08.05.2003 · IWW-Abrufnummer 031058
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 26.02.2003 – 5 StR 423/02
1. Eine Telefonüberwachung nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO kann dann nicht auf den Verdacht der Geldwäsche gestützt werden, wenn eine Verurteilung wegen Geldwäsche aufgrund der Vorrangklausel des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht zu erwarten und die der Geldwäsche zugrundeliegende Tat keine Katalogtat im Sinne des § 100a StPO ist.
2. Ein entsprechender Verstoß ist grundsätzlich dann heilbar und führt nicht zu einem Verwertungsverbot für die aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, wenn die zum Zeitpunkt des ermittlungsrichterlichen Beschlusses bestehende Beweislage den Verdacht einer anderen Katalogtat des § 100a StPO - insbesondere eines Vergehens der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB - gerechtfertigt hätte.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 423/02
vom 26. Februar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 2003 beschlossen:
Tenor:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. März 2002 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in 14 Fällen sowie wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren, den Angeklagten C wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten L wegen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in vier Fällen - unter Einbeziehung einer weiteren Freiheitsstrafe - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten, die jeweils sowohl Verfahrens- als auch Sachrügen erheben, sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der ergänzenden Erörterung bedarf lediglich eine Rüge, mit der die Angeklagten B und C die Verwertung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungen beanstanden.
I.
Diesen Verfahrensrügen liegt folgendes Geschehen zugrunde:
1. Nach dem Vorwurf der Anklage gehörten die Angeklagten zu einer polnischen Tätergruppe, die im großen Umfang Zigaretten aus osteuropäischen Staaten nach Deutschland schmuggelte. Diese polnische Tätergruppe lieferte die Zigaretten an eine von Vietnamesen beherrschte Organisation, die den Vertrieb der Zigaretten innerhalb Deutschlands übernahm. Die vom Angeklagten B maßgeblich geleitete polnische Gruppierung verkaufte in dem Zeitraum zwischen August und Dezember 2000 in 14 Fällen Zigaretten und verkürzte dadurch jeweils Eingangsabgaben in Höhe von zwischen 100.000 DM und 450.000 DM. Zusammen mit dem Mitangeklagten C und weiteren unbekannt gebliebenen Dritten überfiel der Angeklagte B im Dezember 2000 den vietnamesischen Zwischenhändler D und raubte diesem einen Koffer mit für den Aufkauf von Zigaretten bereitgehaltenem Kaufgeld in Höhe von 290.000 DM.
2. Von sämtlichen Tatvorwürfen hat sich die Strafkammer - allerdings unter Verwendung weiterer Beweismittel - durch die Verwertung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungen überzeugt. Eine Telefonüberwachung war zunächst Anfang August 2000 für die Anschlüsse der vietnamesischen Abnehmerseite vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin angeordnet worden, ab Oktober 2000 wurden auch mehrere Telefonanschlüsse von Personen überwacht, die im Zusammenhang mit der polnischen Gruppierung standen. Die gegen die polnischen Telefonanschlußinhaber ergangenen Beschlüsse nach § 100a StPO waren sämtlich darauf gestützt, daß der Verdacht der Geldwäsche bestehe.
II.
Die gegen die Verwertung der Ergebnisse aus der Telefonüberwachung gerichteten Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.
1. Die Rügen sind unzulässig, weil sie nicht zureichend ausgeführt sind im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung beruhen nämlich zu Teilen auf Abhörmaßnahmen, die gegen die vietnamesischen Abnehmer gerichtet waren. Die Verfahrensrügen beanstanden pauschal die Verwertung der Ergebnisse der Telefonüberwachung. In den Fällen 1 bis 5 beruhte der Tatnachweis allein auf der Überwachung der Anschlüsse des vietnamesischen Abnehmerkreises, wobei die Erkenntnisse hieraus zugleich aber auch zu den Telefonüberwachungen bei den polnischen Lieferanten um den Angeklagten B führten. Die ermittlungsrichterlichen Beschlüsse über die Anordnung der Telefonüberwachung gegen die vietnamesischen Abnehmer werden von den Revisionen nicht mitgeteilt.
