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  • · Fachbeitrag · Gesetzgebung

    Nationale und europäische Maßnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs

    von RA Dr. Daniel Kaiser, KÜFFNER MAUNZ LANGER ZUGMAIER, München

    | Am 15.8.13 sind zwei Richtlinien des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs in Kraft getreten, im Zuge welcher den Mitgliedstaaten in Zukunft eine deutliche Ausweitung des Reverse-Charge-Verfahrens ermöglicht wird. Seit dem 1.9.13 gilt das Reverse-Charge-Verfahren infolge der Änderung von § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG zudem auch für bestimmte inländische Stromlieferungen. |

    1. Reverse-Charge: Lückenlose Einführung nicht in Sicht

    Eine wesentliche „Bedingung“ für das Funktionieren von Umsatzsteuerkarussellen ist das Auseinanderfallen von Steuerschuldner und Vorsteuerabzugsberechtigtem: Einerseits führen auf einzelnen Lieferstufen sogenannte Missing Trader die dem Fiskus geschuldete Umsatzsteuer nicht ab oder neutralisieren diese im Zuge von Abdeckrechnungen. Andererseits lassen sich die in der Lieferkette folgenden - auch gutgläubigen - Unternehmer die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer erstatten.

     

    Eine Ausnahme von dem umsatzsteuerlichen Prinzip des Auseinanderfallens von Steuerschuldner und Vorsteuerabzugsberechtigtem trifft § 13b Abs. 2, Abs. 5 UStG: Hiernach schuldet nicht der leistende Unternehmer, sondern vielmehr der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer. Im Rahmen von § 13b UStG fallen damit Steuerschuldnerschaft und Vorsteuerabzugsberechtigung in einer Person zusammen. Der Leistungsempfänger erklärt in seiner Umsatzsteuerdeklaration die nach den § 13b Abs. 2, Abs. 5 UStG geschuldete Umsatzsteuer und zieht diese zugleich nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer ab, sodass im Ergebnis keine Zahllast entsteht.

     

    Der Gesetzgeber könnte im Zuge einer lückenlosen Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens i.S. von § 13b UStG Umsatzsteuerkarussellen wirkungsvoll entgegenwirken. Für eine lückenlose Einführung auf nationaler Ebene wären jedoch entsprechende europarechtliche Vorgaben in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie erforderlich. Eine solche Änderung der Richtlinie erscheint derzeit politisch - unter anderem aufgrund des Widerstands einzelner Mitgliedstaaten - aber nicht realistisch.

    2. Richtlinien zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs

    Anstelle einer umfassenden Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens hat der Rat der Europäischen Union jedoch nun zwei Richtlinien zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs verabschiedet. Die bis zum 31.12.18 befristete Richtlinie 2013/43/EU regelt die fakultative und zeitweilige Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens hinsichtlich bestimmter Umsätze. Im Zuge dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten nun die Möglichkeit, das Reverse-Charge-Verfahren auf die in der Richtlinie aufgezählten Gegenstände und Dienstleistungen auszudehnen. Die Richtlinie 2013/43/EU erweitert Artikel 199a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie deutlich. Artikel 199a regelt bislang im Wesentlichen die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens bei der Übertragung von CO2-Zertifikaten. Nun können die Mitgliedstaaten das Reverse-Charge-Verfahren auch für die folgenden - aus Sicht des Rates der Europäischen Union in erhöhtem Maße betrugsanfälligen - Gegenstände und Dienstleistungen einführen:

     

    • Lieferungen von bestimmten Mobilfunkgeräten,
    • Lieferungen von bestimmten integrierten Schaltkreisen (Mikroprozessoren und CPUs),
    • Lieferungen von Gas und Elektrizität an steuerpflichtige Wiederverkäufer,
    • Übertragung von Gas- und Elektrizitätszertifikaten,
    • Erbringung von bestimmten Telekommunikationsdienstleistungen,
    • Lieferungen von Spielekonsolen, Tablet-Computern und Laptops,
    • Lieferungen von - nicht für den Endverbrauch bestimmtem - Getreide und Handelsgewächsen einschließlich Ölsaaten und Zuckerrüben sowie
    • Lieferungen von bestimmten Rohmetallen sowie Metallhalberzeugnissen einschließlich Edelmetallen.

     

    Einzelne dieser Gegenstände und Dienstleistungen sind bereits heute durch § 13b Abs. 2 UStG erfasst. Darüber hinaus ermöglicht die Richtlinie jedoch eine deutliche Ausweitung von § 13b Abs. 2 UStG. Infolge der in Gestalt der Richtlinie 2013/43/EU vorhandenen europarechtlichen Grundlage konnte am 1.9.13 auch der durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.6.13 (BGBl I 13, 1809) neu gefasste § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG in Kraft treten. Infolgedessen findet § 13b UStG seit dem 1.9.13 nun unter anderem auch hinsichtlich inländischer Stromlieferungen Anwendung, sofern der liefernde Unternehmer und der Leistungsempfänger als Wiederverkäufer i.S. von § 3g UStG auftreten.

     

    Weiter ist am 15.8.13 die ebenfalls bis zum 31.12.18 befristete Richtlinie 2013/42/EU über den Schnellreaktionsmechanismus bei Umsatzsteuerbetrugsgeschäften in Kraft getreten. Der hiermit neu geschaffene Artikel 199b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ermöglicht es den Mitgliedstaaten, als Sondermaßnahme zur Bekämpfung unvermittelt auftretender und schwerwiegender Betrugsfälle, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen finanziellen Verlusten führen, das Reverse-Charge-Verfahren einzuführen.

     

    PRAXISHINWEIS | § 13b Abs. 2 UStG liest sich bereits heute wie eine Auflistung von in der Vergangenheit durch Umsatzsteuerbetrugsgeschäfte verstärkt betroffenen Branchen. Es bleibt abzuwarten, ob, wann und in welcher Gestalt der nationale Gesetzgeber die Vorgaben der beiden Richtlinien zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs umsetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt findet das Reverse-Charge-Verfahren nur hinsichtlich der in § 13b UStG ausdrücklich geregelten Gegenstände und Dienstleistungen Anwendung. Unabhängig hiervon sollten jedoch insbesondere die Vorgaben aus der Richtlinie 2013/43/EU bereits heute in die Beratung einbezogen werden: Die dort geregelten Gegenstände und Dienstleistungen haben sich aus der Sicht des europäischen Normgebers „nach den jüngsten Erfahrungen als besonders betrugsanfällig erwiesen“, sodass insofern eine besonders sorgfältige Überprüfung von Vertragspartnern durchgeführt werden sollte.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 287 | ID 42292730