22.12.2011 · IWW-Abrufnummer 114149
Landgericht Krefeld: Urteil vom 21.10.2011 – 22 KLs 47/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Krefeld
22 KLs 47/09
Tenor:
Die Angeklagte wird wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Die Angeklagte hat nach Abschluss der X zunächst die X X X besucht mit dem Ziel, eine Ausbildung zur Erzieherin dort abzuschließen. Krankheitsbedingt konnte sie den Besuch der X nicht fortsetzen und begann eine Tätigkeit bei der X X als X. Später schloss sie eine Umschulung zur X erfolgreich ab. In diesem Beruf war die Angeklagte dann für verschiedene Arbeitgeber tätig. In diesem Zusammenhang absolvierte sie auch diverse Weiterbildungen und erwarb dabei insbesondere auch vertiefte Kenntnisse im Wirtschaftsenglisch. Kurz bevor sie im Jahre 1988 ihren späteren Lebensgefährten, Herrn X. X X, kennen lernte, erwog die Angeklagte eine Weiterbildung zur X.
Sie entschied sich dann aber dafür, zu ihrem Lebensgefährten in dessen Haus nach X zu ziehen. Im Zusammenhang mit den Veränderungen durch die Beziehung zu dem Lebensgefährten verfolgte die Angeklagte dann auch ihre beruflichen Pläne nicht weiter. Seit dem Umzug in die Wohnung nach X war die Angeklagte nicht mehr berufstätig; sie ist unverheiratet und kinderlos.
Die Angeklagte ist strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
II.
Der Lebensgefährte der Angeklagten - Jahrgang X- starb am X. Er hatte verfügt, dass die Angeklagte nach seinem Tod alleinige wirtschaftlich Berechtigte einer von ihm gegründeten Stiftung in X sein sollte. Im Zeitpunkt des Todes betrug das vorhandene Vermögen der Stiftung 3.540.482,52 €.
Der verstorbene Lebensgefährte der Angeklagten, X. X X X, gründete am 30.11.1989 die X X in X, X; verwaltet von der X X X X (X) X X, X. Zu seinen Lebzeiten war er der alleinige wirtschaftlich Berechtigte der Stiftung. Die Regelung in dem Beistatut der Stiftung vom 27.10.1999 über die Begünstigung von Personen lautete:
0"1. Stiftungsbegünstigte
1.X. X X, geboren X X X, ist zeitlebens alleiniger Erstbegünstigter.
2.Die folgenden Personen sind Anwartschaftsberechtigte und in der nachfolgenden Reihenfolge zu Begünstigten der Stiftung berufen: … 1.Nach dem Tod des Erstbegünstigten ist alleinige Zweitbegünstigte X X X, geboren am X. X X, wohnhaft; X X X, X-X X unter Berücksichtigung der einmaligen Ausschüttungen gemäß Ziffer 2 dieses Beistatuts."
In Ziffer 2 des Beistatuts war folgendes geregelt:
"2. Einmalige Ausschüttungen
2.1 Nach dem Ableben des Erstbegünstigten X. X X X und unter der Voraussetzung, dass die Zweitbegünstigte X X X in die Begünstigung eintritt, sind folgende einmalige Ausschüttungen zu entrichten:
Je DEM 250000.-- an die beiden Kinder des Erstbegünstigten. …"
Hinsichtlich des Umfangs der Begünstigung regelt Ziffer 4 folgendes:
"4. Umfang der Begünstigung
4.1. Die Begünstigung des Erstbegünstigten umfasst das gesamte Stiftungsvermögen, die Erträgnisse hieraus, sowie das allfällige Liquidationsergebnis.
4.2. Die Begünstigung der Zweitbegünstigten umfasst ebenfalls das gesamte Stiftungsvermögen, die Erträgnisse hieraus sowie das allfällige Liquidationsergebnis mit der Einschränkung der Bestimmungen gemäß Ziffer 2 dieses Beistatuts. …"
Während der Zeit des Zusammenlebens mit X. X hatte die Angeklagte keinen Einblick in finanzielle Angelegenheiten. Das gemeinsame Zusammenleben wurde von X. X finanziert; Geld zum Leben war stets vorhanden.
Erst ca. 3 Jahre vor seinem Tod erfuhr die Angeklagte von ihrem Lebensgefährten Einzelheiten: Auf einer gemeinsamen Reise nach X lernte sie auch den Ansprechpartner der in X/X ansässigen X X X X (X) X X, Herrn X. X, kennen, dem die Verwaltung oblag. Herr X. X sollte auch ihr Ansprechpartner werden, an den sie sich nach dem Tod ihres Lebensgefährten wandte.