Dieser Vortragsmangel berührt nicht nur diejenigen Taten, bei denen sich der Tatnachweis allein auf die gegen die vietnamesischen Abnehmer gerichtete Telefonüberwachung gestützt hat. Da nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils durch die Telefonüberwachung gegen diesen Abnehmerkreis auch die Verbindung zur Tätergruppe um die Angeklagten aufgezeigt wurde, bestand ein untrennbarer Zusammenhang zwischen beiden Telefonüberwachungsmaßnahmen. Die zeitlich vorgelagerte Telefonüberwachung gegen die vietnamesische Tätergruppe war zudem nach dem Gang der Ermittlungen Voraussetzung für die zeitlich nachfolgende Telefonüberwachung gegen die Personen aus dem Umfeld der Angeklagten. Wegen dieser Zusammenhänge hätte die Verteidigung im Rahmen dieser Rüge auch jedenfalls die ermittlungsrichterlichen Beschlüsse über die Anordnung der Telefonüberwachung gegen die vietnamesischen Abnehmer mitteilen müssen.
Der Senat kann in diesem Zusammenhang dahinstehen lassen, ob der Auffassung des 3. Strafsenats zu folgen ist, wonach diejenigen Verfahrenstatsachen nicht mitgeteilt werden müssen, die für die Beurteilung der Verwertbarkeit der Überwachungsergebnisse maßgebend sind (BGH, Beschl. vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt, NJW 2003, 368, 370). Dies erscheint jedenfalls für die staatsanwaltliche Antragsschrift zweifelhaft, die regelmäßig eine geraffte Darstellung der tatsächlichen Grundlagen der die Maßnahme nach § 100a StPO rechtfertigenden Verdachtsmomente enthalten muß. Aufgrund der dort enthaltenen Begründung der Anordnungsvoraussetzungen bilden die staatsanwaltlichen Antragsschriften eine wesentliche Beurteilungsgrundlage für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Telefonüberwachungen; sie dürften deshalb grundsätzlich ebenfalls nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO mitzuteilen sein. Jedenfalls erfaßt das Vortragserfordernis nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sämtliche ermittlungsrichterlichen Beschlüsse, die Telefonüberwachungsmaßnahmen anordnen, auf deren Ergebnis sich das Urteil unmittelbar stützt, aber auch diejenigen, die Grundlage für weitere Telefonüberwachungsmaßnahmen gewesen sind, die wiederum in die Beweisführung des Landgerichts eingeflossen sind. Eine Mitteilung zumindest auch dieser ermittlungsrichterlichen Beschlüsse wäre hier notwendig gewesen, weil ohne sie der Verfahrensverstoß nicht erschöpfend geprüft werden kann. Insoweit unterscheidet sich die hier gegebene Verfahrensgestaltung auch von der Konstellation, die der genannten Entscheidung des 3. Strafsenats zugrundelag. Dort waren jedenfalls in den Revisionsbegründungen die maßgebenden Beschlüsse vollständig mitgeteilt worden (BGH aaO, NJW 2003, 368, 369).
2. Die Verfahrensrügen wären - jedenfalls soweit sie isoliert nur die Verwertung der gegen die polnischen Lieferanten angeordneten Telefonüberwachungen betreffen - im Ergebnis auch unbegründet.
a) Allerdings lagen nach Maßgabe der ermittlungsrichterlichen Beschlüsse die Voraussetzungen für eine Anordnung der Telefonüberwachung nach § 100a StPO nicht vor; denn eine Telefonüberwachung nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO kann dann nicht auf den Verdacht der Geldwäsche gestützt werden, wenn eine Verurteilung wegen Geldwäsche aufgrund der Vorrangklausel des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht zu erwarten und die der Geldwäsche zugrundeliegende Tat keine Katalogtat im Sinne des § 100a StPO ist.
