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  • 10.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132146

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 21.12.2012 – 10 UF 81/12

    1.

    Unberechtigte Strafanzeigen des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsverpflichteten können unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu einer Verwirkung von Trennungsunterhaltsansprüchen führen.
    2.

    Bei der Billigkeitsabwägung sind Art und Umfang der erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe, die Begleitumstände und die Motivation des Anzeigenerstatters zu berücksichtigen. Vorwürfe des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten, er habe die gemeinsamen Kinder sexuell missbraucht, wiegen dabei besonders schwer (Anschluss an OLG Celle FamRZ 2008, 1627; OLG Frankfurt FuR 2005, 460).
    3.

    Der Unterhaltsberechtigte kann sich bei Strafanzeigen gegen den Unterhaltsverpflichteten wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Kinder nicht auf Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, wenn diese Anzeigen leichtfertig und ohne gravierende Anhaltspunkte erfolgen (Anschluss an OLG Frankfurt FuR 2005, 460). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die schon älteren gemeinsamen Kinder selbst einen solchen Missbrauch durchgehend in Abrede stellen und auch ansonsten keine durchgreifenden Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Unterhaltsverpflichteten bestehen.
    4.

    Gegen die Wahrnehmung von berechtigten Interessen des Unterhaltsberechtigten spricht es weiter, wenn die Vorwürfe anlässlich eines zwischen den Kindeseltern laufenden Sorgerechtsverfahrens erhoben werden und auch die übrigen objektiven Umstände es vermuten lassen, dass es dem Unterhaltsberechtigten zum Teil um die Verbesserung der eigenen Rechtsposition im laufenden Sorgerechtsverfahren ging (Anschluss an OLG Celle FamRZ 2008, 1627).
    5.

    Vor einer Selbstanzeige eines Ehegatten beim Finanzamt hat dieser im Regelfall den anderen Ehegatten vorab zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sich der Selbstanzeige anzuschließen.


    In der Familiensache
    pp.
    hat der 2. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lewin, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Splitt und den Richter am Amtsgericht Dr. Stolle auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2012
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht Lübeck vom 15. März 2012 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden Trennungs-unterhalt zu zahlen:
    August bis Dezember 2008 monatlich: 158,00 EUR
    Januar bis Mai 2009 monatlich: 235,00 EUR
    Juni bis Juli 2009 monatlich: 208,00 EUR.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Die Klägerin verlangt vom Beklagten Trennungsunterhalt.

    Die Parteien haben im Jahre 1990 miteinander die Ehe geschlossen und leben seit dem 1. August 2008 voneinander getrennt. Aus der Ehe der Parteien sind die gemeinsamen Kinder L., geboren am 17. Dezember 1993, und J., geboren am 25. Juni 1997, hervorgegangen.

    Die Klägerin zog im Jahre 2008 im Zuge der Trennung vom Beklagten aus dem gemeinsamen Familienheim aus. Die Kinder verblieben in der Obhut des Beklagten.

    Am 18. Dezember 2008 beantragte die Klägerin, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen (Amtsgericht Bad Oldesloe, Az.: ). Am 30. Januar 2009 einigten sich die Parteien dahingehend, dass die Kinder in der Obhut des Vaters verbleiben sollen und es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt. Im Juni 2009 wandte sich die Klägerin an das Jugendamt R. und an das Jugendamt B.. Sie äußerte dabei die Befürchtung, der Beklagte missbrauche die Kinder. Am 16. Juli 2009 erstattete sie gegen den Beklagten Strafanzeige wegen sexueller Nötigung zu Lasten der Kinder.

    Durch Beschluss des Senates vom 28. Februar 2011 (OLG Schleswig, Az.: ) hat der Senat dem Beklagten die alleinige elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder übertragen. Auch in diesem Verfahren hat die Klägerin nachhaltig und massiv gegen den Beklagten den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erhoben.

