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  • · Fachbeitrag · Kryptowährungen

    Steuerhinterziehungen bei Kryptowährungsgewinnen im Privatvermögen

    von RA Martin Figatowski, LL.M. (Tax), GTK Rechtsanwälte Klein Figatowski Todtenhöfer PartmbB

    | Derzeit ist der Bitcoin auf Kurs in Richtung Allzeithoch. Auch Alternativen zu der Leitkryptowährung wie Ether, Ripple, Polkadot und andere bewegen sich in die gleiche Richtung. Spätestens seit den positiven Kursausbrüchen 2017 dürften private Veräußerungsgeschäfte mit Kryptowährungen die Aufmerksamkeit der Steuerbehörden geweckt haben. Eine Entscheidung des FG Nürnberg bietet nun Anlass, sich mit einer möglichen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Kryptowährungsgewinnen zu beschäftigen. |

     

    Sachverhalt

    Der Antragsteller (A) reichte für 2017 eine Steuererklärung mit einem Gewinn von 102.141 EUR aus dem An- und Verkauf von Kryptowährungen ein. Das FA ordnete diesen Gewinn den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften zu und setzte daraufhin die Steuer auf 50.886 EUR fest. Bei der Festsetzung der Einkommensteuer übernahm das FA die Angaben des A, ohne weder zu ermitteln, wie er die Veräußerungsgewinne berechnet hat noch um welche Kryptowährungen es sich genau handelt. Gegen den Steuerbescheid legte der A Einspruch ein. Einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kam das FA nicht nach. Das FG gab dem A jedoch Recht.

     

    Entscheidungsgründe

    Das FG Nürnberg gab dem Antrag nach § 69 FGO statt und setzte den Steuerbescheid von der Vollziehung aus (8.4.20, 3 V 1239/19, Abruf-Nr. 216708). Nach Ansicht des FG Nürnberg habe das FA bereits entgegen § 88 AO den für die Besteuerung relevanten Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung hätte sich das FA insbesondere mit den technischen Einzelheiten der Kryptowährung auseinandersetzen und feststellen müssen, „was besteuert werden soll“.

     

    In rechtlicher Hinsicht sei nach Ansicht des FG Nürnberg die Einordnung einer Kryptowährung als „anderes Wirtschaftsgut“ i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG mangels einschlägiger Rechtsprechung des BFH bislang ungeklärt. Zugleich verwies es auf eine Entscheidung des FG Baden-Württemberg, das in einem obiter dictum habe durchblicken lassen, dass es eine Besteuerung von Spekulationsgeschäften mit Kryptowährungen aufgrund eines strukturellen Erhebungsdefizits nicht für zulässig halte (vgl. FG Baden-Württemberg 2.3.18, 5 K 2508/17, EFG 18, 1167). Jedenfalls müsse nach Ansicht des FG Nürnberg „bei der steuerrechtlichen Qualifizierung einer Kryptowährung als Wirtschaftsgut schon möglichst klar sein, worüber man eigentlich entscheidet“.

     

    Relevanz für die Praxis

    Es handelt sich erst um die zweite finanzgerichtliche Entscheidung, die sich zu der Besteuerung von Kryptowährungen im Privatvermögen verhält.

     

    Trotz der Entscheidung des FG Nürnberg sollten steuerliche Berater darauf achten, dass bei Veräußerungsgewinnen mit Kryptowährungen unter den Voraussetzungen der § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG entsprechende Angaben im Rahmen der Einkommensteuererklärung erfolgen, vgl. § 90 Abs. 1 S. 1, § 150 Abs. 2 AO. Bekanntlich können Spekulationsgeschäfte mit (anderen) Wirtschaftsgütern als privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG besteuert werden, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt und die Freigrenze von 600 EUR pro Kalenderjahr überschritten ist. Noch im vergangenen Jahr hat das FG Berlin-Brandenburg die Besteuerung von Kryptowährungsgewinnen im Privatvermögen unproblematisch als privates Veräußerungsgeschäft beurteilt und die Ansicht der Finanzverwaltung bestätigt (FG Berlin-Brandenburg 20.6.19, 13 V 13100/19, Abruf-Nr. 211543).

     

    PRAXISTIPP |

    Bei wenigen Trades mit Kryptowährung kann es sich im Rahmen der Steuererklärung anbieten, der Anlage SO (Sonstige Einkünfte) eine Excel-Tabelle beizulegen, aus der die Anschaffung und die Veräußerung sowie die damit im Zusammenhang stehenden Kosten hervorgehen. Ferner sollte die Art der Verwendungsreihenfolge (i. d. R. First-in-First-out, FIFO) angegeben werden. Schließlich empfiehlt sich, für jede Kryptowährung eine eigene Excel-Tabelle zu erstellen.