aa) Mit Recht weisen die Revisionen darauf hin, daß ein Wertungswiderspruch bestünde, sofern der Verdacht der Geldwäsche nach § 261 StGB auch dann eine Telefonüberwachung rechtfertigte, wenn die der Geldwäsche zugrundeliegende Vortat nicht so schwerwiegend ist, daß deren Verdacht seinerseits eine Telefonüberwachung erlaubte. Da der Tatbestand der Geldwäsche so weit gefaßt ist, daß eine Vielzahl nach anderen Strafgesetzen pönalisierter Handlungen zugleich den Geldwäschetatbestand erfüllte, liefe das im Ergebnis darauf hinaus, daß wegen des Verdachts nahezu einer jeden Katalogtat des § 261 Abs. 1 StGB die Telefonüberwachung angeordnet werden könnte. Damit würde der vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Bedeutung des Schutzes des Fernmeldegeheimnisses durch den gegenüber § 261 Abs. 1 StGB augenfällig engeren Katalog des § 100a StPO zum Ausdruck gebrachte Wille, nur für bestimmte, besonders schwerwiegende Straftaten überhaupt die Telefonüberwachung zuzulassen, in einer unabsehbaren Anzahl von Fällen unterlaufen.
Die hier zur Entscheidung stehende Konstellation verdeutlicht diese Problematik. Nach dem Ermittlungsstand waren die Angeklagten B und L verdächtig, banden- und gewerbsmäßig Zigaretten nach Deutschland zu schmuggeln. Nach der damals gegebenen Rechtslage bestand gegen die Angeklagten damit der Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO. Diese Strafbestimmung ist keine Katalogtat nach § 100a StPO. Dagegen ist der Schmuggel Katalogtat nach § 261 Abs. 1 Nr. 3 StGB im Rahmen des Geldwäschetatbestandes. Da mit dem Schmuggel regelmäßig eine Geldwäschehandlung verbunden sein wird, weil die Schmuggler Schmuggelgüter und -erlöse grundsätzlich verbergen werden, um deren Sicherstellung zu vereiteln, ginge der Verdacht einer Beteiligung am Schmuggel an sich mit dem Verdacht der Beteiligung an einer tatbestandlichen Geldwäschehandlung einher. Dies könnte zwar die Telefonüberwachung rechtfertigen, eine Bestrafung nach dem Geldwäschetatbestand wäre aber - schon bei Anordnung klar absehbar - nach der Subsidiaritätsklausel des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB ausgeschlossen. Eine nahezu identische Problemlage würde im übrigen bestehen, wenn der Verdacht eines gewerbsmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB), eines gewerbsmäßigen Diebstahls (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) oder der Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 und Abs. 3 StGB) bestünde. Ohne daß diese Aufzählung abschließend ist, wäre allen diesen Sachverhaltskonstellationen gemeinsam, daß zwar für den Verdacht der Vortat der Geldwäsche eine Telefonüberwachung nicht in Betracht käme, weil die entsprechenden Delikte keine Katalogtaten im Sinne des § 100a StPO sind. Da jedoch regelmäßig - schon wegen der Verschleierung der Tatbeute - gleichzeitig eine Geldwäsche gegeben wäre, könnte über diesen Umweg eine Telefonüberwachung wegen des Verdachts der Geldwäsche angeordnet werden, obwohl - wie bei Anordnung bereits absehbar - im Ergebnis später wegen der Subsidiaritätsregelung nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB eine Verurteilung wegen Geldwäsche ausschiede.
bb) Dieses Spannungsverhältnis kann nicht dadurch gelöst werden, daß allein auf die formelle Tatbestandserfüllung des § 261 StGB abgestellt wird (vgl. Meyer-Abich NStZ 2001, 465 f.). Diesen Weg ist das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung gegangen. Es hat die Problematik gesehen und die Verwertung dennoch für zulässig erachtet, weil der Verdacht der Geldwäsche auch dann bestehe, wenn ein persönlicher Strafausschließungsgrund (hier: § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB) die Strafbarkeit hindere.
