21.02.2013 · IWW-Abrufnummer 131139
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 30.01.2012 – 10 K 5492/08
1. Weist ein Ingenieur eine Managementgesellschaft an, seine Arbeitsstunden gegenüber seinen Auftraggebern abzurechnen, die entsprechenden Zahlungen entgegenzunehmen und nach seinen Weisungen auf verschiedene Konten weiterzuleiten, ist ihm das Entgelt als Einkünfte aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Arbeit zugeflossen.
2. Ein Antrag auf Zeugenvernehmung ist nicht ausreichend substantiiert, wenn er keine konkreten Tatsachen benennt, zu der der Zeuge aussagen könnte und keine Adresse angibt, unter der der Zeugen zu laden ist.
3. Ein im Ausland ansässiger Zeuge muss ohne Ladung in der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
4. Hat der Steuerpflichtige zur Abrechnung seiner Arbeitsstunden Managementgesellschaften eingeschaltet, deren einzige Funktion es war, erhaltene Zahlungen teilweise auf ausländische Konten umzuleiten, um diese vor dem Finanzamt zu verschleiern, begeht er eine vorsätzliche Steuerhinterziehung, so dass sich die Festsetzungsfrist für die hinterzogenen Steuern auf 10 Jahre beläuft.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 10. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2012 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlicher Richter …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe von Einkünften aus selbständiger bzw. nichtselbständiger Tätigkeit des Klägers als Ingenieur.
Der Kläger ist britischer Staatsangehöriger und etwa seit den neunziger Jahren in Deutschland ansässig, wo er mindestens seit dem Jahre 2000 als Ingenieur arbeitet. Zunächst war er als selbständiger Ingenieur im Auftrag der Firma B Plc., X/Großbritanien (B), tätig. Bei der B handelte es sich um eine Gesellschaft, die projektbezogen Ingenieure anhand einer bei ihr geführten Datenbank an Kunden vermittelte, die einen entsprechenden Bedarf an Beratungs- und Entwicklungsleistungen hatten, und nach erfolgter Vermittlung die weitere Betreuung der Ingenieure gegenüber dem Auftraggeber übernahm. Auf Seiten der B war ab Mai 2003 in Y/Deutschland Herr c C als Zweigstellenleiter der deutschen Niederlassung tätig.
In den Jahren 2000 bis 2002 rechnete der Kläger seine Beratungsleistungen („Consultancy”) nicht gegenüber B, sondern gegenüber der Schweizer Firma S S.A. (S) ab, von der er laut Bescheinigungen hierfür Zahlungen von 57.808 Euro im Jahr 2000 und 50.206 Euro im Jahr 2002 erhielt. Diese Beträge erklärte der Kläger als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit. Im Jahr 2000 stellte der Kläger Rechnungen an die S über 113.304,30 DM (57.931 Euro), im Jahr 2001 über 115.464,45 DM (59.036 Euro), im Jahr 2002 über 47.075,40 Euro. Der ausweislich der Abrechnungen des Klägers gegenüber der S vereinbarte Stundenlohn betrug 60,50 DM bzw. 31,50 oder 31,30 Euro, wobei der Kläger die Anzahl der tatsächlich bei dem Unternehmen K in Z / Deutschland geleisteten Stunden auf einem von der B vorgegebenen Formular (einem sog. „Timesheet”) festhielt. In ihrem Schriftverkehr mit dem Kläger verwendete die S die Referenznummer: „R … 1”. Die S wiederum rechnete die Leistungen des Klägers gegenüber der B ab und erhielt von dieser entsprechende Zahlungen. Die B UK zahlte unter der Referenznummer R … 1 für das Jahr 2001 256.220,48 DM, für das Jahr 2002 114.104,65 Euro an die S.
Von November 2002 bis November 2003 wurde der Kläger von der B als Angestellter beschäftigt und erhielt für diese Tätigkeit einen Stundenlohn von 44,66 Euro, wobei die B für den Kläger daneben noch einen Arbeitgeberzuschuss zur Pflegeversicherung und zur freiwilligen Krankenversicherung übernahm. Die B selbst setzte den Kläger seinerzeit im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung bei einem ihrer Kunden ein. Seine Ingenieurtätigkeit übte der Kläger in diesem Zeitraum bei dem B-Kunden K AG in Z / Deutschland aus.
Ab Mitte November 2003 bis einschließlich September 2004 war der Kläger für einen monatlichen Bruttolohn von 3.600 Euro zuzüglich steuerfreier Arbeitgeberleistungen bei der Firma L GmbH (L) angestellt. Diese hatte mit der K AG einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezüglich des Klägers ab 18. November 2003 zu einem Stundensatz von 76,50 Euro abgeschlossen. Ebenfalls am 18. November 2003 schloss der Kläger einen Vertrag mit der Schweizer Firma In S.A. (In), nach dem der Kläger als selbständiger Berater zu einem Stundensatz von 68 Euro beschäftigt werden sollte. Die genauen Arbeitsumstände sollten von L bzw. der K AG festgelegt werden, In sollte nur einen Rechnungsservice anbieten. Die L zahlte an In auf deren Anforderung per Rechnung zusätzliche Beträge für die Arbeitsleistung des Klägers aus. Dabei wurde laut Rechnungen ein Satz von 68 Euro je Arbeitsstunde zugrunde gelegt. Zwischen der L und der In bestand eine Vereinbarung („Project Contract”), nach der für die Arbeit bei K durch die In ab 18. November 2003 ein Berater zu einem Stundensatz von 68 Euro zur Verfügung gestellt werden sollte.
