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  • · Fachbeitrag · Bundesgerichtshof

    Strafzumessung: Billigung der Planung und Umsetzung eines Hinterziehungskonstrukts

    von RD David Roth, LL.M. oec., Stv. Leiter des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Köln

    | Soweit der Angeklagte nur ein von Beratern entwickeltes Hinterziehungskonstrukt billigt, darf seiner kriminellen Energie nach Ansicht des BGH kein zu großes strafschärfendes Gewicht beigemessen werden. |

     

    Sachverhalt

    Der Steuerpflichtige kannte und billigte den Plan seiner Berater, die Verlagerung seiner Gesellschaft nach Österreich zu betreiben und einem mit der Bewertung des zu veräußernden Unternehmens beauftragten Wirtschaftsprüfer einen günstigen Firmenwert als gewünschtes Bewertungsergebnis vorzugeben. So sollte seine Steuerbelastung niedrig gehalten werden. Das LG sah darin ‒ strafschärfend ‒ eine beträchtliche kriminelle Energie, „die sich aus der von ihm gebilligten langen, planvollen und zielgerichteten Vorbereitung der Tat und der Verstrickung einer Reihe von Personen hierin“ ergab. Es verurteilte den Angeklagten zu vier Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH (14.1.20, 1 StR 428/19, Abruf-Nr. 214482) beanstandet diese Strafzumessung. Der Angeklagte habe an keinem der vorbereitenden Gespräche mit seinem Steuerberater, den Anwälten und Wirtschaftsprüfern teilgenommen. Seine Berater hätten den Plan entworfen, den mit der Bewertung des zu veräußernden Unternehmens zu beauftragenden Wirtschaftsprüfern einen günstigen Firmenwert als Bewertungsergebnis vorzugeben. Der Steuerpflichtige habe nur die Planung und Umsetzung der Verlagerung nach Österreich einschließlich der steuerrechtlichen Folgen gekannt und gebilligt. Das LG habe dessen krimineller Energie daher rechtsfehlerhaft ein zu großes Gewicht beigemessen. Strafmildernd haben BGH und LG zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten des nicht vorbestraften Angeklagten mehr als elf Jahre zurücklagen, das Verfahren überdurchschnittlich lange gedauert hatte und die hinterzogenen Steuern bereits im Ermittlungsverfahren vollständig beglichen worden waren.

     

    Relevanz für die Praxis

    Missbrauchskonstruktionen bzw. systematisches Vorgehen, wie die Nutzung eines unübersichtlichen Firmengeflechts bzw. besonderer Unternehmensstrukturen, komplexe Hinterziehungskonstruktionen, Scheinhandlungen, Einschaltung von Auslandsunternehmen, um schwierig aufklärbare Sachverhalte zu schaffen, Verstrickung mehrerer Personen, etc., sind als Ausdruck krimineller Energie strafschärfend zu beachten. Auch wenn der BGH die Bewertung des Tatrichters bis zur Grenze des Vertretbaren akzeptieren muss, zeigt der Senat hier die Grenzen des Strafschärfungsgrundes auf. Kennt und billigt der Angeklagte nur die Planung eines von Beratern entworfenen Hinterziehungskonstrukts, kann dieses nur als „Strafschärfungsgrund light“ beachtet werden. Die Entscheidung kann ggf. bei von Steuerpflichtigen nur genutzten, aber nicht entwickelten Hinterziehungsmodellen („Goldfinger“, „Cum-Ex“, „Cum-Cum“, „Lebensversicherungsmäntel“ etc.) geltend gemacht werden.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 100 | ID 46411049