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  • · Fachbeitrag · Informationsaustausch

    Strafrechtliche Entdeckungsrisiken im Zuge neu geschaffener Transparenzvorschriften

    von RA StB Dr. Karsten Kolbe, Flick Gock Schaumburg, Bonn

    | Transparenzvorschriften bieten für den Fiskus den Reiz, dass sie Ein­nahmen in die Staatskasse spülen, ohne Steuersätze erhöhen oder neue Steuern erfinden zu müssen. Neben die nachzuentrichtenden Steuern an sich, treten empfindliche Säumniszinsen, Geldstrafen und -bußen sowie die Zahlungen nach Maßgabe von § 153a StPO . Grund genug, das strafrechtliche Entdeckungsrisiko aufgrund geänderter und neu geschaffener Transparenzvorschriften näher zu betrachten. |

    1. Informationsaustausch für Zinsen in Luxemburg ab 2015

    Einen zentralen Beitrag zur Steuerehrlichkeit im Bereich der ­Zinsbesteuerung leistet Luxemburg mit dem Übergang zum automatischen Informations­austausch für Zinsen für Zeiträume nach 2014. Für Luxemburg bedeutet die Abkehr vom System der anonymen Quellenbesteuerung einen Paradigmenwechsel. Nachdem Luxemburg sich bereits im Vorfeld im Rahmen von FATCA gegenüber den USA dazu bereit erklärt hat, Informationen über steuerliche Einkünfte zu liefern, kam das Herzogtum nicht umhin, Informationen auch gegenüber europäischen Nachbarstaaten preiszugeben.

    2. Informationsaustausch mit den USA

    Der US-amerikanische Haushaltsstreit hat der breiten Öffentlichkeit in ­jüngster Vergangenheit deutlich vor Augen geführt, dass auch die USA gut beraten sind, Steuerquellen effizient aufzudecken, insbesondere die im Ausland vorhandenen Vermögenswerte aufzuspüren. Zu diesem Zweck haben die USA im März 2010 ein neues Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinter­ziehung verabschiedet, den „Foreign Account Tax Compliance Act“, kurz ­FATCA. Danach wird ausländischen Finanzdienstleistern die Pflicht auferlegt, Kontoinformationen amerikanischer Anleger an die US-­Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) zu liefern. Das Gesetz ist zum Jahresbeginn 2013 in Kraft getreten und findet für den Quellensteuerabzug ab 2014 Anwendung. ­Ende Mai 2013 haben die Vertreter der Bundesregierung und der USA ein ­Abkommen zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sach­verhalten und zur Umsetzung des FACTA unter­zeichnet. Die Zustimmung des Bundestags erfolgte nach 2. und 3. ­Beratung, ohne dass es zu inhaltlichen Änderungen gekommen wäre.

     

    Das Abkommen tritt neben das zwischen beiden Staaten bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und bildet die Grundlage für den bislang weitreichendsten Informations­austausch zwischen beiden Staaten. Steuerhinterziehung durch das Zwischenschalten ausländischer Finanzinstitute wird ­dadurch unterbunden. Das Abkommen sieht vor, dass deutsche ­Finanzinstitute Informationen über amerikanische Kunden an die US-Steuerbehörden ­liefern, wobei der Anwen­dungsbereich weit über Zinserträge hinausgeht. Soweit sich Finanzinstitute der Kooperation gegenüber den USA verweigern, sieht FATCA einen sanktions­gleichen Quellensteuerabzug i.H. von 30 % für Erträge aus US-Anlagen vor. Da das Abkommen auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit basiert, verpflichten sich die USA im Umkehrschluss gegenüber der Bundesrepublik, Informationen über Zins- und Dividendeneinkünfte bereitzustellen.

     

    Eine Bereichsausnahme gilt für „Kleinsparer“ wobei Institutskunden mit ­einer Investitionssumme bis zu 50.000 US-Dollar als solche qualifiziert ­werden. Im Gegenzug bestehen für sogenannte „High-Value-Accounts“, d.h. Kunden mit Einlagegeldern jenseits der Millionengrenze, erweiterte Informations­pflichten im Rahmen eines Systems gestufter Mitteilungs­pflichten.

     

    Auch wenn FATCA gegenwärtig nur im Verhältnis zu den USA relevant ist, ­bietet es doch die Blaupause für ähnliche Abkommen. So arbeitet etwa die OECD an einem Standard namens TRACE (Tax Relief and Compliance ­Enhancement).