    Aufgrund der am 16. Juli 2009 durch die Klägerin erstatteten Strafanzeige wurde gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eingeleitet. Das Ermittlungsverfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft Lübeck unter dem Aktenzeichen geführt. Das Ermittlungsverfahren ist durch Verfügung vom 21. August 2009 eingestellt worden. Die angeblich geschädigte Tochter hat einen sexuellen Missbrauch durch den Beklagten anlässlich ihrer Vernehmung durch die Polizei in Abrede gestellt.

    Durch Schreiben vom 7. Mai 2010 hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten den Vorwurf erhoben, von ihm im Jahre 1999 vergewaltigt worden zu sein. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft unter dem 17. August 2010 ein entsprechendes Ermittlungsverfahren ein. Dieses Ermittlungsverfahren wurde durch Verfügung vom 10. Januar 2011 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Staatsanwaltschaft L. Az.: ).

    Am 25. Juni 2010 wurde aufgrund von Ausführungen der Klägerin ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs zu Lasten seiner Kinder gegen den Beklagten eingeleitet. Dieses Ermittlungsverfahren wurde am 4. November 2010 durch die Staatsanwaltschaft L. (Az.: ) eingestellt.

    Am 4. August 2009 hat die Klägerin eine Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt Lübeck eingereicht. Daraufhin wurde von der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes L. ein Verfahren gegen den Beklagten eingeleitet. Im Rahmen dieses Verfahren gab es umfangreichen Schriftverkehr zwischen der Klägerin und der Bußgeldstelle (Finanzamt Bußgeld- und Strafsachenstelle Az.: ).

    Am 14. Oktober 2010 hat die Klägerin zunächst eine Strafanzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gegen Unbekannt gestellt. Im weiteren Verlauf wurde dann unter dem Az.: bei Staatsanwaltschaft Lübeck ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes gegen Herrn G. eingeleitet. Das Ermittlungsverfahren ist eingestellt worden.

    Der Beklagte betreibt ein Versicherungsbüro für die A. Versicherung und ein Immobilienbüro. Die Klägerin arbeitet seit August 2008 wieder in ihrem ursprünglich erlernten Beruf als Steuerfachangestellte.

    Hinsichtlich der unstreitigen Einkommensverhältnisse der Klägerin und hinsichtlich der vom Familiengericht in seiner Entscheidung zugrunde gelegten Einkommensverhältnisse des Beklagten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 15. März 2012 Bezug genommen.

    Das Amtsgericht - Familiengericht - Lübeck hat den Beklagten zur Zahlung eines Trennungsunterhalts in Höhe von insgesamt 1.836,00 EUR für den Zeitraum August 2008 bis Juli 2009 verurteilt. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Familiengericht hat die Ansprüche der Klägerin auf Trennungsunterhalt für den Zeitraum ab August 2009 wegen der Vielzahl der Strafanzeigen als verwirkt angesehen.

    Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes gemäß § 1579 Nr. 5 und Nr. 8 BGB nicht erfüllt seien. Die Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs habe sie nur zum Schutz ihrer Kinder gestellt. Bei dem Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Steuerhinterziehung habe sie nur eine Selbstanzeige eingereicht. Die weiteren Strafanzeigen seien von ihrem Adoptivvater eingeleitet worden.

    Auch die Berechnung des Trennungsunterhalts sei nicht korrekt. Insbesondere sei auf einen Dreijahresschnitt in dem Zeitraum 2005 bis 2007 abzustellen. Der angesetzte Kindesunterhalt sei teilweise zu hoch.

    Darüber hinaus habe der Beklagte deutlich höhere Einnahmen. Insbesondere habe er sein Einkommen nicht vollständig angegeben. Die Parteien hätten während der Ehe einen so hohen Lebensstandard gehabt, dass von einem Einkommen von monatlich 8.000,00 EUR auszugehen sei. Weiterhin habe der Beklagte noch weitere Steuernummern gehabt.

