhöhung der Betriebseinnahmen (hinsichtlich der Kraftfahrzeugverkäufe mit den entsprechenden Ausgaben saldiert) um rechnerisch insgesamt 10 .479 €.
(3) Mithin ist entsprechend den Ausführungen unter dd) die vom Beklagten vorgenommene Hinzuschätzung eines Brutto-Betrages von 11.000 € nicht zu beanstanden.
hh) Kalenderjahr 2008
(1) 2008 hat der Kläger bar erhaltene Betriebseinahmen in Höhe von 16.075 € verbucht. Hinzu kommen Barabhebungen in Höhe von 490 € vom Konto und von insgesamt 4.680 € vom Konto seiner Ehefrau. Unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 28.400 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes ergeben sich insgesamt verfügbare (Bar )Geldbeträge in Höhe von 52.045 €.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Konten des Klägers in Höhe von 12.900 € nebst 750 € auf dem vorerwähnten Konto seiner Ehefrau und die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 3.263 € abzusetzen.
Wie in den Vorjahren kommen Mietaufwendungen in Höhe von 8.400 € hinzu. Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 2,6% gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 12.100 € erhöht haben. Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 37.413 € auszugehen. Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von 30.800 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich zunächst ein Ausgabenüberhang von 16.168 € ergibt.
(2) Ferner hat der Kläger im Streitjahr Gewinne aus der Veräußerung von weiteren drei Kraftfahrzeugen über Angebote bei Online-Verkaufsportalen erzielt. Die diesbezüglichen Einnahmen betragen nach den schon zu gg) erörterten Erkenntnissen 10 .800 €. Entsprechend den Ausführungen unter gg) schätzt der Senat auch insoweit einen Gewinn von 20% der Einnahmen = 2.160 €.
(3) Mithin ist insgesamt der von dem Beklagten nunmehr angesetzte Hinzuschätzungsbetrag von 18.000 € nicht zu beanstanden. Allein aufgrund des errechneten Ausgabenüberhangs von mehr als 16.000 € dürfte entsprechend den Ausführungen unter dd) eine entsprechende Hinzuschätzung noch vertretbar sein. Zudem kann noch der zusätzliche Brutto-Gewinn aus den Fahrzeugverkäufen dem aus der Bargeldverkehrsrechnung errechneten, als zusätzlichen Betriebseinnahmen anzusehenden, Ausgabenüberhang entsprechend den Ausführungen unter gg) jedenfalls insoweit hinzugerechnet werden, als dieser Gewinn unbar erzielt wurde.
ii) Der so auf den 31. Dezember 2008 errechnete Tresorschlussbestand von 30.800 € lässt sich auch mit den Anfang Januar 2010 im Tresor aufgefundenen Bargeldbeträgen von 32.800 € vereinbaren. Eine entsprechende Summe ergibt sich in etwa unter erneuter Hinzurechnung eines Haushaltsbetrages des Sohns von bis zu 2.400 € im Jahr 2009.
Aus den vorstehenden Ausführungen zu aa – hh ergibt sich auch, dass entgegen der Auffassung des Finanzamts keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, den Anfang 2010 aufgefundenen Tresorbestand als zusätzliche, unversteuerte, Betriebseinnahmen der Streitjahre anzusehen. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers gibt es aber auch keinen Anlass zu der Annahme, dass der Tresoranfangsbestand zum 1. Januar 2002 oder ein zwischenzeitlich dort aufbewahrter Bargeldbetrag in den Streitjahren ganz oder teilweise zur Deckung der Lebenshaltungskosten des Klägers und seiner Familie verwandt worden wäre. Der Kläger hat mehrfach vorgetragen, dass – mit Ausnahme eines eher geringen Betrages im Jahr 2009 – der schon anfänglich hohe Tresorbestand (nur) weiter erhöht wurde.
jj) Insgesamt sind über die Streitjahre tendenziell zurückgehende Umsätze/Betriebseinnahmen des Klägers – sowohl nach seinen Steuererklärungen wie nach den hier erfolgten Hinzuschätzungen – zu verzeichnen. Der deutlich höchste Hinzuschätzungsbetrag von 24.000 bzw. 30.000 € betrifft das Jahr 2002. 2007 ist ein erheblicher Teil und 2008 noch ein geringer Teil der hinzugeschätzten Umsätze auf das neue Geschäftsfeld der Kfz-Verkäufe zurückzuführen. Insgesamt ist so – anders als in der ursprünglichen Berechnung der Steuerfahndung – auch dem Einwand des Klägers, sein Unternehmen habe über die Jahre immer weniger Erträge erbracht, Genüge getan ist.