Am Todestag, dem X, betrug das Kapital der Stiftung 3.540.482,52 €. Über dieses Geld konnte die Angeklagte nach dem Tod ihres Lebensgefährten frei verfügen. Lediglich jeweils 125.000 € wurden entsprechend der Regelung in Ziffer 2 des Beistatuts der Stiftung an die beiden Kinder des Verstorbenen ausbezahlt. Die Angeklagte wusste von dieser Begünstigung und kannte ihre Möglichkeiten, über das Stiftungsvermögen zu verfügen, so dass es ihr zugeflossen ist.
Den Erwerb des Stiftungsvermögens erklärte die Angeklagte nicht gegenüber dem zuständigen Finanzamt X.
Bei einem zum Todeszeitpunkt vorhandenen Vermögen in Höhe von 3.540.482,52 € und Ausschüttungen von insgesamt 250.000 € (2 x 125.000 €) an die beiden Kinder des Verstorbenen und unter Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 5.200 € ergibt sich bei der Angeklagten somit ein steuerpflichtiger Erwerb von 3.285.282,52 €. Bei dem hier gem. § 37 Abs. 2 ErbStG i. V .m. § 19 ErbStG a.F. anwendbaren Steuersatz in Höhe von 35 % errechnet sich daraus eine Hinterziehungssumme von 1.249.848,88 €.
Am 29.05.2008 wurde die Wohnung der Angeklagten durchsucht und diese aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts X vom 27.05.2008 festgenommen. Untersuchungshaft wurde vollstreckt bis zum 11.06.2008; bereits im Haftprüfungstermin vom 11.06.2008 räumte die Angeklagte den Sachverhalt ein. Mit Beschluss des Landgerichts X vom 17.09.2009 wurden der Haftbefehl und der Haftverschonungsbeschluss dann aufgehoben.
Die Angeklagte hat alle zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Unterlagen beigebracht und auf ein Verwahrkonto des Finanzamts X mit Wertstellung vom 10.06.2008 bereits einen Betrag in Höhe von 1.200.000 € eingezahlt.
III.
Im weiteren Verlauf bis zur Hauptverhandlung hat die Angeklagte auch eine Einigung mit den beiden Kindern ihres verstorbenen Lebensgefährten herbeigeführt. Partner dieser vierseitigen Vereinbarung ist ebenfalls die Nachlassverwalterin Rechtsanwältin X X, X, die den Nachlass des Verstorbenen X. X verwaltet. In dieser Regelung wird zunächst dargelegt, wie die Nettonachlasssumme zu ermitteln ist, d.h. welche Zahlungen vom Nachlassvermögen in Höhe des bereits genannten Betrages von 3.540.482 € abzuziehen sind. Das dann ermittelte Nettonachlassvermögen soll zu gleichen Teilen aufgeteilt werden zwischen der Angeklagten und den beiden Kindern ihres verstorbenen Lebensgefährten. Abzuziehen sind danach insbesondere zunächst die Steuerschulden des Erblassers (Einkommenssteuer), die sich - einschließlich der Zinsen bis zum Todestag – auf 1.476.923,00 € belaufen. Ferner sind Gerichtskosten in Höhe von 9.804 € in Abzug zu bringen. Schließlich sind die Kosten der Nachlassverwalterin in Höhe von 41.387,30 € abzuziehen, sodass sich nach der von der Angeklagten abgeschlossenen Vereinbarung ein Nettonachlass in Höhe von 2.012.367,70 ergibt. Der auf die Angeklagte entfallende Anteil in Höhe eines Drittels beläuft sich danach abgerundet auf 670.000 €. Bringt man hiervon – zu Gunsten der Angeklagten – noch die geschätzten Anwaltskosten in Höhe von 20.000 € sowie ihren Freibetrag in Höhe von 5.200 € in Abzug, so ergibt sich als Bemessungsgrundlage für die hier strafbefangene Erbschaftssteuer ein Betrag in Höhe von 644.800 €. Bei einem Steuersatz in Höhe von 35 % ergibt sich daraus eine Erbschaftssteuer in Höhe von 225.680 €.
