· Fachbeitrag · Buchführung
Zugriff auf Kassendaten einer Apotheke im Rahmen einer Außenprüfung
von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin
Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) verpflichten Einzelhändler im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einschließlich der über die Kasse bar vereinnahmten Umsätze einzeln aufzuzeichnen. Verwendet ein Einzelhändler eine PC-Kasse, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Verkäufen aufzeichnet und eine dauerhafte Speicherung ermöglicht, sind die damit bewirkten Einzelaufzeichnungen auch zumutbar (BFH 16.12.14, X R 42/13, Abruf-Nr. 176203). |
Sachverhalt
Die Klägerin K erzielte in den Streitjahren 2007 bis 2009 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Apotheke. Sie war nach §§ 238 ff. HGB buchführungspflichtig und verwendete ein speziell für Apotheken entwickeltes PC-gestütztes Erlöserfassungssystem mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung. Die Tageseinnahmen wurden über modulare PC-Registrierkassen erfasst, dann durch Tagesendsummenbons (Z-Bons) mit anschließender Nullstellung ausgewertet und als Summe in ein manuell geführtes Kassenbuch eingetragen.
Das FA ordnete für die Streitjahre eine Außenprüfung bei der K an. Zusammen mit der Prüfungsanordnung bat es um die Vorlage der gegebenenfalls in elektronischer Form gefertigten Buchhaltung auf einem maschinell verwertbaren Datenträger. Zudem sollten bestimmte Daten aus dem Warenwirtschaftssystem - die „Einzeldaten der Registrierkasse (Journal der EDV-Kasse sowie Daten der Z-Bons) und des Warenverkaufs“ - in elektronisch verwertbarer Form vorgelegt werden. K übersandte eine CD mit Daten des Kassensystems. Die Datei mit der Einzeldokumentation der Verkäufe hatte sie zuvor entfernt, da sie der Ansicht war, das FA habe kein entsprechendes Zugriffsrecht.
Entscheidungsgründe
Nach Ansicht des BFH durfte das FA den Apotheker zur Überlassung der Kassendaten in elektronisch verwertbarer Form auffordern, da dieser zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe sowie zur Aufbewahrung der Aufzeichnung verpflichtet war. Rechtsgrundlage hierfür ist § 238 Abs. 1 S. 1 HGB. Danach ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den GoB ersichtlich zu machen. Über § 140 AO gelten die Kaufleuten obliegenden handelsrechtlichen Buchführungspflichten auch für die Besteuerung.
Praxishinweis
Die Buchführung eines Einzelhändlers muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 238 Abs. 1 S. 2 HGB). Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 238 Abs. 1 S. 3 HGB). Die Eintragungen in den Büchern und die Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 239 Abs. 2 HGB).
Aus der Pflicht zur Ersichtlichmachung der Handelsgeschäfte und der Lage des Vermögens unter Beachtung der GoB folgert der BFH, dass grundsätzlich jedes Handelsgeschäft einzeln aufzuzeichnen ist. Für bar erlangte Kasseneinnahmen fordert der BFH, dass der nach den GoB aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfall gerade nicht nur der am Ende eines Tages insgesamt vereinnahmte Betrag (Tageslosung) ist. Denn die sofortige Bezahlung der Leistung rechtfertige es nicht, die Geschäftsvorfälle nicht auch einzeln mit Benennung des Kunden, der Art der Tätigkeit und der Bareinnahme aufzuzeichnen.
Für Einzelhandelsgeschäfte, also auch für Apotheken, schränkt die Rechtsprechung diese Maßstäbe allerdings dahingehend ein, dass die baren Betriebseinnahmen nicht einzeln aufgezeichnet zu werden brauchen. Ausschlaggebend ist dabei, dass es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist, an die Aufzeichnung der einzelnen zahlreichen baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften gleiche Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen, nämlich zur Identifizierung und zur Bestimmung des Inhalts des Geschäfts Namen und Anschrift des Kunden und den Gegenstand des Kaufvertrages festzuhalten.
Entscheidet der Steuerpflichtige sich - wie im Streitfall - jedoch für den Einsatz eines modernen PC-Kassensystems, das zum einen sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichnet und zum anderen auch eine langfristige Aufbewahrung (Speicherung) der Einzelaufzeichnungen ermöglicht, kommt er gerade damit der ihm obliegenden Verpflichtung zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe nach. Er kann sich nicht auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen. Als Folge der Pflicht, die baren Betriebseinnahmen einzeln aufzuzeichnen, unterliegen die derart mittels der PC-Kasse gefertigten Aufzeichnungen dann auch der Aufbewahrungspflicht des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO.
PRAXISHINWEIS | Ein Streit über die Dokumentation kann zur Schätzung durch die Behörde führen. Entsprechende Schätzungen führen nahezu zwangsläufig zu Mehrforderungen. |