· Nachricht · LG Hildesheim
Arrest: Sind öffentlich-rechtliche Tatverletzte auf sich gestellt?
| Nach Ansicht des LG Hildesheim ist es unverhältnismäßig, eine Einziehungsentscheidung zu vollstrecken. Dies muss nach § 459g Abs. 5 S. 1 StPO unterbleiben, wenn ein öffentlich-rechtlicher Tatverletzter die zugrunde liegende Forderung im Wege der Verwaltungsvollstreckung selbst vollstrecken kann (17.3.23, 21 Qs 1/23, Abruf-Nr. 237280 ). |
Darauf weist das LG im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Einziehungsverfahrens zugunsten einer geschädigten Familienkasse hin. Grundsätzlich sind i. S. e. gleichmäßigen Strafvollstreckung gem. § 2 StVollStrO Gerichtsentscheidungen ‒ mithin auch die Einziehungsentscheidung ‒ zwar mit Nachdruck und Beschleunigung zwingend zu vollstrecken. Gem. § 459g Abs. 5 StPO kann dies aber unterbleiben, wenn die Vollstreckung unverhältnismäßig ist. Wenn eine tatverletzte öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht nur die abstrakte Möglichkeit hat, ihre Forderung selbst zu titulieren und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren beizutreiben, sondern feststeht, dass sie davon auch tatsächlich Gebrauch macht, liegt eine solche Unverhältnismäßigkeit vor. Eine doppelte Inanspruchnahme des Betroffenen durch Vollstreckungsbehörde und öffentlich-rechtlichen Tatverletzten erweist sich als unverhältnismäßig.
Beachten Sie | Die Entscheidung führt zu einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ von Tatverletzten. Öffentlich-rechtliche Tatverletzte (z. B. Familienkassen, Sozialversicherungsträger, Steuer-, Zollverwaltung) werden ‒ anders als privatrechtliche Gläubiger ‒ von der strafprozessualen Vollstreckung der Einziehungsentscheidung ausgenommen und auf eigene Vollstreckungsbemühungen nach dortigen Rechtsregimen verwiesen. Eine solche Benachteiligung im Vollstreckungsverfahren konterkariert aber die ‒ auch bei öffentlich-rechtlichen Tatverdächtigen ‒ geltende zwingende Anordnung der Einziehung im Erkenntnisverfahren und die Unabhängigkeit des strafrechtlichen Einziehungsrechts von steuerrechtlichen Sicherungsmöglichkeiten, vgl. § 111e Abs. 6 StPO.
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