Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Haftentscheidung

    Das sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine erneute Inhaftierung

    von OStA Dr. Jost Schützeberg, Köln

    | In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass ein Angeklagter im Zuge der Ermittlungen aus der Haft entlassen, später aber erneut inhaftiert werden soll. Das BVerfG hat angesichts des Grundrechtseingriffs für den Angeklagten die Haftentscheidung eines OLG mit einer lehrreichen Begründung aufgehoben, die den Anwendungsbereich und die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO definiert sowie die Anforderungen an die richterliche Begründung einer erneuten Haftentscheidung umschreibt. |

     

    Sachverhalt

    Zwischen 2013 und 2020 führte die StA Duisburg gegen den Beschwerdeführer B ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in besonders schweren Fällen (§ 266a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 StGB) in Tateinheit mit Steuerhinterziehung, § 370 AO. Im Jahr 16 bestand gegen ihn der dringende Verdacht, als Geschäftsführer einer Bauunternehmung zwischen 2011 und 2015 in 56 Fällen gegen § 266a StGB und in 52 Fällen gegen § 370 AO (LSt) verstoßen zu haben. Insgesamt soll er einen Schaden i. H. v. mindestens. 2,5 Mio. EUR verursacht haben. Auf Antrag der StA erließ das AG am 11.10.16 einen auf die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr gestützten Haftbefehl, wobei es die Fluchtgefahr mit dem durch die Straferwartung ausgelösten Fluchtanreiz begründet hat. Angesichts der Schadenshöhe habe der B mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen, zumal sich die Schadenssumme von 2,5 Mio. EUR nach kriminalistischer Erfahrung noch erhöhen werde, wenn die Beweismittel ausgewertet seien. Der B habe starke Bindungen an seine bosnisch-serbische Heimat, wo er sich im Laufe der bisherigen Ermittlungen auch mehrmals aufgehalten habe. Zudem könne er sich, dies hätten ältere Verfahren gegen ihn gezeigt, „schnell und leicht“ gefälschte Ausweise besorgen. Der Haftbefehl konnte zunächst nicht vollstreckt werden, da sich der B im Ausland aufhielt. Er stellte sich jedoch freiwillig am 28.11.16, sodass der Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt worden ist. Auf Antrag der StA hob das AG den Haftbefehl schließlich am 23.10.17 auf.

     

    Als die StA Anklage zum LG erhob, beantragte sie erneut den Erlass eines Haftbefehls. Der B sei nun des Verstoßes gegen § 266a StGB in 136 Fällen und der Steuerhinterziehung in 63 Fällen dringend verdächtig. Er soll einen Schaden i. H. v. nun 4,7 Mio. EUR verursacht haben. Dieser Betrag unterliege auch der Einziehung. Als Haftgrund wurde Fluchtgefahr angenommen. Das LG erließ den Haftbefehl antragsgemäß und stützte die Fluchtgefahr u. a. auf den sich aus der Straferwartung ergebenden Fluchtanreiz. Zudem sehe sich der B, der keine hinreichenden sozialen Bindungen im Inland besitze, Haftungsansprüchen der Geschädigten ausgesetzt.