    Die Klägerin beantragt,

    1.

    an die Klägerin für die Zeit von Januar 2009 bis einschließlich August 2009 weiteren laufenden Trennungsunterhalt in Höhe von 2.927,70 EUR monatlich und ab September 2009 3.104,70 EUR monatlichen Trennungsunterhalt, fällig und zahlbar monatlich im Voraus bis spätestens zum 3. eines jeden Monats, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank ab dem 4. eines jeden Monats zu zahlen,
    2.

    weiteren rückständigen Unterhalt in Höhe von insgesamt 12.757,03 EUR für die Monate August 2008 bis einschließlich Dezember 2008 an die Klägerin zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er ist der Auffassung, dass das Familiengericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass aufgrund der Vielzahl unberechtigter Strafanzeigen eine Verwirkung des Trennungsunterhaltsanspruches eingetreten sei. Die Heranziehung von Umsätzen bzw. Vertreterblättern zur Errechnung des Einkommens sei nicht sachgerecht. Auch die Ausführungen zum Lebensstandard seien nicht korrekt und völlig unsubstantiiert.

    Der Senat hat die oben näher bezeichneten Strafakten beigezogen.

    Mit Schriftsatz vom 9. November 2012 hat die Klägerin einzelne Mitglieder des Senats wegen Befangenheit abgelehnt. Das Befangenheitsgesuch wurde mit Beschluss vom 10. Dezember 2012 zurückgewiesen. Am 12. November hat die Klägerin einen nicht nachgelassenen Schriftsatz eingereicht.

    Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sachverhaltsdarstellung des Familiengerichts gemäß § 540 ZPO a.F. Bezug genommen.

    II.

    Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat nur in geringem Umfang Erfolg.

    Auf das vorliegende Verfahren ist die ZPO in der Fassung bis zum 31. August 2009 anzuwenden, da der Rechtsstreit im Januar 2009, mithin vor dem 31. August 2009 eingeleitet wurde, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG.

    Der Klägerin steht lediglich ein Trennungsunterhaltsanspruch im tenorierten Umfang zu. Darüber hinausgehende Trennungsunterhaltsansprüche für den Zeitraum ab August 2009 sind gemäß § 1579 Nr. 5, Nr. 7 BGB vollumfänglich verwirkt.

    1.

    Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 Abs. 1 BGB ab August 2008 zu. Gemäß § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Ehegatte, wenn und soweit die Ehegatten voneinander getrennt leben, von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Zur Berechnung des Unterhalts ist auf den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen abzustellen.

    Die Parteien leben seit August 2008 voneinander getrennt. Mit Anwaltsschreiben vom 4. August 2008 ist der Beklagte auch zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert worden, so dass ab diesem Zeitpunkt der Unterhalt gefordert werden kann, § 1361 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB.

    Der zugrundezulegende eheliche Bedarf bestimmt sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien während der Ehe. Die Einkommenslage der Klägerin ist unstreitig. Im Jahre 2008 betrug das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen der Klägerin monatlich 1.165,00 EUR. Davon waren berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von monatlich 79,95 EUR abzuziehen. Im Jahre 2009 war von einem durchschnittlichen Einkommen der Klägerin in Höhe von monatlich 1.298,00 EUR abzüglich von berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von monatlich 79,95 EUR auszugehen.

    Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse des Beklagten geht der Senat von den von Seiten der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen des Familiengerichts aus.

    Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass der Beklagten erheblich höhere Einkünfte (ca. 8.000,00 EUR monatlich) bzw. weitere bisher nicht offiziell erfasste Nebeneinnahmen haben soll, genügt dieser durchgehend unsubstantiierte Vortrag nicht den Anforderungen an die Darlegungslast.

    Insbesondere ist dieser Vortrag nicht geeignet, um die von der Klägerin geltend gemachte Unterhaltsforderung zu begründen. Denn die Klägerin verkennt bei ihren Ausführungen, dass sie die umfassende Darlegungs- und Beweislast für den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen trifft (vgl. Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, § 6 Rn. 703). Dies führt dazu, dass die Klägerin die umfassende Darlegungs- und Beweislast für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten inne hat. Demzufolge sind beim Trennungsunterhalt die Höhe der gegenwärtigen Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen und das eigene Einkommen jeweils nebst Einkünften aus Vermögen darzulegen und ggf. zu beweisen (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, § 6 Rn. 710).