Ab April 2005 bis Herbst 2007 war der Kläger wieder selbständig für die B tätig. Zum 1. April 2005 schloss der Kläger wiederum mit der S ein sog. „Project Agreement” ab, demzufolge er als Ingenieur bei der M AG in Z / Deutschland in den folgenden sechs Monaten Dienstleistungen für ein bestimmtes Projekt erbringen sollte. Als Gegenleistung („Compensation”) war hierfür ein Stundensatz von 23,10 Euro vereinbart. Der Ingenieur sollte für sämtliche Steuerzahlungen hinsichtlich der von der S erhaltenen Zahlungen verantwortlich sein.
Beginnend ab dem 3. Mai 2005 erhielt die B in ihrer Niederlassung in Y/Deutschland Rechnungen der S, in denen die S unter Angabe ihrer Referenznummer „R … 1” Beratungsleistungen („Consultancy Services”) des jeweiligen Vormonats gegenüber der B abrechnete. Der abgerechnete Stundensatz lag bei 55,80 Euro. Andere Hinweise auf die Person des die Leistungen konkret erbringenden Beraters oder Ingenieurs als die genannte Referenznummer enthielten die Rechnungen nicht. Die B versah die Rechnungen mit einem handschriftlichen Vermerk mit dem Namen des Klägers und zahlte den jeweils in Rechnung gestellten Betrag an die S aus. Insgesamt wurden auf diesem Wege im Jahr 2005 von B Deutschland über die Referenznummer R … 1 ein Gesamtbetrag von 78.064,20 Euro, im Jahr 2006 von 99.937,80 Euro abgerechnet und gezahlt.
Am 27. September 2005 schlossen B und S einen Werkvertrag („Works Order”), demzufolge der Kläger als möglicher Berater („Nominated Engineer”) bei der M AG in Z / Deutschland in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 an einem weiteren Projekt mit einem maximalen Zeitbudget von 1.600 Stunden und einem daraus abgeleiteten finanziellen Budget von 89.280 Euro arbeiten sollte. Der sich daraus ergebende Stundensatz betrug 55,80 Euro. Die B gab diesen Werkvertrag dem Kläger am Folgetag zur Kenntnis mit der Bitte um Gegenzeichnung. Der Kläger bestätigte den Inhalt der Vereinbarung am 28. Oktober 2005. Der Werkvertrag zwischen B und S wurde später am 28. September 2006 und am 1. Februar 2007 verlängert, wobei auch diese Verträge dem Kläger wiederum zur Kenntnis und Gegenzeichnung übersandt wurden.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2005 wandte sich die S vertraulich („Private Confidential”) unter der Angabe ihrer Referenznummer R … 1 an den Kläger und stellte ihm verbesserte Möglichkeiten in Bezug auf die Inanspruchnahme von Darlehen („Loan Requests”) vor. Mit Datum vom 26. März 2005 hatte die S dem Kläger ein Rechenbeispiel für ihren Service übersandt, nach dem von einem an die S gezahlten angenommenen Monatsbetrag von 8.929 Euro für die erbrachte Arbeitsleistung dem Ingenieur nur 4.300 Euro in Deutschland ausgezahlt werden sollten, so dass unter Abzug von Steuern, Sozialleistungen und verschiedenen Gebühren der S verfügbare Einkünfte von 7.769 Euro verblieben. Auf diese Weise errechnete sich ein Nettoeinkommen von bis zu 87 % der Einnahmen. Der Betrag von 8.929 Euro entspricht dem Betrag, den die S der B für die Arbeitsstunden des Klägers in den Monaten April, Juni und Juli 2005 in Rechnung gestellt hatte.
Ab dem Monat Februar 2007 – erstmals mit Rechnung vom 5. März 2007 – rechnete der Kläger seine erbrachten Arbeitsstunden zu einem Stundensatz von 55,80 Euro unmittelbar gegenüber der B-Niederlassung in Y/Deutschland ab. Die B zahlte die sich daraus ergebenden Beträge an den Kläger aus. Von B hatte der Kläger eine Rundmail erhalten, in der auf Ermittlungen der Steuerfahndung bezüglich der Abrechnungen über sogenannte Managementgesellschaften, namentlich die S u.a., hingewiesen und auf die Möglichkeit der Selbstanzeige aufmerksam gemacht wurde. Der E-Mail beigefügt war ein Brief mit entsprechenden Erläuterungen eines Steuerberaters vom 26. März 2007.