    3. Gruppenanfragen nach Art. 26 OECD-Musterabkommen

    Eine echte Neuerung des internationalen Steuerrechts im Bereich der Steuer­amtshilfe hält die Gruppenanfrage bereit. Diese erweiterte Möglichkeit der Informationsbeschaffung beruht auf dem einstimmigen Beschluss des Fiskal­komitees der OECD vom 17.7.12. Die OECD ist der wichtigste Standard­setzer im Bereich des steuerlichen Informationsaustauschs. Das OECD-Musterabkommen, dem eine Vorbildfunktion für die von Deutschland bilateral geschlossenen DBA zukommt, ermöglicht über Art. 26 den Austausch steuerlich relevanter Informationen. Das DBA verpflichtet als völkerrechtlicher Vertrag die Vertragspartner zum Austausch von Informationen, soweit diese für die Durchsetzung des nationalen Steuerrechts „voraussichtlich erheblich“ sind, was der Zielsetzung entspricht, einen Informationsaustausch „im weitest möglichen Umfange“ zu gewährleisten. Ein Informationsaustausch soll nicht nur für die ­Durchführung des Abkommens selbst (kleine Auskunftsklausel) sondern auch für die Durchführung der nationalen ­Besteuerung möglich sein (große Auskunftsklausel). Steuerliche Erheblichkeit liegt bereits dann vor, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die begehrten Daten zur Aufdeckung einer steuerlich erheblichen Einkunftsquelle führen. Darauf, ob die Informationen nach ihrer Übermittlung tatsächlich von Relevanz sind, kommt es nicht an.

     

    Die Kommentierung der OECD zu deren Musterabkommen für DBA erläutert und interpretiert die einzelnen darin enthaltenen Bestimmungen. Die ­Kommentierung wurde mit Blick auf die Möglichkeiten der Informations­gewinnung qua Rechtshilfe wesentlich geschärft. Während die Finanzver­waltung bislang in mühevoller Kleinarbeit eine Vielzahl von Einzelanfragen formulieren musste, besteht nunmehr die Möglichkeit, „spezifische Such­kriterien“ zu benennen, anhand derer die Konkretisierung durch den ­ersuchten Staat erfolgt und mit deren Hilfe eine große Menge von Daten­material zutage gefördert werden kann. Schon derzeit ist die Angabe des ­Namens oder der Adresse des Informationsinhabers nicht erforderlich. ­Künftig wird auch die individuell-konkretisierte Benennung einzelner Steuer­bürger nicht mehr vonnöten sein, was die Möglichkeiten der Herstellung steuerlicher ­Transparenz ganz wesentlich erhöht. Erforderlich ist, dass eine Selektion durch die Benennung von Fakten, Verhaltensmustern oder ­eindeutigen Identifizierungs­merkmalen möglich ist.

     

    Unzulässig sind hingegen „Fishing Expeditions“, d.h. Anfragen ins Blaue ­hinein, bei denen die gestellten Auskunftsersuchen inhaltlich nur unzu­reichend konkretisiert sind. Eine trennscharfe Abgrenzungslinie zwischen ­zulässiger Gruppenanfrage und unzulässiger Ermittlung „ins Blaue hinein“ kann nicht gezogen werden, zu unkonkret und vage bleiben die Ausführungen der OECD. Die Zulässigkeit relevanter Fragestellungen wie der Bitte um nament­liche Nennung von Kunden, die Post nur banklagernd verwahren, die regelmäßig Bargeld über- oder unterhalb einer bestimmten Summe vor­nehmen oder die in bestimmte Anlageprodukte investiert haben, bleibt ­offen.

     

    Ungeklärt ist darüber hinaus, inwieweit Gruppenanfragen mit zeitlicher Rückwirkung zulässig sind. Denkbar sind drei Szenarien:

     

    • Die geänderte Kommentierung wird als bloße Präzisierung dessen interpretiert, was ohnehin schon durch Art. 26 OECD-MA zum Ausdruck kommt. Danach wären Gruppenanfragen auch rückwirkend in zeitlich ­unbegrenztem Maße zulässig, da es sich um keine „echte“ Neuerung handelt.

     

    • Unter dem Schlagwort der „dynamischen Auslegung“ von DBA-Bestimmungen, welche durch die deutsche Finanzverwaltung favorisiert wird, läuft der Ansatz, Regelungen eines DBA nach Maßgabe der aktuellsten OECD-Kommentierung zu interpretieren und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens. Dem liegt die Vorstellung ­zugrunde, dass eine Änderung der Kommentierung auf dem überein­stimmenden Willen des Fiskalausschusses der OECD beruhe und damit letztlich auf dem Willen der OECD-Mitgliedstaaten. Die Änderung der Kommentierung habe nur klarstellende Funktion und beinhalte deshalb keine Neuerung.