    Der Vortrag der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Soweit die Klägerin sich auf einen hohen Lebensstandard während der Ehe beruft, um ihre Unterhaltsforderung zu begründen, ist dieses Vorgehen schon vom Ansatz her untauglich. Denn der hier geltend gemachte Trennungsunterhalt bezieht sich auf einen Zeitraum ab August 2008. Der angeblich hohe Lebensstandard wird jedenfalls in der Berufungsbegründung für das Jahr 2005 behauptet (Bl. 434 d.A.). Davon abgesehen, dass dieser Vortrag völlig unsubstantiiert ist, lässt ein Lebensstandard im Jahre 2005 keinerlei Schlüsse auf den ehelichen Bedarf und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten in den Jahren 2008 und 2009 zu. Auch soweit die Klägerin erstinstanzlich verschiedene Ausgabenpositionen ohne nähere Angabe der aufgewendeten Kosten und ohne nähere Angaben zur Finanzierung dieser Ausgaben aneinanderreiht, kann dies für die Begründung einer Unterhaltsforderung nicht ausreichen.

    Ebenso verhält es sich mit dem Vortrag der Klägerin zu verschiedenen Steuernummern, verdeckten Einnahmen und Vertreterblättern. Davon abgesehen, dass der Vortrag der Klägerin zu angeblichen Nebeneinnahmen des Beklagten sich in bloßen unsubstantiierten Behauptungen erschöpft, ist zu berücksichtigen, dass ein etwaiger Umsatz auf Seiten des Beklagten nichts über die tatsächliche Einkommenssituation aussagt. Denn Maßstab des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens bei Selbständigen ist grundsätzlich der Gewinn und nicht der Umsatz.

    Nicht korrekt ist auch die Ansicht der Klägerin, dass sich der eheliche Bedarf und damit ihr Anspruch auf Trennungsunterhalt nach dem durchschnittlichen Einkommen der letzten drei Jahre ermittelt. Ein Dreijahresschnitt wird grundsätzlich nur dann gewählt, wenn und soweit es um eine Prognose in die Zukunft geht. Geht es - wie hier - um abgeschlossene Zeiträume in der Vergangenheit, ist auf das jeweilige Jahr abzustellen (vgl. BGH, FamRZ 2007, Seite 1532 ff. Rn. 23). Dies ergibt sich auch aus den jeweiligen Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Stand 1.1.2008 und 1.1.2009 in Punkt 1.5). Somit ist im Rahmen der Unterhaltsberechnung auf die vom Familiengericht herangezogenen Zahlen des Jahres 2008 und 2009 abzustellen.

    2.

    Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass im Rahmen des beim Beklagten abzuziehenden Kindesunterhalts im Jahre 2008 beim Kind L. lediglich ein Betrag in Höhe von monatlich 325,00 EUR und für das Kind J. ein Betrag in Höhe von monatlich 278,00 EUR entsprechend der 3. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle anzusetzen ist.

    Auch etwaige berufsbedingte Aufwendungen des Beklagten in Höhe von 20,78 EUR können mangels substantiiertem Vortrags des Beklagten nicht in Abzug gebracht werden.

    Für den Zeitraum Januar 2009 bis Juni 2009 sind für das Kind L. ein Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 352,00 EUR und für J. in Höhe von monatlich 289,00 EUR entsprechend der 4. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle in Abzug zu bringen. Ab Juli 2009 ist auch für J. ein Betrag in Höhe von monatlich 352,00 EUR zu berücksichtigen, da er am 25. Juni 2009 das 12. Lebensjahr vollendet hat.