Der Kläger gab seine Steuererklärungen, die den Veranlagungen zugrunde lagen, in den Streitjahren folgendermaßen ab:
Jahr | Abgabe der Steuererklärung | Erlass des Steuerbescheides |
2000 | 2. November 2001 | 30. Januar 2002 |
2001 | 29. August 2002 | 22. Oktober 2002 |
2002 | 9. Dezember 2003 | 2. April 2004 |
2003 | 16. März 2005 | 12. Juli 2005 |
2004 | 14. Februar 2005 | 10. Mai 2005 |
2005 | 24. August 2006 | 16. Januar 2008 |
Am 8. Februar 2007 leitete die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z / Deutschland (Steuerfahndung) ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger ein. Anlass dafür war die Erkenntnis, dass die erklärten Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit für einen Auftraggeber im Ausland nach der allgemeinen Prüfungserfahrung viel zu niedrig gewesen seien. Zugleich wandte sich die Steuerfahndung mit einem Auskunftsersuchen an die B und verlangte von ihr zur Ermittlung unbekannter Steuerfälle Auskunft über sämtliche von der B an andere Unternehmen vermittelte Personen, die über die S mit ihr kontrahiert und abgerechnet hätten. Diese Anfrage beantwortete die B am 23. März 2007, indem sie unter anderem in Bezug auf den Kläger mitteilte, sie habe für diesen als beauftragten Ingenieur an die S im Jahr 2001 insgesamt 256.220,48 DM, im Jahr 2002 114.104,65 Euro, im Jahr 2005 78.604,20 Euro und im Jahr 2006 99.937,80 Euro unter der Referenznummer „R … 1” gezahlt. Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses vom 31. August 2007 wurde am 21. November 2007 die Wohnung des Klägers durchsucht.
In seiner Vernehmung durch die Steuerfahndung am 1. Juli 2010 sagte der Leiter der deutschen B-Niederlassung c C aus, dass der Kläger während seiner gesamten Zeit bei B über die S abgerechnet habe. Dabei seien die zu zahlenden Stundensätze für ein Projekt immer nur mit dem Kläger, nie mit der S verhandelt worden. Diese Sätze hätten bei etwa 60 Euro gelegen. Der Kläger sei zunächst bei K tätig gewesen und habe die Vermittlungsagentur gewechselt, als dort auf Arbeitnehmerüberlassungsverträge umgestellt worden sei. Managementgesellschaften wie die S hätten den Ingenieuren bei gleicher Zahlung durch die Industrie nach Steuer einen wesentlich höheren Verdienst versprochen, konkret sei dies ein Nettoeinkommen von 80 bis 87% gewesen. Ihre Funktion sei auf die Abrechnung der Ingenieurleistungen gegenüber B beschränkt gewesen.
In ihrem vorläufigen Bericht über die Feststellungen der Fahndungsprüfung gelangte die Steuerfahndung am 18. Dezember 2007 zu der Einschätzung, dass der Kläger in den Jahren 2000 bis 2005 Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag verkürzt habe, indem er nicht alle Einkünfte aus seiner Ingenieurstätigkeit erklärt habe. Nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung lag dem ein auch in vergleichbaren Fällen praktiziertes Modell zugrunde, bei dem die S als Managementgesellschaft in den Zahlungsweg zwischen der Agentur B und dem Kläger eingeschaltet worden sei. Aufgabe der S sei es gewesen, die von den Ingenieuren (vor-)gefertigten Rechnungen an die Auftraggeber weiterzuleiten, den Zahlungseingang zu überwachen und nach den Vorstellungen des Ingenieurs weiterzuleiten. Dabei werde üblicherweise ein Teil des Honorars auf ein inländisches Konto ausgezahlt und über einen passend dazu gefertigten Vertrag zwischen S und Ingenieur sowie entsprechende Rechnungen abgedeckt. Das restliche Honorar werde auf verschiedenen Wegen im Ausland ausgezahlt. Die Zuordnung dieser Beträge, die auf Konten der S bei der Bank eingingen, erfolge über die sogenannte Prefixnumber, einer Art Kundennummer. Die Prefixnumber des Klägers laute R s… 1. Die Firma S erhalte für ihre Leistungen Gebühren in Höhe von 5,5 bis 6 % der über sie geleiteten Beträge.
In der Zeit seiner nichtselbständigen Tätigkeit für die Firma L habe der Kläger mit dieser vereinbart gehabt, nur eine bestimmte Anzahl seiner Arbeitsstunden über das Lohnkonto abzurechnen. Der Lohn für die übersteigenden Stunden sei von L über die In abgerechnet und ausgezahlt worden. Die In habe diese Beträge auf ein Konto des Klägers bei der Bank II überwiesen. Ab März 2004 habe der Kläger veranlasst, dass ein Teil des ihm zustehenden Betrages auf das Konto seiner geschiedenen Frau E A bei der Bank II ausgezahlt werde. Die In habe nach Eingang der Zahlungen von L eigene und Bankgebühren abgezogen und die verbleibenden Beträge weitergeleitet. Aus dem aufgefundenen E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger, der In und L ergebe sich, dass Zahlungen an In für Arbeitsstunden des Klägers zu seinen Gunsten geflossen seien und dem Kläger diese Zahlungen bekannt waren.