Zwar reicht für eine Anordnung nach § 100a StPO grundsätzlich allein der Verdacht hinsichtlich des tatbestandlichen Vorliegens einer Katalogtat aus; auf mögliche Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe soll es mithin nicht ankommen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 100a Rdn. 6 m. w. N.). Es kann dahinstehen, inwieweit dieser Ansatz auf sonstige persönliche Strafausschließungsgründe übertragen werden kann. Auf den persönlichen Strafausschließungsgrund nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB ist er jedenfalls nach dessen Sinn und Zweck nicht übertragbar. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 20. September 2000 - 5 StR 252/00 - bereits ausgef ührt hat, dient die Regelung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB in ihrer Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4. Mai 1998 (BGBl I 845) der Schließung von Strafbarkeitslücken für die Fälle, in denen eine Ahndung wegen der Vortat aus tatsächlichen Gründen nicht erfolgen konnte. Durch die damalige Neufassung sollte sichergestellt werden, daß bei unklarer Täterschaft - im Wege der Postpendenzfeststellung - jedenfalls wegen Geldwäsche verurteilt werden kann, wenn zumindest deren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (BGH aaO, BGHR StGB § 261 Abs. 9 Satz 2 Vortat 1). Eine Doppelbestrafung wegen der Vortat und der Geldwäschehandlung war - so ausdrücklich die Gesetzesbegründung (BTDrucks. 13/8651, S. 11) - nicht gewollt (vgl. hierzu auch Harms/Jäger NStZ 2001, 236, 238). Insoweit bildet die Regelung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB, die zwar als persönlicher Strafausschließungsgrund gefaßt ist, in der Sache eine Konkurrenzregel, die eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche immer dann ausschließt, wenn der Täter bereits wegen der Beteiligung an der Vortat strafbar ist (BGH aaO).
cc) Der Vorrang der zugrundeliegenden Katalogtat nach § 261 Abs. 1 StGB muß auch bei der Bestimmung der sich ankn üpfenden Rechtsfolgen Beachtung finden. Hinsichtlich der Strafzumessung hat der Bundesgerichtshof zum Verhältnis zwischen Katalogtat und nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB verdrängter Geldwäsche ausgeführt, daß insoweit eine wertende Betrachtung erforderlich ist. Danach muß bei der Strafzumessung der Strafrahmen der zugrundeliegenden Katalogtat die Obergrenze bilden (BGH aaO, insoweit abgedruckt in BGHR StGB § 261 Strafzumessung 3). Dieses Ergebnis hat der Bundesgerichtshof aus der Rechtsähnlichkeit der Geldwäsche zur Begünstigung entwickelt. Deshalb kann auch der Rechtsgedanke des § 257 Abs. 2 StGB herangezogen werden, wonach die Strafe für die Begünstigung nicht schwerer sein darf als die für die Vortat angedrohte Strafe (vgl. dazu BGHR StGB § 257 Abs. 2 Verjährung 1).
Derselbe Grundgedanke ist auch auf verfahrensrechtliche Eingriffsbefugnisse zu übertragen. Auch diese können für den Auffangtatbestand grundsätzlich nicht weitergehen als für die Haupttat selbst. Wenn der Gesetzgeber den gewerbsmäßigen Schmuggel nicht für schwerwiegend genug erachtet, um hierfür die Telefonüberwachung zuzulassen, muß diese Wertung bei einer zugleich vorliegenden Geldwäsche gleichermaßen durchschlagen, insbesondere weil dem Schmuggel eine Geldwäschehandlung tatbestandlich immanent ist (vgl. HansOLG Hamburg StV 2002, 590). Ein sachlicher Grund, der für den (an sich zurücktretenden) Geldwäschetatbestand eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich.