    Daraus ergibt sich nachfolgende Berechnung:
    Unterhaltsberechnung 08/2008 -12/2008 01/2009-05/2009 06/2009-07/2009

    Erwerbseinkommen Beklagter 1.356,16 EUR 1.706,00 EUR 1.706,00 EUR
    Vorteil PKW 300,00 EUR 300,00 EUR 300,00 EUR
    Wohnvorteil 400,00 EUR 400,00 EUR 400,00 EUR

    Gesamteinkommen 2.056,16 EUR 2.406,00 EUR 2.406,00 EUR

    Kindesunterhalt L. -325,00 EUR -352,00 EUR -352,00 EUR
    Kindesunterhalt J. -278,00 EUR -289,00 EUR -352,00 EUR

    Resteinkommen 1.453,16 EUR 1.765,00 EUR 1.702,00 EUR
    abzügl. Erwerbsbonus 1/7 207,59 EUR 252,14 EUR 243,14 EUR
    bedarfsbestimmendes Eink. 1.245,57 EUR 1.512,86 EUR 1.458,86 EUR

    Erwerbseinkommen Klägerin 1.165,00 EUR 1.298,00 EUR 1.298,00 EUR
    berufsbedingte Aufw. -79,95 EUR -79,95 EUR -79,95 EUR
    Gesamteinkommen 1.085,05 EUR 1.218,05 EUR 1.218,05 EUR

    Erwerbstätigenbonus 1/7 155,01 EUR 174,01 EUR 174,01 EUR
    Bedarfsbestimmendes Eink. 930,04 EUR 1.044,04 EUR 1.044,04 EUR

    Trennungsunterhalt 157,76 EUR
    234,41 EUR
    207,41 EUR
    Trennungsunterhalt gerundet 158,00 EUR 235,00 EUR 208,00 EUR

    3.

    Für den Zeitraum ab August 2009 ist der der Klägerin dem Grunde nach zustehende Trennungsunterhaltsanspruch unter Anwendung der §§ 1579 Nr. 5, Nr. 7 BGB vollumfänglich verwirkt.

    Die Klägerin hat durch die Vielzahl der erhobenen massiven strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Beklagten erheblich gegen die im Gegenseitigkeitsverhältnis bestehende eheliche Solidarität verstoßen, so dass es dem Beklagten unzumutbar ist, ab diesem Zeitraum Trennungsunterhalt an die Klägerin zu zahlen.

    Der Normzweck des § 1579 BGB ist es unter anderem, die Widersprüchlichkeit eines Verhaltens des Unterhaltsberechtigten zu sanktionieren, nämlich auf der einen Seite sich auf die eheliche bzw. nacheheliche Solidarität im Hinblick auf die Geltendmachung von Unterhalt zu berufen und andererseits durch das eigene Verhalten die eheliche und nacheheliche Solidarität massiv zu verletzen (vgl. BGH FamRZ 2011, Seite 791 ff.).

    Gegen diese im Gegenseitigkeitsverhältnis bestehende eheliche Solidarität hat die Klägerin in erheblichem Maße verstoßen.

    Hierbei hat der Senat zunächst die beiden unberechtigten Anzeigen der Klägerin gegen den Beklagten wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Kinder berücksichtigt (Staatsanwaltschaft L., Az.: ).

    Bei diesen beiden Strafanzeigen der Klägerin gegen den Beklagten handelt es sich um ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei der Klägerin liegendes Fehlverhalten gegenüber dem Beklagten als Unterhaltsverpflichteten i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB. Die Klägerin hat hierbei auch mutwillig, d.h. mindestens leichtfertig gehandelt.

    Denn sexuelle Gewalt gegen die eigenen minderjährigen Kinder ist ein Tatbestand, der nicht nur strafrechtlich sanktioniert wird, sondern auch durch eine ganz besondere gesellschaftliche Ächtung gekennzeichnet ist. Werden solche Vorwürfe bekannt, kann bereits dies zu einer familiären, sozialen und beruflichen Isolation des beschuldigten Elternteils führen (OLG Celle, FamRZ 2008, Seite 1627 ff. Rn. 50). Schon aus diesem Grunde darf der Verdacht nicht leichtfertig und ohne gravierende Anhaltspunkte erhoben werden (OLG Frankfurt, FuR 2005, Seite 460, 461). Beide Ermittlungsverfahren gegen den Vater sind aufgrund des offensichtlich fehlenden Tatverdachtes eingestellt worden.