Unter Berücksichtigung zusätzlicher Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten in Form von Gebühren für S und In erhöhte die Steuerfahndung den Gewinn des Klägers aus selbständiger Arbeit bzw. seinen Bruttoarbeitslohn (BAL) wie folgt:
2000 (DM) | 2001 (DM) | 2002 (EUR) | 2003 (EUR) | 2004 (EUR) | 2005 (EUR) | |
erklärter Gewinn | 77.812 | 94.287 | 46.727 | 37.369 | ||
erklärter BAL | 100.716 | 39.382 | ||||
zusätzliche Zahlungen über S bzw. In | 142.936 | 143.880 | 63.900 | 7.093 | 21.756 | 38.764 |
Gewinn neu | 205.388 | 222.794 | 103.781 | 71.449 | ||
BAL neu | 107.809 | 61.138 |
Das Finanzamt schloss sich der Auffassung der Steuerfahndung an. Es erließ am 8. Januar 2008 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 und am 16. Januar 2008 für die Jahre 2000 bis 2002 sowie einen erstmaligen Bescheid für 2005. Auf deren Inhalt wird verwiesen. Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einsprüche blieben ohne Begründung und wurden mit Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2008 zurückgewiesen. Mit seiner am 27. November 2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Seiner Auffassung nach sind die von der Steuerfahndung getroffenen Feststellungen nicht zutreffend. Die den Änderungsbescheiden zugrunde gelegten Einnahmen resultierten allein aus einer Aufstellung der B. Der Kläger habe keine Einnahmen über die von der S am 27. April 2010 bescheinigten Zahlungen hinaus gehabt. Ein Zufluss weiterer Gelder werde bestritten. Einen negativen Nachweis, dass er weniger verdient habe als erklärt, könne der Kläger nicht beibringen. Die ausgewerteten Unterlagen belegten, wenn überhaupt, lediglich Zahlungen an die S. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Dritten zugutekamen oder der Kläger Opfer stark überhöhter Gebühren geworden sei. Nach statistischen Erhebungen verdienten Ingenieure heute durchschnittlich 80.000 Euro jährlich, dabei sei noch eine Steigerung von 20% gegenüber dem Jahr 2000 einzubeziehen. Die vom Finanzamt angesetzten Einnahmen seien schon deshalb nicht nachvollziehbar.
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2005 vom 8. bzw. 16. Januar 2008, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2008, aufzuheben,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt zur Begründung vor, die S habe keinerlei Leistungen gegenüber B erbracht, sondern ausschließlich an den Kläger durch die Übernahme von Bürodienstleistungen wie Überwachung des Geldeingangs und Weiterleitung nach Vorgaben des Klägers. Dies ergebe sich schon daraus, dass Zahlungen der S an den Kläger vom vorherigen Eingang der Zahlungen von B an die S abhängig gewesen seien. Daher sei auch ein Vertragsverhältnis zwischen Kläger und S bezüglich Ingenieursleistungen ausgeschlossen. Soweit der Kläger den Zufluss grundsätzlich abstreite, werde auf eine bei ihm aufgefundene vertrauliche Information der S verwiesen, in der die Vorteile der Vertragsgestaltung aufgelistet seien und damit geworben werde, der Kläger könne über sein gesamtes Vertragseinkommen abzüglich Gebühren und erkl ärtem Einkommen auf einem off-shore-Konto verfügen. Der Kläger habe seine erhöhten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten verletzt. Daher könne zu seinem Nachteil von Sachverhalten ausgegangen werden, für die eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche. Auch die Einnahmen im Jahr 2000, die wegen kürzerer Aufbewahrungsfristen in England nicht mehr feststellbar seien, könnten so geschätzt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (Gerichtsakte, Einkommensteuerakte, Rechtsbehelfsakte, Allgemeine Akte), den Inhalt der Beweismittelakte und der Ermittlungsakten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit allen Anlagen verwiesen. Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 22. September 2011 wird Bezug genommen.
Der Antrag des Klägers, die mündliche Verhandlung per Videokonferenz durchzuführen, wurde mit Beschluss des Senates vom 17. Januar 2012 abgelehnt. Im Erörterungstermin wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er ausländische Zeugen in die Sitzung stellen müsse. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2012 beantragte der Kläger, die S-Mitarbeiterinnen S T und L G im Wege der Videokonferenz zu vernehmen.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die von B an die S sowie die von L an die In geleisteten Zahlungen sind dem Kläger nach Überzeugung des Senates in der von der Steuerfahndung angesetzten Höhe als Einnahmen aus selbständiger bzw. nichtselbständiger Arbeit zugeflossen.
a) Einnahmen i.S.d. § 8 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind dem Steuerpflichtigen gemäß § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald er über sie wirtschaftlich verfügen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhof – BFH – vom 21. Juli 1976 I R 147/74, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 1977, 46; vom 26. September 1979 VI R 82/76, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFHE – 128, 539; vom 21. Oktober 1981 I R 230/78, BStBl. II 1982, 139; vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BStBl. II 1984, 480; vom 19. Juni 2007 VIII R 63/03, Sammlung der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2008, 194). Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (vgl. BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 13/96, BStBl. II 1997, 767; vom 19. Juni 2007 VIII R 63/03, BFH/NV 2008, 194; vom 16. März 2010 VIII R 4/07, BFH/NV 2010, 1527). Die Fälligkeit eines Anspruchs allein führt – vor seiner Erfüllung – noch nicht zu einem Zufluss. Entscheidend ist allein der uneingeschränkte, volle wirtschaftliche Übergang des geschuldeten Gutes oder das Erlangen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis darüber (vgl. BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BStBl. II 1997, 755; vom 11. November 2009 IX R 1/09, BStBl. II 2010, 746).