2. Spielgewinne sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht erzielt worden und daher nicht geeignet, die aufgezeigten Lücken zwischen dem bekannten Bareinnahmequellen und den Barausgaben zu erklären.
a) Das folgt schon daraus, dass das entsprechende Vorbringen des Klägers widersprüchlich ist. Zunächst hat er in diesem Verfahren behauptet, er gewinne oft beim Pokern oder sonstigen illegalen Zocken. Die angekündigte Mitteilung der Namen und gar der ladungsfähigen Anschriften von Mitspielern ist aber nie erfolgt. In einem neueren Schriftsatz hat der Kläger nunmehr behauptet, er könne den Lauf der Roulettekugel vorhersehen. In seiner eidesstattlichen Versicherung im Rahmen der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 hatte er hingegen erklärt, er beteilige sich an illegalen Roulettevarianten in Spielhöllen.
Des Weiteren hat der Kläger bis heute nicht noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, in welcher Höhe er Spielgewinne erzielt haben will und sein angekündigtes Beweisangebot durch Benennung von Mitspielern bis heute nicht konkretisiert. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um von entsprechenden Spielgewinnen auszugehen.
Nach der Rechtsprechung sind an den Nachweis von Spielgewinnen hohe Anforderungen zu stellen. So hat es der Bundesfinanzhof im Urteil vom 3. August 1966 (BStBl. III 1966, 650) noch nicht einmal, wovon hier lange nicht die Rede sein kann, genügen lassen, dass eine Zeugin entsprechende Erträge bestätigt hat und Aufzeichnungen über den Spielverlauf vorgelegt wurden. Es dürfte vielmehr erforderlich sein, die Höhe der einzelnen Gewinne und der gespielten Einsätze zu bezeichnen (vgl. Urteile der Finanzgerichte Rheinland-Pfalz vom 30. Oktober 1985 6 K 163/83, zit. nach juris und Baden-Württemberg vom 17. März 1998 1 K 39/96, EFG 1998, 919) oder sogar, ordnungsgemäße und nachprüfbare Aufzeichnungen über die einzelnen Spielgewinne vorzulegen (vgl. Finanzgericht Berlin, Urteil vom 24. August 1998, 9 K 142/95 , zit. n. juris).
b) Diesbezüglich ist auch nicht die Behauptung des Klägers erheblich, er habe sich mit dem Betriebsprüfer 2001 auf jährliche Spielgewinne in Höhe von 6.000 DM verständigt.
Insoweit liegt unstreitig keine für die Beteiligten möglicherweise bindende tatsächliche Verständigung, noch dazu nicht für die nunmehrigen Streitjahre, vor, die der Betriebsprüfer auch nicht wirksam hätte treffen können (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1990 III R 19/88, BStBl. II 1991, 45; Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., Rz. 32 zu § 162 AO).
Vor allem trifft dieser Vortrag auch in der Sache nicht zu. Im Rahmen der Schlussbesprechung zu der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 ist vielmehr einvernehmliches vereinbart worden, dass im Rahmen der vom Betriebsprüfer durchgeführten Geldverkehrsrechnung jährlich 6.000 DM zusätzliche Betriebsgewinne hinzu zu schätzen sind. Der Prüfer hatte im Rahmen seiner Rechnung Spielgewinne in deutlich höherer Höhe, bis zu 12.000 DM jährlich, einbezogen und kam dennoch noch zu Ausgabenüberhängen.
c) Mithin können die errechneten Ausgabenüberhang nur durch entsprechende, nicht erklärte und nicht versteuerte, zusätzliche Betriebseinnahmen des Klägers aus seinem Reifenhandel beziehungsweise aus Kraftfahrzeugverkäufen erklärt werden. Diese Handelsgeschäfte stellten die einzige Existenzgrundlage für den Kläger und seine Ehefrau dar.
III.
1. Der Beklagte hat rechtlich und rechnerisch zutreffend die von ihm vorgenommenen Hinzuschätzungen von Brutto-Betriebseinnahmen um die jeweilige Umsatzsteuer (16% bis 31.12.2006, hernach 19%, vgl. § 12 Abs. 1 UStG i. d. jeweils geltenden Fassung) gemindert und die so verbleibenden Netto-Beträge den vom Kläger in seinen Umsatzsteuerjahreserklärungen erklärten Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz als Bemessungsgrundlage hinzugerechnet.
Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer ist das Entgelt. Dies ist alles, was der Leistungsempfänger zum Erhalt der Leistung aufwendet, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer ( § 10 Abs. 1 UStG ). Bei der Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen ist dementsprechend die hinzu geschätzte Netto-Einnahme als Entgelt anzusehen. Bei der Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen wird davon ausgegangen, dass im Umfang der Hinzuschätzung nicht verbuchte Ausgangsumsätze – hier also zusätzliche Reifenverkäufe u.ä. – durchgeführt worden und hieraus entsprechende Einnahmen erzielt worden sind.
a) Dies gilt auch für die angenommenen Gewinne aus dem Online-Fahrzeughandel in den Jahren 2006 und 2007. Auch diese Umsätze hat der Kläger hat der Kläger im Rahmen seines Unternehmens und damit umsatzsteuerpflichtig ausgeführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Es handelt sich angesichts des Umfangs dieser Veräußerungen und der noch umfangreicheren Angebote ersichtlich nicht mehr um die Veräußerung privater Vermögensgegenstände, zumal sich unter den veräußerten Fahrzeugen auch ein – üblicherweise nicht privat genutzter – LKW befindet. Zudem betreibt der Kläger mit dem Reifenhandel ein dem Fahrzeughandel verwandtes Unternehmen, so dass alles dafür spricht, dass er die Veräußerungen im Rahmen seines Unternehmens durchgeführt hat.
Insoweit ist der Kläger auch durch die Schätzung eines Brutto-Gewinns in Höhe von 20% der bekannten Einnahmen nicht beschwert. Sofern man insoweit nicht von Vermittlungsgeschäften ausgeht, bei denen die entsprechende Netto-Provision Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer wäre, ist so eine Saldierung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben erfolgt. Mithin ist nur der – noch um die Umsatzsteuer geminderte – verbleibende Gewinn und nicht nach § 10 Abs. 1 UStG der gesamte (Ausgangs )Umsatz der Umsatzsteuer unterworfen worden. Dies führt zu einer für den Kläger günstigen Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 3 UStG, obwohl deren formelle Voraussetzungen hier nicht gegeben sind. Hierzu gehört, dass dem Kläger die dann veräußerten Fahrzeuge nach Maßgabe des § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG entgeltlich und umsatzsteuerfrei geliefert worden wären, was hier nicht feststellbar ist. Auch den besonderen Aufzeichnungspflichten nach § 25a Abs. 6 UStG ist der Kläger nicht nachgekommen.
b) Vorsteuerbeträge kann der Kläger schon mangels Vorlage von Rechnungen über weitere Eingangsumsätze für sein Unternehmen nicht über die in seinen Steuererklärungen geltend gemachten Beträge hinaus steuermindernd geltend machen. Der Besitz einer Rechnung eines anderen Unternehmers mit offenem Vorsteuerausweis ist materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Soweit (jedenfalls faktisch) eine Differenzbesteuerung erfolgt ist, ist ein Vorsteuerabzug ohnehin ausgeschlossen (vgl. Leonard in Bunjes, UStG, 11. Aufl. 2012, Rz. 46 zu § 25a UStG).
c) Für das Jahr 2005, in dem der Senat entgegen dem angefochtenen Bescheid nur eine Hinzuschätzung von Brutto-Betriebseinnahmen von 8.000 € annimmt, ergibt sich mithin folgende Berechnung und die hieraus folgende Abänderung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides gemäß § 100 Abs. 2 FGO:
Vom Kläger erklärte Umsätze
14.810,00 €
+ Hinzuschätzung ./. USt
6.896,00 €
Bemessungsgrundlage insgesamt
21.706,00 €
hierauf 16% Umsatzsteuer
3.473,05 €
./. Vorsteuern gemäß Erklärung
813,27 €
verbleibende/festzusetzende Umsatzsteuer
2.659,78 €
2. Der Beklagte war auch verfahrensrechtlich berechtigt, die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre im Jahr 2010 wegen neuer Tatsachen (Erkenntnisse der Steuerfahndung und hierauf fußende Bargeldverkehrsrechnung) nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzuändern.
a) Zwar beträgt die diesbezügliche Festsetzungsfrist grundsätzlich nur vier Jahre und beginnt mit dem Ende des Jahres in dem die Steuererklärung abgegeben wird (§§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).
Mithin wäre nur noch der Erlass von Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre ab 2004 möglich, weil die diesbezügliche, als Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkenden, Steuererklärungen am 26. Januar 2006 (für 2004) und später (für die Jahre ab 2005 jeweils im Folgejahr) abgegeben wurden. Für 2004 und 2005 lief die reguläre Festsetzungsfrist daher am 31.12.2010 ab, für 2006 am 31.12.2011. Diese Fristabläufe sind sodann durch die Klageerhebung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gehemmt worden (§ 171 Abs. 3a AO).
b) Die Festsetzungsfrist beträgt aber zehn Jahre, soweit eine Steuer vorsätzlich verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Dies ist hier der Fall, so dass auch die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2003 in 2010 ergehen und (in Bezug auf 2003) während des anhängigen Klageverfahrens später noch abgeändert werden konnten.
