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  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    „früher war mehr Lametta“ (Loriot) ist das sprichwörtliche Moll-Motto für Weihnachten 2024. Manche Justizangestellten in Schleswig-Holstein würden ermattet wie verärgert noch ergänzen wollen: „Früher war mehr Amtsgericht“, beabsichtigt doch die dortige Justizministerin, Frau von der Decken, im Rahmen einer umfassenden Justizreform u. a. die Anzahl der Amtsgerichte in Schleswig-Holstein von derzeit 22 auf ca. 15 zu reduzieren, was manchem die sprichwörtliche Decke auf den Kopf fallen ließ. Ohne einen erkennbaren Versuch, „Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht“ (Goethe), eben jene Nuss zu knacken, röhrte es nur hirschbrünstig aus der BRAK: „Das werden wir Schleswig-Holstein so nicht durchgehen lassen“ (PM v. 26.9.24).

     

    Im winterlichen friesischen Küstennebel könnten die ungeknackten Nüsse des hüftsteifen Beharrens ihren Nussknacker in der Erkenntnis finden, dass rückgängige Fallzahlen und kleine Amtsgerichte eher kein Lametta am Baum des Rechtsstaats sind. In der geschenkedominanten Zeit könnte vielleicht ein Blick auf die Praxis der Finanzgerichtsbarkeit einen Lichtblick, einen Stern der Weisen, für eine effektive gerichtsortungebundene Verfahrenserledigung sorgen. Dort hat sich vielerorts die Praxis durchgesetzt, den Rechtsstreit im Rahmen eines Erörterungstermins vor einer mündlichen Verhandlung oder ‒ in Abhängigkeit vom Ausgang des Erörterungstermins ‒ anstelle einer mündlichen Verhandlung zu erledigen zu versuchen. Befreit von den von manchen als Zwängen betrachteten Kleidervorschriften, nicht selten auch fern eines Gerichtssaals in einem örtlichen Finanzamt, wird in einem Erörterungstermin durch den Berichterstatter in einem sachlichen Gespräch mit den Verfahrensbeteiligten der Finanzverwaltung und des/der Steuerpflichtigen versucht, die Sach- und Rechtslage, wenn möglich, einvernehmlich zu erledigen.

     

    Ein einvernehmliches Verfahrensergebnis, vielleicht auch ein zuweilen etwas schmerzhafter Kompromiss, dürfte für jeden Verfahrensbeteiligten eine bessere Nachricht (des Rechtsstaats) sein als der mögliche Ärger über eine längere Anfahrt zu einem Amtsgericht. Zentrale Amtsgerichte mit möglichen dezentralen (in den Finanzämtern etc.) Raumzugriffen in der Fläche vor dem Hintergrund, die Verfahrensordnung zu ändern ‒ auch die strafprozessuale ‒, die es vorsieht, dass der Rechtsstreit erörtert wird, bringt möglicherweise manches verloren gegangene Vertrauen in den Rechtsstaat wieder zurück. Nicht die Entfernung zum Recht qualifiziert den Rechtsstaat, sondern der Zugang zum Recht und zu den Akteuren.