    In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Diese können u.a. dann gegeben sein, wenn und soweit die Strafanzeigen auf Angaben der gemeinsamen Kinder beruhen. Dies ist hier gerade aber nicht der Fall. Insbesondere hat die angeblich geschädigte Tochter der Parteien L. im Rahmen ihrer Vernehmung ausdrücklich bekundet, dass es niemals zu sexuellen Übergriffen des Beschuldigten, ihres Vaters, zu ihrem Nachteil gekommen wäre. Die Tochter L. hat sich vielmehr anlässlich ihrer Vernehmung ausdrücklich wie folgt geäußert: "Die Frau hat nen Schaden. Ich weiß nicht, also das läuft schon länger so, dass sie versucht, meinem Vater einen reinzuwürgen...." (Bl. 56 der Ermittlungsakte Staatsanwaltschaft L. , Az.: ).

    Die angeblich Geschädigte äußerte anlässlich ihrer Vernehmung die Vermutung, dass die Mutter die Anzeige nur erstattet hätte, um eine Änderung der Sorgerechtsregelung zu erzwingen (Einstellungsbescheid vom 21.8.2009 zu dem Ermittlungsverfahren Staatsanwaltschaft Lübeck, Az.: ). Auch in dem weiteren Verfahren zu Lasten des Beklagten haben die gemeinsamen Kinder der Parteien mitgeteilt, dass es zu der von der Anzeige und behaupteten Übergriffen zu ihrem Nachteil nicht gekommen sei (Einstellungsbescheid vom 4.11.2010 der Staatsanwaltschaft L. , Az.: ).

    Allein aus diesem Grunde fehlt es an der von der Klägerin behaupteten Wahrnehmung berechtigter Interessen, da es sowohl nach Angaben der angeblich Geschädigten und auch nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keinerlei objektive Anhaltspunkte für die von der Klägerin behaupteten Übergriffe von Seiten des Beklagten gegeben hat.

    Weiter ist zu berücksichtigen, dass insbesondere dann, wenn und soweit sich das Verhalten der Klägerin aus dem Blickwinkel eines objektiven und besonnenen Betrachters unter verständiger Würdigung der Interessen der betroffenen Kinder so darstellt, als sei es der Klägerin neben der Wahrheitsfindung auch um eine Verbesserung ihrer Rechtsposition in einem familiengerichtlichen Verfahren gelegen, darin ein schwerwiegendes und unterhaltsrechtlich folgenbegründendes Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB zu sehen sein kann (vgl. OLG Celle, FamRZ 2008, Seite 1627 ff.).

    Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Strafanzeigen bzw. Beschuldigungen wurden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem gerade beendeten oder noch laufenden Sorgerechtsverfahren gestellt bzw. erhoben. So wurde die erste Strafanzeige am 16. Juli 2009 gestellt, nach dem im Januar 2009 sich herausstellte, dass die gemeinsamen Kinder in der Obhut des Beklagten verbleiben. Auch die weiteren Beschuldigungen der Klägerin erfolgten während des im Zeitraum von 2009 bis zum Beschluss des Senats vom 28. Februar 2011 laufenden Sorgerechtsverfahrens.

    Auch in dem Verfahren wegen eines versuchten Tötungsversuchs gegen den Beklagten zu Lasten der Klägerin hat die Klägerin - obwohl die Strafanzeige vom Adoptivvater der Klägerin stammt - wiederholt und fortgesetzt versucht, durch mehrere Schreiben den Verdacht und die Ermittlungen der Ermittlungsbehörde gegen den Beklagten zu richten.

    So hat sie mit Schreiben vom 18. Februar 2011 an die Staatsanwaltschaft Lübeck mitgeteilt, dass der Beklagte fortwährend über den Aufenthalt und die Lebensumstände von ihr informiert sei und darauf hingewiesen, dass der Beklagte laut einem eigenen Schreiben, wenn in Wut geraten, zu einem Mord fähig sei. Diese Behauptung wurde noch einmal durch Schreiben vom 16. Mai 2011 gegenüber der Staatsanwaltschaft wiederholt. Auch darin liegt ein erheblicher Verstoß gegen die Verpflichtung der Klägerin zur Wahrung der ehelichen Solidarität. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mehr oder minder nichtssagende und aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen des Beklagten dazu verwendet, um die Ermittlungen wegen eines Kapitaldeliktes gegen den Beklagten zu richten. Auch dieses Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten ist eingestellt worden.