Bei der Betrachtung der tatsächlichen Vermögensentwicklung der Angeklagten aus dem Erbfall ist neben dem zugewendeten Stiftungsvermögen auch die ihr zugewendete Grundschuld in Höhe von 255.645 € zu berücksichtigen. Da auch diese – nicht strafbefangene - Zuwendung erbschaftssteuerpflichtig ist, ist hinsichtlich der Vermögensentwicklung zu berücksichtigen, dass die Angeklagte tatsächlich Erbschaftssteuer in Höhe von rund 315.000 € zu zahlen haben wird. Hinzu kommen gegen sie festgesetzte Hinterziehungszinsen in Höhe von 102.877,50 €. Schließlich sind die Säumniszuschläge und Zinsen hinsichtlich der Einkommenssteuer des Erblassers zu zahlen, die zwischen dem Tod und der nunmehr erfolgten Nachzahlung angefallen sind. Diese Kosten, die nicht abzugsfähig sind, belaufen sich auf 104.436 €. Schließlich hat die Angeklagte Anwaltskosten zu tragen. Unter Berücksichtigung dessen ist davon auszugehen, dass der Angeklagten aus dem Erbfall ein restliches Vermögen in Höhe von etwa 380.000 € verbleiben wird. Dabei sind folgende Gesichtspunkte noch nicht berücksichtigt: Zum einen der Umstand, dass die als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennenden Säumniszuschläge hinsichtlich der Einkommenssteuer des Erblassers noch nicht abschließend festgesetzt sind und entsprechend der Regelung in der Vereinbarung diese Nachzahlungszinsen und Zuschläge von der Angeklagten zu tragen sind. Schließlich ist bei dieser Betrachtung der tatsächlichen Vermögensentwicklung noch nicht berücksichtigt, dass der Angeklagten das gesamte Stiftungsvermögen in dem Zeitraum nach dem Tod des Erblassers bis zur Vereinbarung zustand, mithin die Angeklagte daraus auch die Erträge gezogen hat, die ebenfalls auch noch der Besteuerung zu unterwerfen sind.
IV.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der umfassenden und geständigen Einlassung der Angeklagten in der Hauptverhandlung. Die Kammer hat sich von der Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Geständnisses durch die Beweismittel im Übrigen, insbesondere durch die Vernehmung des Zeugen X, überzeugt.
V.
Die Angeklagte hat sich damit der Steuerhinterziehung schuldig gemacht, § 370 Abs. 1 Nr. 1, §§ 30 Abs. 1, 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 ErbStG.
VI.
Die Kammer hatte für die Bemessung der Strafe den Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zugrunde zu legen, der Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Bei der Strafzumessung war zunächst von einem relevanten Steuerschaden in Höhe von rund 225.680 € auszugehen. Maßgeblich ist insoweit dieser errechnete Betrag; nach diesem – hypothetischen - Steuerschaden, bemisst sich die Strafzumessungsschuld. Denn dem Täter einer Steuerhinterziehung sind nur die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen der Tat zur Last zu legen und insoweit bei der Gewichtung seiner Tat im Rahmen der Zumessung zu berücksichtigen.
Ferner hat die Kammer bedacht, dass die Angeklagte ein frühzeitiges umfassendes und tataufklärendes Geständnis abgelegt hat und ihre Tat bereut. Die Angeklagte hat bereits in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert, die zur Aufklärung erforderlichen Unterlagen beigebracht und zeitnah dafür Sorge getragen, dass auch der Steuerschaden wiedergutgemacht wurde. Ferner hat sie eine Einigung mit den Erben herbeigeführt und veranlasst, dass auch die Steuerschulden des Erblassers – nebst Nebenzahlungen – bereits beglichen worden sind. Auch hat die Kammer zu Gunsten der Angeklagten bedacht, dass die Angeklagte mit dem Tod ihres Lebensgefährten ein bereits auf Steuerhinterziehung ausgelegtes bestehendes System vorfand, das sie selbst nicht initiiert hatte. Ferner hat die Kammer bedacht, dass die Angeklagte nicht vorbelastet ist und ihre Tat schon lange zurückliegt. Schließlich hat die Kammer auch bedacht, dass der Angeklagten nach Ausgleich aller Steuerschulden und der Einigung mit den Erben nur ein Bruchteil der ursprünglichen Stiftungssumme verbleiben wird.
Unter Berücksichtigung all dessen, insbesondere des Umstands, dass die Steuern inzwischen vollständig – und über den strafrechtlich relevanten Vorwurf hinausgehend – gezahlt worden sind, hält die Kammer eine
Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten
für tat- und schuldangemessen.
Die Vollstreckung dieser Strafe konnte nach der Überzeugung der Kammer auch zur Bewährung ausgesetzt werden, § 56 Abs. 1, Abs. 2 StGB. Die Kammer geht davon aus, dass die Sozialprognose für die Angeklagte, die strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten ist, sehr günstig ist. Auch gebietet hier die Verteidigung der Rechtsordnung nicht ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe, § 56 Abs. 3. Dabei hat die Kammer auch bedacht, dass die Angeklagte in diesem Verfahren Untersuchungshaft erlitten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.