Der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) folgt aus den Ausführungen zu II. Der Kläger hat in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre steuerlich erhebliche Tatsachen, nämlich umsatzsteuerpflichtige Umsätze (in Höhe der hinzugeschätzten Netto-Betriebseinnahmen), nicht angegeben und damit Umsatzsteuern in entsprechender Höhe verkürzt. Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass der Kläger entsprechenden Betriebseinnahmen bewusst verschwiegen hat und dementsprechend vorsätzlich nicht in seine Umsatzsteuererklärungen aufnahm:
Er kannte ersichtlich seine Steuererklärungspflichten und hat eine zu geringe Bemessungsgrundlage (zusätzliche Betriebseinnahmen bzw. Gewinne aus dem Reifenhandel und den Kraftfahrzeugverkäufen) in den entsprechenden Erklärungen abgegeben. Dass er etwa nur versehentlich zu geringe Bemessungsgrundlagen erklärt haben könnte, ist nicht erkennbar und lebensfremd. Zudem darf – was ebenfalls für vorsätzliches Handeln spricht – nicht übersehen werden, dass schon für Vorjahre eine Hinzuschätzung von Gewinnen erfolgt ist und der Kläger spätestens dadurch wusste, dass er schon den gesamten Betriebsgewinn erfassen und erklären muss. Angesichts des Umfangs seiner Angebote auf Online-Verkaufsportalen und den aus den entsprechenden Kraftfahrzeugverkäufen in 2007 und 2008 ist auch nicht erkennbar, dass der seit Jahren mit dem Reifenhandel in einer dem Kraftfahrzeughandel jedenfalls verwandten Branche tätige Kläger hätte annehmen können, die entsprechenden Veräußerungsgewinne nicht als Unternehmer und damit nicht umsatzsteuerpflichtig erzielt zu haben.
c) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Hinweis seines Steuerberaters zur sogenannten Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 UStG) berufen. Er hat gegenüber dem Beklagten über seinen Steuerberater selbst erklärt, erst ab 2009 und damit nach den Streitjahren von dieser Regelung Gebrauch zu machen. Es kommt daher auch nicht in Betracht, unter dem nur für 2002 und 2003 relevanten Gesichtspunkt eines durch Annahme einer fehlenden Umsatzsteuerpflicht denkbaren fehlenden Vorsatzes im strafrechtlichen Sinne zu erwägen.
Zudem hat der Kläger für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen abgegeben und damit – soweit er überhaupt Kleinunternehmer anzusehen gewesen wäre – nach § 19 Abs. 2 UStG zur Regelbesteuerung unter Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung optiert. Nach den vorgenannten Hinzuschätzungen übersteigt zudem der Umsatz des Klägers in allen Streitjahren die für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung maßgebliche Grenze von 17.500 € bzw. 16.620 € (§ 19 Abs. 1 UStG i. d. 2002 geltenden Fassung) im jeweiligen Vorjahr.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
Zwar ist die Klage bis auf einen geringen Teilbetrag in Höhe von etwa 1/4 der erstrebten Steuerminderung im Jahr 2005 abgewiesen worden. Es darf hierbei aber nicht übersehen werden, dass dies nur deswegen erfolgt ist, weil für die Jahre 2003 bis 2008 die im Laufe des Verfahrens zu Gunsten des Klägers abgeänderten Bescheide Verfahrensgegenstand geworden sind. Hinsichtlich der ursprünglich angefochtenen Bescheide hat er so schon vor der mündlichen Verhandlung einen erheblichen Teilerfolg (Reduzierung der Steuerschuld um 7.814 €), der bei der Kostenentscheidung Berücksichtigung finden muss (vgl. § 138 Abs. 2 FGO). Insgesamt hält der Senat daher unter summarischer Berücksichtigung der vor und nach dem Ergehen der neuen Bescheide entstandenen Kosten und der nicht unerheblichen Obsiegensquote des Kläger in Bezug auf die ursprünglich angefochtenen Bescheide von etwa einem Drittel hinsichtlich der nach den ursprünglichen Klaganträgen zu berechnenden Gerichtskosten eine entsprechende Kostenaufteilung für angemessen.
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten war hingegen zu berücksichtigen, dass nach dem Ergehen der abgeänderten Bescheide durch die mündliche Verhandlung weitere Kosten (Anwaltsgebühren des Klägers) entstanden sind und die Klage insoweit weitgehend erfolglos geblieben ist, was bei isolierter Betrachtung dieser Kosten zu einer vollen Kostentragungspflicht des Klägers geführt hätte (§ 136 Abs. 1 S. 3 FGO). Da er entsprechend der bei den Gerichtskosten gefundenen Quote auch die vor dem Ergehen der Änderungsbescheide entstandenen außergerichtlichen Kosten zu 2/3 zu tragen gehabt hätte, erschien es insgesamt nicht angemessen, den Beklagten auch nur teilweise mit außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten. Der Senat hat unter überschlägiger Schätzung der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten es insoweit insgesamt für angemessen erachtet, die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten insgesamt dem Kläger aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 FGO) liegen nicht vor.