· Fachbeitrag · DSGVO
25 Fragen und Antworten: Steuergeheimnis und Datenschutz
von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin
| Das BMF hat am 12.1.18 ( IV A 3-S 0062/18/10001 ) ein Schreiben betreffend den Anwendungserlass zur AO (AEAO) veröffentlicht. Es erfolgten Anpassungen an die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und die datenschutzrechtlichen Regelungen in der AO. Die Änderungen gelten ab dem 28.5.18. |
Checkliste / Steuergeheimnis und Datenschutz | |
| Durch das Steuergeheimnis werden alle Informationen geschützt, die einem Amtsträger oder einer ihm gleichgestellten Person in einem der in § 30 Abs. 2 Nr. 1a bis c AO genannten Verfahren über identifizierte oder identifizierbare
bekannt geworden sind. Es ist unerheblich, ob diese Informationen für die Besteuerung relevant sind oder nicht. |
| Dies ist dann der Fall, wenn sie mit vorhandenen oder zugänglichen Mitteln direkt oder indirekt bestimmt werden kann ‒ insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser Person sind (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). |
| Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person (personenbezogene Daten). Hierzu zählen auch das Verwaltungsverfahren selbst, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die vom Beteiligten getroffen wurden. |
| Ja. Dem Steuergeheimnis soll auch die Identität eines Anzeigeerstatters unterliegen (ebenso BFH 7.12.06, V B 163/05, BStBl II 07, 275).
Fühlt sich jemand durch einen Anzeigeerstatter zu Unrecht angeschwärzt, kann er versuchen, die Identität der Person über einen gegen diese gerichtete Strafanzeige (etwa nach §§ 185 ff. StGB) sowie einen daran anknüpfenden Akteneinsichtsantrag nach § 406e StGB in Erfahrung zu bringen, den er auf mögliche Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB stützt.
Hat der Anzeigeerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht, soll die Finanzbehörde dies auch gemäß § 30 Abs. 5 AO den Strafverfolgungsbehörden mitteilen können. Das Gleiche gilt gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4b AO, wenn die Anzeige ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung erstattet worden ist und die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist. |
| Dem Steuergeheimnis unterliegen nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 AO auch nicht personenbezogene ‒ also anonymisierte oder pseudonymisierte ‒ Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. |
| Ein Amtsträger (bzw. eine ihm gleichgestellte Person) verletzt das Steuergeheimnis, wenn er nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 AO geschützte Daten unbefugt offenbart oder verwertet.
Das Steuergeheimnis wird auch verletzt, wenn der Amtsträger nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 AO geschützte und für ein Verfahren i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO gespeicherte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft (§ 30 Abs. 2 Nr. 3 AO). |
| Das Steuergeheimnis haben Amtsträger und die in § 30 Abs. 3 AO genannten Personen zu wahren . Amtsträger sind die in § 7 AO abschließend aufgeführten Personen. Den Amtsträgern sind nach § 30 Abs. 3 AO unter anderem die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten gleichgestellt (vergleiche insoweit § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB).
Für eine Verpflichtung kommen z. B. Schreib- und Registraturkräfte, Mitarbeiter in Rechenzentren sowie Unternehmer und deren Mitarbeiter, die Hilfstätigkeiten für die öffentliche Verwaltung erbringen, in Betracht (z. B. Datenerfassung, Versendung von Erklärungsvordrucken). |
| Offenbaren i.S. des § 30 AO ist eine Form des Offenlegens geschützter Daten i.S. des Art. 4 Nr. 2 DSGVO, umfasst aber ‒ anders als die Offenlegung ‒ auch die Übermittlung, Verbreitung und andere Formen der Bereitstellung gegenüber anderen Amtsträgern oder gleichgestellten Personen derselben Finanzbehörde.
Eine unbefugte Verwertung personenbezogener Daten eines anderen oder eines fremden Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses liegt vor, wenn die zugrunde liegenden Informationen in irgendeiner Weise ohne rechtfertigenden Grund genutzt werden. |
| Materiell-rechtlich erfolgt hier die Offenbarung erst mit tatsächlichem Zugriff auf die Daten. Werden also zum Abruf bereitgestellte Daten von der verantwortlichen Finanzbehörde vor der Einsichtnahme oder dem Abruf wieder gelöscht oder der Abruf in anderer Weise ausgeschlossen, ist keine Offenbarung erfolgt.