Bei Zahlungen an einen Dritten tritt der Zufluss gleichwohl beim Steuerpflichtigen selbst ein, wenn der empfangende Dritte zur Entgegennahme der Leistung berechtigt ist und damit die Vermögenswerte für den Steuerpflichtigen vereinnahmt (BFH-Urteil vom 20. Februar 1964 IV 4/61 U, BStBl. III 1964, 329). Da der Zufluss damit bereits abgeschlossen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Vermögenswerte dem Steuerpflichtigen anschließend selbst zufließen (Urteil des Finanzgerichts – FG – Hamburg vom 2. Juni 2006 6 K 430/03, juris). Ob die wirtschaftliche Verfügungsmacht übergegangen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind im Streitfall die Zahlungen der B und der L mit der Gutschrift auf den Konten der Managementgesellschaften S und In zugeflossen, und zwar auch der Teil der Zahlungen, der nicht auf das inländische Konto des Klägers überwiesen wurde.
Der Kläger hat nach Überzeugung des Senats die Managementgesellschaften beauftragt, seine Arbeitsstunden für ihn gegenüber der B bzw. der L abzurechnen, die entsprechenden Zahlungen entgegenzunehmen und nach seinen Weisungen auf verschiedene Konten weiterzuleiten.
aa) Die S stellte Rechnungen über Beratungsleistungen des Klägers unter der sog. Prefixnumber R … 1 an die B, die diese auch bezahlte. Dass diese Referenznummer dem Kläger als Kunden der S zuzuordnen ist, ergibt sich zum einen aus einem Schreiben der S an den Kläger vom 8. August 2001, in dem ihm unter dieser Nummer die Zahlungen des Jahres 2000 mitgeteilt werden. Zum anderen wurden die Zahlungen der S auf das inländische Konto des Klägers bei der Bank III in den Jahren 2005 und 2006 unter dieser Referenznummer gebucht. Auch auf einem Informationsschreiben der S an den Kläger vom 9. Dezember 2005 ist die Nummer angegeben. Die Rechnungen unter der Referenznummer R … 1 wurden von einem Mitarbeiter der B handschriftlich mit dem Namen des Klägers versehen.
Nach den Angaben des c C in dessen Vernehmung am 1. Juli 2010 hatte der Kläger die von den Auftraggebern K und M zu zahlenden Stundensätze selbst ausgehandelt, wie es v– auch bei anderen Ingenieuren – üblich war. Nach der Aussage des Herrn C betrug der vom Kläger üblicherweise angesetzte Stundensatz ungefähr 60 Euro. Dies entspricht in der Größenordnung dem Stundensatz, den die S der B für Leistungen des Klägers in Rechnung stellte und den der Kläger ab Februar 2007 selbst gegenüber der B abrechnete (55,80 Euro). Dieser Stundensatz war dem Kläger bekannt, denn die Werkverträge zwischen B und der S wurden ihm jeweils zur Kenntnisnahme und Gegenzeichnung übermittelt. Auf der anderen Seite schloss der Kläger einen Vertrag mit S über einen Stundensatz von 23,10 Euro, womit der Satz nur etwas mehr als die Hälfte dessen betrug, was der Kläger 2002/2003 als angestellter Ingenieur der B pro Arbeitsstunde erhielt.
Der Kläger konnte nicht glaubhaft erklären, wieso er von S für dasselbe Projekt nur einen Stundensatz von 23,10 Euro erhalten haben sollte, obwohl er nicht nur wusste, dass B 55,80 Euro je Arbeitsstunde zahlte, sondern ohne weiteres ab Februar 2007 selbst diesen Betrag abrechnete und bekam. Am 1. Februar 2007 war der Werkvertrag zwischen S und B zu 55,80 Euro je Arbeitsstunde verlängert worden. Es ist nicht ersichtlich, wieso der Kläger trotz unveränderter Situation und ohne weitere Vereinbarungen nunmehr zu diesem Stundensatz gegenüber B abrechnen konnte, statt wie bisher für nur 23,10 Euro gegenüber der S. Nach Auffassung des Gerichtes spricht dies dafür, dass der Kläger bereits über die gesamte Projektdauer hinweg einen Stundensatz von 55,80 Euro erhalten hatte, der aber nicht von ihm selbst, sondern für ihn von der S abgerechnet und eingezogen wurde.
Dem Einwand des Klägers, möglicherweise sei er durch überhöhte Gebühren der S selbst betrogen worden, folgt der Senat nicht. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es nicht nachvollziehbar, wieso die S über die Hälfte des Honorars lediglich für ihre Abrechnungsleistung einbehalten haben soll. Die abgerechneten Leistungen wurden vom Kläger selbst ausgehandelt und erbracht. Die S war lediglich für die Versendung von Rechnungen nach den Angaben des Klägers zuständig. Der Kläger selbst konnte nicht erklären, welchen Mehrwert die Leistung der S für ihn gehabt haben sollte, der solch hohe Gebühren gerechtfertigt hätte. Hinzu kommt, dass die S selbst in den an ihre Kunden verschickten Informationen eine Gebühr von 5 % der tatsächlich gezahlten Einnahmen berechnete. Eine solche Information über ein verbessertes Serviceangebot mit Rechenbeispiel hat der Kläger am 25. März 2005 von der S erhalten. Dieses Rechenbeispiel geht von den Verdiensten aus, die der Kläger in den Monaten April, Juni und Juli 2005 mit jeweils 8.928 Euro (160 Arbeitsstunden á 55,80 Euro) tatsächlich erzielte, ist also exakt auf seine Verhältnisse abgestimmt. Die S kannte demnach die tatsächlichen Verhältnisse des Klägers. Die von ihm versteuerten Einkünfte passen dem Grunde nach in das Modell. Unter diesen Umständen ist es nicht glaubhaft, dass der Kläger sich trotzdem auf derart überhöhte Gebühren eingelassen haben sollte. Vielmehr handelte es sich nach Überzeugung des Senates um ein bewusst in dieser Weise gestaltetes und praktiziertes Modell, nach dem im Inland nur ein Teil der Einkünfte versteuert wurde.