    Daneben ist aufgrund des Gesamtverhaltens der Klägerin im Rahmen ihrer "Selbstanzeige" gegenüber der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes Lübeck" von einer Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 5 BGB auszugehen. Insbesondere hat die Klägerin durch ihr Verhalten erhebliche Vermögensinteressen des Beklagten massiv gefährdet.

    Auffällig ist, dass die Klägerin im Rahmen dieses Verfahrens ein außergewöhnliches Verfolgungsinteresse gegen den Beklagten zeigt. Insbesondere bei den weiteren Schreiben geht es der Klägerin offensichtlich nicht mehr darum, selbst Straffreiheit zu erlangen, sondern zum einen für ein Unterhaltsverfahren Erkenntnisse über die Einkommenslage des Beklagten zu erlangen und zum anderen dem Beklagten insoweit erheblich zu schaden. So führt sie in einem Schreiben vom 24. Juni 2012 aus, dass der Beklagte weitere beim Finanzamt nicht angegebene Einkünfte habe. Auch ist in diesem Schreiben von einem "steuerlichen Doppelleben" des Beklagten die Rede.

    Bei der Behauptung der Klägerin, sie mache diese Ausführungen nur, um Straffreiheit zu erlangen, dürfte es sich aufgrund des Gesamtverhaltens der Klägerin um einen Vorwand handeln. Weiterhin dürfte sie im Rahmen der ehelichen Solidarität auch verpflichtet sein, bei einer Selbstanzeige beim Finanzamt den anderen Ehegatten vorab zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sich dieser anzuschließen (vgl. Borth in Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Aufl. 2010, Teil VI Rn. 531).

    4.

    Aufgrund einer Gesamtwürdigung dieser Umstände sieht der Senat den Trennungsunterhaltsanspruch der Klägerin beginnend ab August 2009 (erste Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Kinder) als verwirkt an. Hierbei hat der Senat insbesondere die Schwere der erhobenen Vorwürfe und das nachhaltige Verfolgungsinteresse der Klägerin berücksichtigt.

    Bei der im Rahmen des § 1579 BGB zu bestimmenden Rechtsfolgen ist eine umfassende Billigkeitsabwägung durchzuführen (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1579 Rn. 37). Hierbei entspricht es der Billigkeit der Klägerin ab August 2009 einen etwaigen Trennungsunterhalt komplett zu versagen.

    Insbesondere sind durch den Wegfall des Trennungsunterhaltes die Interessen der gemeinsamen Kinder nicht berührt, da sie im Haushalt des Beklagten gelebt haben. Die Klägerin hat zu diesem Zeitpunkt keinerlei Kindesunterhalt gezahlt. Darüber hinaus verfügt die Klägerin im Unterhaltszeitraum über ausreichende eigene Einkünfte, um ihren Mindestbedarf zu decken. Weiterhin ist der geltend gemachte Trennungsunterhaltsanspruch der Höhe nach nur geringfügig.

    5.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 12. November 2012 bestand kein Anlass, da auch dieser Schriftsatz zu keiner anderen Beurteilung im Hinblick auf die nicht ausreichenden Darlegungen der Klägerin zum ehelichen Bedarf führt. Insbesondere besteht keine Verpflichtung des Senats den unschlüssigen Vortrag der Klägerin durch eigene Ermittlungen zu komplettieren.

    Zur Zulassung der Revision bestand hier keine Veranlassung, da es sich hier lediglich um die Anwendung einer gesicherten Rechtsprechung auf den Einzelfall handelt.

    verkündet am: 21. Dezember 2012

    RechtsgebietVerwirkung von Trennungsunterhalt durch unberechtigte Strafanzeigen