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  • · Fachbeitrag · Strafzumessung

    § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO und die Tangierung des Bestimmtheitsgebots

    von RA Dr. Thomas Kehr, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | Der Bestimmtheitsgrundsatz ist aufgrund seiner freiheitsgewährleistenden Funktion ein elementares Element des Rechtsstaats. Der folgende Beitrag widmet sich der Fragestellung, ob § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO aufgrund der Formulierung „in großem Ausmaß“ mit dem Bestimmtheitsgebot kollidiert. |

    1. Einleitende Ausführungen

    Die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall führt gemäß § 370 Abs. 3 S. 1 AO zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel beispielsweise nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO dann vor, wenn der Täter Steuern in großem Ausmaß verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat. Die Formulierung „in großem Ausmaß“ legt eine Tangierung des Bestimmtheitsgrundsatzes nahe. Die folgende Untersuchung stellt zunächst die Voraussetzungen des Bestimmtheitsgrundsatzes dar und widmet sich dann der Frage, ob § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes gerecht wird. Abschließend wird noch aufgezeigt, ob Einschränkungen der gewonnenen Ergebnisse aufgrund der Qualifizierung von § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO als Strafzumessungsvorschrift geboten sind.

    2. Voraussetzungen des Bestimmtheitsgrundsatzes

    Das BVerfG hat schon bezogen auf das allgemeine rechtstaatliche Bestimmtheitsgebot in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die Anforderungen an die Klarheit von Normen, die in Grundrechte des Betroffenen eingreifen, hoch anzusetzen sind, um das rechtmäßige Handeln des Staates abzusichern und dadurch die Freiheit der Bürger vor staatlichem Missbrauch zu schützen (BVerfG 3.3.04, 1 BvF 3/92, NJW 04, 2213). Aus der gesetzlichen Grundlage müssen sich daher die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen für den Betroffenen klar und erkennbar ergeben, sodass er sein Verhalten danach ausrichten und sich darauf einstellen kann (BVerfG 15.12.83, 1 BvR 209/83, NJW 84, 419, 422 (Volkszählungsurteil); BVerfG 3.3.04, 1 BvF 3/92, NJW 04, 2213, 2216; BVerfG 23.2.07, 1 BvR 2368/06, NVwZ 07, 688, 690).