Der Kläger war Inhaber eines Kontos bei der Bank II auf Guernsey. Diese teilte ihm mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 mit, dass seinem Konto eine Zahlung der S über 4.000 GBP unter der Referenznummer R … 1 gutgeschrieben wurde. Dies lässt den Schluss zu, dass die Zahlungen der B durch die S auf das ausländische Konto des Klägers weiter geleitet wurden. Da nach der Überzeugung des Senates die S im Auftrag des Klägers seine Leistungen abrechnete und die Zahlungen entgegennahm, kommt es nicht mehr darauf an, ob und wann dem Kläger die Beträge auf einem Konto zur Verfügung standen. Ausreichend ist bereits der Zufluss auf dem Konto der S (BFH-Urteil vom 20. Februar 1964 IV 4/61 U, BStBl. III 1964, 329).
Auf eine Anfrage der Steuerfahndung teilte die B am 23. März 2007 mit, welche Zahlungen sie in den Jahren 2001, 2002 und 2005 bis 2007 unter der Referenznummer R … 1 an die S geleistet hat. In den Jahren 2001 und 2002 erfolgten die Zahlungen an die S durch B UK. Mit diesen Zahlungen wurden die Ingenieurleistungen des Klägers, die dieser im Rahmen der Projekte für B erbrachte, abgegolten. Sie sind nach Überzeugung des Senates dem Kläger mit der Zahlung an die S zugeflossen.
Dafür spricht auch, dass die Zahlungen der S an den Kläger erst erfolgten, nachdem die entsprechenden Zahlungen von B eingegangen waren. Dies ergibt sich aus den Daten der Überweisungen der B an die S laut der Aufstellung vom 23. März 2007 und den Daten der Gutschriftsanzeigen der Bank III.
bb) Auch die Zahlungen der L an die In flossen nach Überzeugung des Senates dem Kläger zu seiner Verfügung zu.
Die L erhielt von der In monatliche Rechnungen über vom Kläger geleistete Arbeitsstunden. In der Rechnung vom 9. Dezember 2003 ist der Name des Kläger ausdrücklich genannt. Die übrigen von der Steuerfahndung gefundenen Rechnungen der In lassen sich aufgrund des E-Mail-Verkehrs eindeutig den Arbeitsstunden des Klägers zuordnen. Zwischen dem Kläger, der L und der In wurden mehrfach die abzurechnenden Arbeitsstunden abgeglichen und entsprechende Rechnungen angefordert. Der Kläger war demnach in die Abrechnungspraxis zwischen In und L aktiv einbezogen. Auch hier konnte er nicht darlegen, welche Leistungen die In – mit seiner Unterstützung – gegenüber der L abgerechnet haben sollte, wenn nicht seine Ingenieurleistungen. Schließlich hatte der Kläger mit der In eine Vereinbarung getroffen, zu einem Stundensatz von 68 Euro solche zu erbringen, wobei Art und Umfang der Leistung durch die L bzw. den Auftraggeber K festgelegt werden sollten. Dem steht das Anstellungsverhältnis bei der L gegenüber, in dessen Rahmen der Kläger seine Leistungen gleichfalls als Ingenieur bei K erbrachte. Die zusätzlich abgeschlossene Vereinbarung mit der In über denselben Zeitraum bei demselben Auftraggeber zu einem wesentlich höheren Stundensatz kann nur bedeuten, dass der Kläger tatsächlich erheblich höhere Einnahmen hatte als den bescheinigten und versteuerten Bruttoarbeitslohn. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Vertrag zwischen In und L, aufgrund dessen die Leistungen des Kläger mit 68 Euro gegenüber der L abgerechnet wurden.
Aus den Personalstammdaten des Klägers bei der L geht hervor, dass der Bruttoarbeitslohn auf ein Konto bei der Bank III in Deutschland gezahlt wurde. Der In gegenüber hatte der Kläger auch die Daten seines ausländischen Kontos bei der Bank II angegeben. Mit einer E-Mail vom 29. März 2004 an den Kläger bestätigt die In auf seine Anfrage vom 26. März 2004 hin, aus der Rechnung Nr. 11014 bereits 4.571,80 Euro auf sein Konto bei der Bank II gezahlt zu haben. Mit der Rechnung 101-11014 vom 9. März 2004 hatte die In gegenüber der L die Arbeitsstunden im Februar 2004 abgerechnet. Aus dem Mailverkehr ergibt sich also, dass die Zahlungen der L an die In von dieser an den Kläger weiter geleitet wurden.