     

    Eine einfache Excel-Tabelle könnte bei einem Verkauf der Kryptowährung Ether (ETH) (Symbol: Ξ ) über die Plattform Coinbase für das Jahr 2020 wie folgt aussehen:

     

    • Verkauf von ETH über Coinbase im Jahr 2020
    Verwendungsreihenfolge: FIFO
    Nr.
    K-Datum
    Preis
    Kosten
    V-Datum
    Preis
    Kosten
    Gewinn

    1.

    10.1.

    2.500 EUR

    25 EUR

    30.4.

    3.500 EUR

    25 EUR

    900 EUR

    2.

    30.6.

    3.500 EUR

    50 EUR

    31.12.

    4.300 EUR

    50 EUR

    700 EUR

    3.

    Gewinn/Verlust:

    1.600 EUR

     

    Da die Finanzverwaltung sich momentan bei der Besteuerung von Kryptowährungen ausschließlich auf die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg stützt, dürfte ein Verstoß gegen die Erklärungspflichten mit großer Wahrscheinlichkeit die Einleitung eines Strafverfahrens wegen einer Steuerhinterziehung nach § 369 Abs. 1 Nr. 1, § 370 AO nach sich ziehen.

     

    Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands einer Steuerhinterziehung ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung aufgrund der zunehmenden Bekanntheit von Kryptowährungen ein Bewusstsein für eine steuerliche Relevanz bei Steuerpflichtigen unterstellt (vgl. zu dieser Parallelwertung in der Laiensphäre BFH 10.1.19, 1 StR 347/19, BFH/NV 19, 670). Hält der Steuerpflichtige die Existenz eines Steueranspruchs für möglich und lässt er die Finanzbehörden über die Besteuerungsgrundlagen gleichwohl in Unkenntnis, handelt er mit bedingtem Vorsatz (so BGH 8.9.11, 1 StR 38/11, BFH/NV, 11, 2221).

     

    PRAXISTIPP | Vielversprechender erscheint es daher, die Auseinandersetzung mit der Finanzverwaltung insbesondere im Rahmen des objektiven Tatbestands von § 370 Abs. 1 AO zu führen. Selbstverständlich sollten parallel entsprechende Steuerbescheide gegenüber dem Veranlagungs-FA mit dem Einspruch „offengehalten“ werden.

     

    Konkret bietet sich als Anknüpfungspunkt im Rahmen der strafrechtlichen Auseinandersetzung der Streit an, ob es sich bei Kryptowährungen überhaupt um andere Wirtschaftsgüter i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG handelt (instruktiv dazu sowie zu den technischen Grundlagen von Kryptowährungen: Schroen, DStR 19, 1369; Andres/Stoffels, NWB 7/2020). Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Begriff des Wirtschaftsguts weit zu fassen. Er umfasst u. a. sonstige Vorteile, tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind (vgl. nur BFH 26.11.14, X R 20/12, BStBl II 15, 325).

     

    Kryptowährungen sind zivilrechtlich weder Sachen (mangels Körperlichkeit) noch Forderungen (es gibt keine Person, der gegenüber ein Anspruch erhoben werden kann). Vielmehr handelt es sich um sonstige Gegenstände nach § 453 Abs. 1, 2. Alt. BGB, deren Übertragung durch einen technischen Eintrag auf der jeweiligen Blockchain bewirkt wird. Gegen eine Einordnung jeder Kryptowährung als Wirtschaftsgut spricht daher insbesondere, dass eine für die Annahme eines Wirtschaftsguts „objektiv werthaltige Position“ zweifelhaft ist.

     

    Derzeit bestehen 7.637 verschiedene Kryptowährungen (Stand: 10.11.20). Ausweislich der Kryptobörse „coinmarketcap.com“ kann für den „Innovative Bioresearch Coin“ als letzte Kryptowährung auf dem Listenplatz 2351 eine Gesamt-Marktkapitalisierung von 65 Dollar festgestellt werden (Stand: 10.11.20). Dies bedeutet, dass die Kryptowährungen auf den Plätzen 2.352 bis 7.637 ohne jegliche Marktkapitalisierung gelistet sind. Im Vergleich dazu beträgt die Gesamt-Marktkapitalisierung für den Bitcoin ca. 284 Mrd. Dollar (Stand: 10.11.20: 284.146.952.819 Dollar).

     

    Es ist daher kaum ersichtlich, warum sich ein „vorsichtiger“ Kaufmann eine solche Kryptowährung ohne erkennbare Marktkapitalisierung etwas kosten lassen würde. Auch ist nicht erkennbar, wie anspruchslose Kryptowährungen einer eigenständigen Bewertung zugänglich sein sollen.

     

    MERKE | Im Ergebnis ist folglich festzustellen, dass die Entscheidungen der FG Berlin-Brandenburg und Nürnberg den Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Finanzverwaltung hinsichtlich der materiell-rechtlichen Würdigung von Spekulationsgeschäften mit Kryptowährungen markieren. Werden entsprechende Veräußerungsgewinne hingegen erst gar nicht offengelegt, ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung aus dieser Mitwirkungspflichtverletzung strafrechtliche Konsequenzen ziehen wird.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 67 | ID 46984030