Im Ergebnis kann deshalb der Verdacht einer tatbestandlichen Handlung nach der Strafvorschrift der Geldwäsche eine Telefonüberwachung nur rechtfertigen, soweit die zugrundeliegende Vortat der Geldwäsche selbst eine Katalogtat nach § 100a StPO ist oder dies zumindest nicht auszuschließen ist. Jedenfalls aber in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in denen sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anordnung der Telefonüberwachung bereits absehen läßt, daß eine Strafbarkeit wegen Geldw äsche aufgrund der Vorrangregelung des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht in Betracht kommen wird, kann die Anordnung nicht mehr auf den Geldwäschetatbestand gestützt werden, falls die zugrundeliegende Haupttat eine Telefonüberwachung nicht zuläßt (so auch HansOLG Hamburg aaO; Meyer-Abich aaO).
dd) Diese einschränkende Auslegung des § 100a StPO ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Die Telefonüberwachung greift in den Kernbereich des Grundrechts nach Art. 10 GG ein. Schon diese Grundrechtsrelevanz erfordert eine an den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Verhältnismäßigkeit orientierte Bestimmung der Eingriffstatbestände. Die Befugnis der Strafverfolgungsbehörden zur Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ist in §§ 100a, 100b StPO nach Voraussetzung, Umfang und Zuständigkeit abschließend geregelt (Nack in KK 4. Aufl. § 100a Rdn. 1 m. w. N.). Dies schließt eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmung aus (BGHSt 26, 298, 303; 31, 296, 298). Wegen der Bedeutung des Grundrechts ist die Fernmeldeüberwachung nur bei bestimmten Katalogtaten und einer erhöhten Verdachtslage zulässig, wenn kein weniger belastendes Aufklärungsmittel zur Verfügung steht (vgl. W. Schmidt in Mitarbeiter-Kommentar zum Grundgesetz, 2002, Art. 10 Rdn. 107 m. w. N.).
Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben verlangen eine restriktive Auslegung des Eingriffstatbestandes für die Zulassung einer Telefonüberwachung bei dem Verdacht der Geldwäsche. Ein Anknüpfen allein an den Geldwäschetatbestand als Eingriffsnorm für die Telefonüberwachung würde - wie ausgeführt - im Ergebnis dazu führen, daß jeder Verdacht der Beteiligung an einer Katalogtat der Geldwäsche praktisch die Telefonüberwachung ermöglichen k önnte, obwohl aufgrund der gesetzgeberischen Wertung, wie sie in § 100a StPO ihren Ausdruck gefunden hat, eigentlich der verdachtbegründende Vorwurf nicht als genügend schwerwiegend eingestuft wurde. Der ohnedies nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB zurücktretende Geldwäschetatbestand ist - seiner Zweckbestimmung als Auffangtatbestand entsprechend - tatbestandlich so weit gefaßt, daß hierunter nahezu jede einem Vermögensdelikt nachgelagerte Handlung subsumiert werden kann. Die hier notwendige restriktive Auslegung, die bei einem derart erheblichen Grundrechtseingriff geboten ist, muß deshalb zu dem Ergebnis führen, daß die Geldwäsche eine Telefonüberwachung jedenfalls dann nicht mehr legitimieren darf, wenn eine Verurteilung wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht mehr ernsthaft in Betracht kommt. Die in § 100a StPO zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsabwägung durch den Gesetzgeber wird in der Rechtsanwendung nur gewahrt, indem bei dem Verdacht der Geldwäsche letztlich auch auf die zugrundeliegende Tat abgestellt wird. Diese Strafvorschrift gibt der Tat ihr eigentliches Gepräge und muß deshalb auch den Anknüpfungspunkt dafür bilden, ob eine Telefonüberwachungsmaßnahme nach der in § 100a StPO zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung des Gesetzgebers angeordnet werden darf.
b) Die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Telefonüberwachung führt regelmäßig zu einem Verwertungsverbot, wenn die Voraussetzungen nach § 100a StPO bei ihrem Erlaß nicht vorlagen (BGHSt 31, 304, 308; 32, 68, 70). Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen der Verdacht einer Katalogtat von vornherein nicht bestanden hat (BGHSt 41, 30, 31).
Ob der Verdacht einer Katalogtat gegeben war, ist allerdings im Revisionsverfahren nur begrenzt überprüfbar, weil dem darüber zur Entscheidung berufenen Ermittlungsrichter insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht. Entscheidend ist deshalb, daß die Anordnung - rückbezogen auf den Zeitpunkt ihres Erlasses - wenigstens noch als vertretbar erscheint (BGHSt 41, 30; BGH, Beschl. vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt, NJW 2003, 368, 369).