Dass der Kläger über die Zahlungen der L an die In verfügen konnte, zeigt auch seine Anweisung an die In vom 24. März 2004, einen Teil des Geldes auf das Konto seiner geschiedenen Ehefrau E A zu überweisen. Am 8. Mai 2004 bestätigte In per E-Mail diese Aufteilung für die Rechnung 101-11464 für März 2004. Danach wurden von einem Rechnungsbetrag von 7.335,16 Euro nach Abzug von Bankgebühren (10,00 Euro) und Managementgebühren (355,00 Euro) 778,00 Euro auf das Konto der E A und 6.192,16 Euro auf das Bank II-Konto des Klägers überwiesen.
cc) Nach Überzeugung des Senates nahm der Kläger an einem branchenüblichen Modell teil, bei dem ausländische Managementgesellschaften in den Abrechnungs- und Zahlungsweg von Ingenieurleistungen eingeschaltet wurden, um einen Teil der Honorare unversteuert auf ausländische Konten transferieren zu können. Wie sich aus den umfangreichen Ermittlungen der Steuerfahndung in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle ergibt, wurde dabei üblicherweise ein Teil des Honorars auf ein inländisches Konto gezahlt und ein dazu passender Vertrag gefertigt. Das restliche Honorar wurde zunächst auf ein Trustkonto oder einen Cash Management Account im Ausland überwiesen. Der Ingenieur konnte diese Beträge nach Bedarf bestimmen und abrufen. Für diesen Service wurden Gebühren erhoben, im Fall der S maximal 6 % der Zahlungen.
Die S hatte ihre Kunden – auch den Kläger – darüber informiert und in einer konkret auf den Kläger zugeschnittenen Beispielsrechnung auf diese Weise ein Nettoeinkommen von bis zu 87% der Bezüge versprochen. Der Kläger hatte zumindest ein Konto und auch Geldanlagen im Ausland. Nach den Aussagen des Herrn C wurden die Managementgesellschaften eingeschaltet, um ausländische – vor allem britische – Ingenieure einsetzen zu können, die dadurch günstiger arbeiteten als deutsche. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von dem angebotenen Modell keinen Gebrauch gemacht haben sollte. Hierfür spricht auch, dass er wie andere Ingenieure von B eine EMail erhielt, in der vor den Ermittlungen der Steuerfahndung gewarnt und eine Selbstanzeige angeraten wurde. Etwa zu diesem Zeitpunkt begann der Kläger, seine Arbeitsleistungen B gegenüber selbst abzurechnen, was den Schluss zulässt, er habe dadurch Ermittlungen vermeiden wollen.
Der Kläger war von 2000 bis 2005 für die K AG tätig. Nach den Angaben des Herrn C wechselte er die Vermittlungsagentur, als der Auftraggeber auf Arbeitnehmerüberlassungsverträge umstellte. Es passt zum Gesamtbild, dass er gleichzeitig auch die Abrechnungsagentur wechselte, denn die S betreute keine angestellten Ingenieure.
c) Die dem Kläger von der Steuerfahndung zugerechneten Mehreinnahmen sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Für die Jahre 2001, 2002 und 2005 ergeben sie sich aus der schriftlichen Auskunft der B vom 23. März 2007 über die für die Referenznummer des Klägers an die S gezahlten Beträge. Für die Jahre 2003 und 2004 konnten Rechnungen der In an die L anhand des E-Mail-Verkehrs zwischen diesen beiden und dem Kläger diesem zugerechnet werden. Managementgebühren der S in Höhe von 6 % der Gesamtzahlungen sowie von der In laut Mailverkehr wurden als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgezogen.
Die Einnahmen des Jahres 2000 wurden in Anlehnung an das Jahr 2001 geschätzt. Nach den vom Kläger vorgelegten Bestätigungen der S vom 27. April 2010 über die an ihn geleisteten Zahlungen der Jahre 2000 und 2001 hat er im Jahr 2000 für zwölf Monate 62.580 Euro, im Jahr 2001 60.568,83 Euro erhalten. In seinen Steuererklärungen hatte der Kläger Einnahmen von 113.063,93 DM (57.808 Euro) im Jahr 2000 und von 112.340,35 DM (57.438 Euro) erklärt. Die Abrechnungen des Klägers gegenüber der S ergeben 1.873,4 Arbeitsstunden im Jahr 2000 und 1.956,7 Arbeitsstunden im Jahr 2001. Die Differenz von 83,3 Stunden entspricht etwa zwei Arbeitswochen. Allerdings fehlt im Jahr 2000 eine Rechnung für Dezember, die laut der Bestätigung der S jedoch vorgelegen haben muss. Der Senat geht daher davon aus, dass in den Jahren 2000 und 2001 etwa dieselbe Anzahl Stunden abgerechnet wurde.
Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der in nahezu gleicher Höhe erklärten Einnahmen konnte der Beklagte im Rahmen der Schätzung davon ausgehen, dass die tatsächlichen über die S vereinnahmten Erlöse im Jahr 2000 etwa genauso hoch waren wie im Folgejahr, zumal die von der S bescheinigten Beträge für 2000 sogar höher waren als die für 2001.
2. a) In der mündlichen Verhandlung wurden keine Beweisanträge gestellt. Die Zeuginnen T und G wurden nicht in die Sitzung gestellt.
b) Der schriftsätzlich gestellte Antrag auf Vernehmung der Zeuginnen T und G per Videokonferenz wird abgelehnt. Das Gericht ist auch nicht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes zu weiteren Ermittlungen verpflichtet.
Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es muss daher hinreichend substantiierten Beweisanträgen entsprechen. Die prozessuale Mitwirkungspflicht verlangt dafür von den Beteiligten, Beweisanträge nur zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen. Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Januar 2010 III S 11/09 (PKH), BFH/NV 2010, 934; vom 7. Dezember 2006 VIII B 48/05, BFH/NV 2007, 712 m.w.N). Im Übrigen darf selbst ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig ist (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. September 2011 X B 69/11, BFH/NV 2012, 32; vom 17. November 2009 VI B 11/09, BFH/NV 2010, 650, m.w.N.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Antrag auf Zeugenvernehmung nicht ausreichend substantiiert. Er benennt keine konkrete Tatsache, zu der die Zeuginnen aussagen könnten, sondern weist auf drei schriftlich vorliegende Stellungnahmen der S hin, von denen auch nur eine von Frau S T abgefasst wurde. Einem (substantiierten) Antrag auf Zeugenvernehmung muss das Gericht zudem nur dann folgen, wenn der Zeuge namhaft gemacht und die ladungsfähige Anschrift angegeben worden ist. Der Kläger benennt in seinem Antrag nur die Namen der beiden Zeuginnen. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, wie sie überhaupt für eine Vernehmung erreichbar sein sollen, denn es fehlt jegliche Adressangabe. Darüber hinaus weist der Antrag des Klägers auf einen Auslandsbezug des Sachverhaltes hin. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ergibt sich aus § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) bei Auslandssachverhalten jedoch eine Beweismittelbeschaffungspflicht. Danach muss, soweit die zu beweisende Tatsache einen Auslandsbezug aufweist, ein im Ausland ansässiger Zeuge ohne Ladung in der mündlichen Verhandlung gestellt werden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. November 2010 III B 158/09, BFH/NV 2011, 299, m.w.N.).
c) Der Aufenthaltsort der benannten Zeuginnen ist dem Gericht nicht bekannt. Ausweislich der in der Sitzung verlesenen Handelsregisterabfrage des Kantons X wird die S liquidiert, Forderungen sollten bis zum 18. April 2011 unter der Adresse … strasse, X, angemeldet werden. Ob dort noch Geschäftsräume vorhanden und die Zeuginnen erreichbar sind, ist nicht bekannt. Möglicherweise befindet sich die Zeugin S T in E auf den Kanalinseln, wie sich aus dem Brief eines anderen Beschuldigten an die S ergibt. Auch der derzeitige Aufenthaltsort und die ladungsfähige Anschrift der Zeugin G sind unbekannt. Eine Vernehmung per Videokonferenz ist nicht möglich.
3. Die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre konnten aufgrund neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordung (AO) geändert werden.
a) Bei Erlass der geänderten Bescheide für die Jahre 2002 bis 2004 im Januar 2008 war die reguläre Festsetzungsfrist von vier Jahren nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ab Einreichung der Steuererklärung noch nicht abgelaufen. Die Steuererklärungen der Jahre 2003 und 2004 wurden 2005 eingereicht. Die Festsetzungsfrist der 2003 eingereichten Steuererklärung 2002 wurde spätestens durch die Durchsuchung im Jahr 2007 gemäß § 171 Abs. 5 AO unterbrochen. Die Steuererklärung 2005 wurde erst aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung erstmalig veranlagt.
b) Auch für die Jahre 2000 und 2001 konnten geänderte Steuerbescheide erlassen werden. Die Festsetzungsfrist betrug gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, da der Kläger die festgesetzten Mehrsteuern hinterzogen hatte.
Der Kläger hat zur Abrechnung seiner Arbeitsstunden Managementgesellschaften eingeschaltet, deren einzige Funktion es war, erhaltene Zahlungen teilweise auf ausländische Konten umzuleiten. Dabei wurde durch entsprechend angepasste niedrigere Rechnungen die tatsächliche Höhe der Einkünfte verschleiert. Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Senates damit vorsätzlich an einem System beteiligt, dass allein der Vermeidung der Besteuerung für Teile des Honorars diente. Aus den einschlägigen Informationen der S war dies dem Kläger bekannt. Der Kläger hat seine Stundensätze mit den Auftraggebern selbst verhandelt. Mit der In hatte er eine Vereinbarung über seinen Stundensatz getroffen. Der Kläger wusste daher, welche Honorare für seine Leistungen tatsächlich gezahlt wurden. Aus seinen Steuererklärungen war ihm bekannt, dass die Honorare als Einkünfte zu versteuern sind. Trotzdem erklärte er in seinen Steuererklärungen nur einen Teil davon, nämlich die auf sein inländisches Konto geflossenen Beträge, und verschwieg die darüber hinaus gehenden Zahlungen der Managementgesellschaften. Er handelte daher mit direktem Vorsatz im strafrechtlichen Sinne.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der hierfür in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt. Bei der Entscheidung handelt es sich um die Anwendung der Rechtsprechung des BFH aufgrund von tatsächlichen Würdigungen im Einzelfall. Der Senat weicht – soweit ersichtlich – weder von einer Rechtsprechung des BFH ab, noch hat die Sache grundsätzliche Bedeutung oder dient der Rechtsfortbildung.