Gänzlich risikolos ist diese Sachverhaltskonstellation gleichwohl nicht, weil einzelne Abläufe und Gegebenheiten im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens geklärt werden können, weil jedenfalls ein Anfangsverdacht i.S. von § 152 StPO vorliegt. Allein ein solches Strafverfahren kann ‒ selbst bei Einstellung des Verfahrens ‒ belastend sein (z. B. auch durch strafprozessuale Maßnahmen. |
| Sie stellt nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten nach Art. 4 Nr. 12 DSGVO dar und löst gegebenenfalls die Mitteilungspflicht gegenüber der Datenschutzaufsicht nach Art. 33 DSGVO und auch die Benachrichtigungspflicht gegenüber der betroffenen Person nach Art. 34 DSGVO aus. |
| Nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dürfen die Daten in einem steuerlichen Verwaltungsverfahren, einem steuerlichen Straf- oder Bußgeldverfahren, einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen oder einem Rechnungsprüfungsverfahren offenbart werden. Für die Offenbarung genügt, dass es für die Einleitung oder den Fortgang dieses Verfahrens nützlich sein könnte. Die Zulässigkeit ist nicht auf die Mitteilung von Tatsachen zwischen Finanzbehörden beschränkt (z. B. Mitteilungen zwischen Zoll- und Steuerbehörden, zwischen Finanzämtern und übergeordneten Finanzbehörden).
Zulässig ist auch die Mitteilung an andere Behörden, soweit sie unmittelbar der Durchführung eines der oben genannten Verfahren dient, z. B. Mitteilungen an die Denkmalschutzbehörden im Bescheinigungsverfahren nach § 7i EStG. |
| Bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen sind gegebenenfalls die für Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten dem FG vorzulegen, damit das FG überprüfen kann, ob gegen die Zahlen der Vergleichsbetriebe Bedenken bestehen.
Da der Steuerpflichtige jedoch gemäß § 78 FGO das Recht hat, die dem FG vorgelegten Akten einzusehen, soll die Vorlage an das FG in anonymisierter Form erfolgen können (BFH 18.12.84, VIII R 195/82, BStBl II 86, 226). Das FG soll die Verwertung der vom FA eingebrachten anonymisierten Daten über Vergleichsbetriebe nicht schon im Grundsatz ablehnen dürfen (BFH 17.10.01, I R 103/00, BStBl II 04, 171). Einzelheiten werden aber im individuellen Streitfall immer wieder zu Diskussionen führen können. |
| Nach Ansicht der Rechtsprechung ‒ nein. Ein Verwertungsverbot, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, soll als Folge einer fehlerhaften Maßnahme nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden (BVerfG 2.7.09, 2 BvR 2225/08, NJW 09, 3225; BFH 4.10.06, VIII R 53/04, BStBl II 07, 227). |
| Nach § 30 Abs. 2 AO geschützte Daten dürfen den jeweils zuständigen Stellen offenbart werden, soweit dies zur Wahrnehmung von Aufsichts-, Steuerungs- und Disziplinarbefugnissen der Finanzbehörde erforderlich ist (§ 29c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 S. 1 AO).
Hiernach sind Mitteilungen an Disziplinarstellen der Finanzverwaltung zur Durchführung dienstrechtlicher Maßnahmen bei Angehörigen der Finanzverwaltung zulässig. Eine Offenbarung soll allerdings nur erfolgen, wenn die mitteilende Stelle zur Überzeugung gelangt ist, dass ein schweres Dienstvergehen vorliegt, der Sachverhalt mithin nach ihrer Auffassung geeignet erscheint, eine im Disziplinarverfahren zu verhängende Maßnahme von Gewicht zu tragen, also grundsätzlich eine Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Dienst (BVerfG 6.5.08, 2 BvR 336/07, NJW 08, 3489). |
| Dies ist etwa dann der Fall, wenn das in Rede stehende Delikt das Ansehen und die Funktionsfähigkeit des Beamtentums nachhaltig schädigen könnte (BVerwG 5.3.10, 2 B 22/09, NJW 09, 2229).
Eine Offenbarung soll daher regelmäßig geboten sein, wenn eine Steuerhinterziehung durch Beamte der Finanzverwaltung begangen worden ist. Ob dies auch dann gilt, wenn der Betroffene eine ‒ wirksame ‒ Selbstanzeige nach § 371 AO vorgenommen hat, erscheint zweifelhaft. |
| Nach § 30 Abs. 2 AO geschützte Daten dürfen den für die Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach der DSGVO zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden nur offenbart werden, wenn das Bußgeldverfahren die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich der AO betrifft (§ 30 Abs. 4 Nr. 1b AO). |
| Nein. Auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO kann eine Offenbarung nur gestützt werden, wenn die Befugnis zum Offenbaren in einem Bundesgesetz ausdrücklich enthalten ist. Die Befugnis kann in der AO selbst (z. B. § 31 AO), in anderen Steuergesetzen des Bundes oder in außersteuerlichen Vorschriften des Bundes enthalten sein. Eine Regelung in einem Landesgesetz oder einer Kommunalsatzung oder eine Bestimmung über die allgemeine Pflicht zur Amtshilfe genügt nicht. |
| Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4a AO dürfen im Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren gewonnene Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden für Zwecke der Strafverfolgung weitergeleitet werden. Die Finanzbehörden können daher z. B. die Staatsanwaltschaft auch über sogenannte Zufallsfunde unterrichten. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Erkenntnisse im steuerlichen Straf- oder Bußgeldverfahren selbst gewonnen wurden.