     

    • Demgegenüber stellen der BGH sowie die herrschende Literaturmeinung auf die Kommentierung ab, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ­anzuwenden war (Statische Auslegung). Unter Zugrundelegung der ­statischen Auslegung wären Gruppenanfragen mit Rückwirkung damit regel­mäßig ausgeschlossen. Erst nach Neurevision des maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommens, würden Gruppenanfragen gleichsam in die Zulässigkeit „hineinwachsen“.

    4. Informationsaustausch nach der geänderten AmtshilfeRL

    Die in nationales Recht transformierte EU-Amtshilferichtlinie bietet eine weitere gesetzliche Grundlage für die Offenlegung steuerlicher ­Informationen, bemisst sich doch die Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern nach den Vorgaben der EU-Amtshilferichtlinie. Als direkte Folge der fortschreitenden Integration sieht Art. 4 der Amtshilferichtlinie nunmehr einen automatischen Informationsaustausch ab 2014 für folgende enumerativ aufgezählte Einkunftsarten vor:

     

    • Vergütungen aus unselbständiger Arbeit,
    • Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen,
    • Lebensversicherungsprodukte,
    • Ruhegehälter und
    • Eigentum an unbeweglichem Vermögen und Einkünfte daraus.

     

    Neben den automatischen Informationsaustausch tritt der Austausch steuer­lich relevanter Informationen auf Ersuchen (Art. 2 AmtshilfeRL) oder ­spontaner Basis (Art. 4 AmtshilfeRL). Ein Mitgliedstaat kann die Übermittlung von Informa­tionen nicht deshalb ablehnen, weil diese Informationen sich bei einer Bank, einem Finanzinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter oder Treu­händer befinden. Eine Berufung auf das Bankgeheimnis scheidet damit aus.

    5. Neu geschlossene DBA mit großer Auskunftsklausel

    Abgerundet werden die jüngsten Entwicklungen im Bereich des steuerlichen Informationsaustauschs durch eine Reihe neu geschlossener DBA mit denen neue Möglichkeiten der Informationsbeschaffung einhergehen. So wurde mit Liechtenstein erstmals ein DBA geschlossen, das zum 1.1.13 in Kraft ­getreten ist. Das revidierte Abkommen mit Luxemburg ist Anfang 2014 in Kraft ­getreten und enthält in Art. 25 eine große Informationsaustausch­klausel, die dem OECD-Standard für Transparenz und effektiven Informations­austausch des Art. 26 OECD-MA entspricht.

     

    Daneben wurde mit Singapur eine Verbesserung der steuerlichen Zusammen­arbeit im Bereich des Informations­austauschs beschlossen (BMF-Pressemitteilung vom 14.10.12). Beide Seiten haben vereinbart, steuerliche Informationen künftig gemäß dem international geltenden Standard für Transparenz und effektiven Informationsaustausch auszutauschen. Rechtlich erfolgt die Änderung durch Revision des zwischen beiden Staaten bestehenden DBA.

    6. Fazit

    Die Entwicklungen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Steuer­sachen gehen eindeutig Richtung automatischen Informationsaustausch. Die hierdurch erzeugte Transparenz bringt Licht ins Dunkel bislang steuerlich nicht erklärter Einkunftsquellen und führt zur Tatentdeckung geheim ­gehaltener Erträgen. Zugleich zeigt sich, dass anonyme Abgeltungs­lösungen zunehmend der Vergangenheit angehören und heute bestenfalls noch als Zwischenlösung fungieren. Der Austausch steuerrelevanter Daten an sich hat dabei noch nicht zur Konsequenz, dass die durch die Selbstanzeige zu beschreitende „goldene Brücke“ in die Steuerehrlichkeit versperrt wäre. Dies gewinnt erst auf einer zweiten Stufe an Relevanz, nämlich dann, wenn die erhaltenen steuerrelevanten Informationen mit den individuell erklärten Einkünften zum inhaltlichen Abgleich gebracht werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Holenstein, Machen Gruppenanfragen nach OECD-Standard den Ankauf gestohlener Bankdaten überflüssig?, PStR 13, 269 ff.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 11 | ID 42400799