Bei der hier gegebenen Fallgestaltung kann zwar schon aufgrund der in den Urteilsgründen mitgeteilten Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung gegen den vietnamesischen Abnehmerkreis ein zureichender tatsächlicher Tatverdacht nicht zweifelhaft sein. Unzutreffend war allerdings die rechtliche Bewertung der Verdachtslage. Insoweit ist der Ermittlungsrichter nämlich rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, daß das verdachtbegründende Verhalten als Geldwäsche strafbar sei und mithin die Telefonüberwachung nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO angeordnet werden könne. Dieser juristische Bewertungsfehler, der zur Rechtswidrigkeit der Anordnungen über die Telefonüberwachung führt, wäre generell geeignet, ein Verwertungsverbot für die aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse nach sich zu ziehen.
Dies würde im übrigen auch für die Raubtat gelten (Fall 15), für deren Nachweis das Landgericht gleichfalls Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung herangezogen hat. Die Erkenntnisse hierüber waren Zufallsfunde, weil die Telefonüberwachung hinsichtlich anderer Taten angeordnet war. Nach § 100b Abs. 5 StPO wäre ein solcher Zufallsfund zwar grundsätzlich verwertbar, weil sich die Erkenntnis auf eine Straftat bezog, die ihrerseits wiederum Katalogtat nach § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO in Verbindung mit §§ 249, 250 StGB war (vgl. BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot 10). Für die Verwertung solcher Zufallsfunde ist jedoch gleichfalls Voraussetzung, daß jedenfalls die ursprüngliche Telefonüberwachungsmaßnahme rechtmäßig angeordnet wurde (vgl. BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot 5, 8, 10).
Die fehlerhafte Anordnung der ursprünglichen Telefonüberwachung würde deshalb hier dazu führen, daß sämtliche auf dieser rechtswidrigen Grundlage gewonnen Erkenntnisse nicht verwertet werden dürften.
c) Der rechtliche Bewertungsfehler des Ermittlungsrichters wäre hier jedoch dann heilbar, wenn aufgrund der damaligen Beweislage der Verdacht auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB (Katalogtat gemäß § 100a Satz 1 Nr. 1 lit. c StPO) bestand.
aa) Eine Verwertung der Ergebnisse der Telefonüberwachung ist nämlich auch dann möglich, wenn die Anordnung der Telefonüberwachung nach § 100a StPO auf eine andere Katalogtat hätte gestützt werden können. Dabei ist auf der Grundlage der Verdachtssituation zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungen über die Telefonüberwachungsmaßnahmen zu entscheiden, weil spätere Erkenntnisse eine ursprünglich rechtswidrige Anordnung nicht mehr im Nachhinein zu legitimieren vermögen (vgl. BGH, Beschl. vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt, NJW 2003, 368, 370; BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot 10). Deshalb kommt eine entsprechende Auswechslung der rechtlichen Begründung für die Anordnung einer Telefonüberwachung nur in Betracht, soweit derselbe Lebenssachverhalt betroffen ist, auf den sich der Verdacht bezieht, und die Änderung der rechtlichen Grundlage für die Telefonüberwachung der damals bestehenden Ermittlungssituation nicht ein völlig anderes Gepräge geben würde (BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot 10). Dabei kann allerdings eine entsprechende Neubestimmung der rechtlichen Grundlagen für die Anordnung der Telefonüberwachung ausnahmsweise sogar noch im Revisionsverfahren vorgenommen werden, wenn die hierfür notwendige Tatsachengrundlage sich für das Revisionsgericht aufgrund der Urteilsgründe oder des im Zusammenhang mit der Verfahrensrüge mitgeteilten Sachverhalts in der maßgeblichen rückschauenden Betrachtungsweise zweifelsfrei ergibt.