Kenntnisse, die bereits vorher in einem anderen Verfahren (z. B. Veranlagungs-, Außenprüfungs- oder Vollstreckungsverfahren) erlangt wurden, dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber nicht offenbart werden.
Sind die Tatsachen von dem Steuerpflichtigen (§ 33 AO) selbst oder der für ihn handelnden Person (§ 200 Abs. 1 AO) der Finanzbehörde mitgeteilt worden, ist die Weitergabe zur Strafverfolgung wegen nichtsteuerlicher Straftaten nur zulässig, wenn der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Abgabe der Mitteilung an die Finanzbehörde die Einleitung des steuerlichen Straf- oder Bußgeldverfahrens gekannt hat, es sei denn, einer der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 oder Abs. 5 AO geregelten Fälle läge vor. |
| Ja (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO). Liegt ein zwingendes öffentliches Interesse vor, macht es für die Zulässigkeit der Offenbarung keinen Unterschied, ob die Finanzbehörde aufgrund eigener Erkenntnisse von Amts wegen die zuständige Behörde informiert oder ob die zuständige Behörde unter Schilderung der Umstände, die das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses begründen, die Finanzbehörde um Auskunft ersucht.
§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO enthält eine beispielhafte Aufzählung von Fällen, in denen ein zwingendes öffentliches Interesse zu bejahen ist. |
| Ein zwingendes öffentliches Interesse ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 5a AO insbesondere gegeben, wenn die Offenbarung erforderlich ist
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| Unter diesen Begriff fallen Straftaten nicht schon deswegen, weil sie nach § 74c GVG zur Zuständigkeit des LG gehören. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall unter Abwägung der Interessen zu prüfen, ob die besonderen Voraussetzungen der Norm gegeben sind. |
| Nein. Nach § 6 SubvG müssen Behörden von Bund und Ländern Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht eines Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) begründen, den Strafverfolgungsbehörden mitteilen. Anzeigen an Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts eines Subventionsbetrugs sollen daher nur zulässig sein, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5b AO) oder die Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AO vorliegen.
Betrifft der Subventionsbetrug allerdings Investitionszulagen, so sind entsprechende Tatsachen wie bei Steuerstraftaten den Bußgeld- und Strafsachenstellen zu melden (§ 14 InvZulG 2010 i.V. mit § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO). |
| § 31a AO. Hiernach besteht eine Offenbarungsbefugnis gegenüber den für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Erstattung, Weitergewährung oder für das Belassen einer Subvention zuständigen Behörden und Gerichten. |
| Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen kommt insbesondere in Betracht, wenn daran ein zwingendes öffentliches Interesse nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO besteht.
Bei Verdacht eines besonders schweren Falls einer Umweltstraftat i.S. des § 330 StGB oder einer schweren Gefährdung durch Freisetzung von Giften i.S. des § 330a StGB soll ein zwingendes öffentliches Interesse für eine Offenbarung zu bejahen sein. Keine Offenbarungsbefugnis soll hingegen bestehen, wenn lediglich der abstrakte Gefährdungstatbestand einer Umweltstraftat wie etwa § 325 StGB (Luftverunreinigung) oder § 326 StGB (umweltgefährdende Abfallbeseitigung) erfüllt ist.
Soweit Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen steuerliche Auswirkungen haben, z. B. für die Anerkennung einer Teilwertabschreibung, soll sich die Befugnis zur Weitergabe aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ergeben, sofern die Weitergabe zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens erforderlich ist. |
| Liegen den Finanzbehörden Erkenntnisse zu Insolvenzstraftaten i.S. des §§ 283 bis 283c StGB oder zur Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO) vor, die sie im Besteuerungsverfahren erlangt haben, könnte eine Befugnis zur Offenbarung dieser Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden nur auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO gestützt werden. |
Weiterführender Hinweis
- Valder, Betriebsprüfung: Grenzüberschreitende Prüfung von Verrechnungspreisen zulässig, PStR 17, 222 ff.