bb) Diese Voraussetzungen sind hier, soweit eine Sachprüfung im Rahmen des insgesamt nicht vollständigen Revisionsvortrags möglich ist, gegeben. Der Senat kann sicher feststellen, daß zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungen über Telefonüberwachungen gegen die polnische Lieferantengruppe ein zureichender Verdachtsgrad für das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB bestanden hat, der nach § 100a Satz 1 Nr. 1 lit. c StPO die Anordnung der Telefonüberwachung gleichfalls gerechtfertigt hätte. Dies ergibt sich schon aus den Feststellungen des Landgerichts zu den Ergebnissen über die Telefonüberwachungen gegen die vietnamesischen Abnehmer. Diese Erkenntnisse haben bei dem Angeklagten B hinsichtlich der früheren Taten (Fälle 1 bis 5) zur Überführung beigetragen. Die gegen die vietnamesischen Abnehmer gerichteten Telefonüberwachungen erfolgten vor der Anordnung der Telefonüberwachung gegen die polnische Lieferantengruppe. Ersichtlich begründeten erst die Erkenntnisse aus den gegen die Vietnamesen geführten Telefonüberwachungen den notwendigen Verdacht gegen die polnische Tätergruppe um den Angeklagten. Damit steht aber auch eindeutig fest, daß die in den Urteilsgründen auszugsweise mitgeteilten Erkenntnisse aus den Telefonüberwachungen gegen die vietnamesischen Abnehmer gleichzeitig die Verdachtsgrundlage gebildet haben, die dann zu den richterlichen Anordnungen auch gegen die polnischen Lieferanten geführt haben.
Für den damals begründeten zureichenden Verdacht, daß eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB gehandelt hat, ist jedenfalls belegt, daß mindestens vier Personen in die Liefervorgänge eingebunden waren; auch der Verdacht auf einen von der Rechtsprechung geforderten auf Dauer angelegten organisatorischen Zusammenschluß (vgl. BGHR StGB § 129 Gruppenwille 3) liegt jedenfalls bei der hier schon im Zeitpunkt der Anordnungen sich abzeichnenden Größe und Arbeitsteiligkeit der polnischen Lieferantengruppe vor. Diese hatte ein- oder sogar mehrmals wöchentlich Lkw mit unversteuerten Zigaretten nach Deutschland dirigiert, wobei jeweils mindestens 100.000 DM an Einfuhrabgaben hinterzogen wurden. Jedenfalls angesichts der Größenordnung der anders nicht zu bewerkstelligenden Schmuggelt ätigkeit rechtfertigte sich hier der Verdacht, es habe ein in sich einheitlicher Verband gehandelt, dessen Gruppenwille (vgl. dazu BGHR StGB § 129 Gruppenwille 1) darauf gerichtet war, Zigaretten in erheblichem Ausmaß nach Deutschland zu schmuggeln. Daß angesichts des in kurzen Intervallen jeweils bewirkten Steuerschadens auch eine erhebliche Gefahr von der polnischen Lieferantengruppe ausging (vgl. BGHSt 41, 47), war aufgrund der damals bekannten Telefonüberwachungsmaßnahmen gegen die vietnamesischen Abnehmer offensichtlich.
cc) War die Anordnung der Telefonüberwachung gegen die vietnamesische Tätergruppe ihrerseits auf den für § 100a StPO hier nicht ausreichenden Verdacht der Geldwäsche gestützt, liegt gleichfalls nicht fern, daß auch insoweit bereits zweifelsfrei ein damit einhergehender Verdacht nach § 129 StGB bestand. Dies wäre von Bedeutung unmittelbar für die Verwertung der Erkenntnisse aus jenen Telefonüberwachungen zu den Fällen 1 bis 5, aber auch für die Frage, ob der aus den Telefonüberwachungserkenntnissen gewonnene Verdacht nach § 129 StGB gegen die polnischen Lieferanten (oben bb) seinerseits auf einer rechtmäßigen Grundlage beruhte. Insoweit hindert der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unvollständige Sachvortrag der Revisionen (oben 1) eine abschließende Sachprüfung durch den Senat.