· Fachbeitrag · Schätzung
Zwei-Bon-Schätzmethode: BFH zeigt Grenzen auf
von RA Wolfram Bauerhorst, FA StR, und RA Klaus-Marco Lang, FA StR, beide WPK Beratung GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Wuppertal
| Der BFH hat über einen Schätzungsfall entschieden, dem neben der Frage über die rechtmäßige Anwendung der neuartigen Zwei-Bon-Schätzmethode außergewöhnliche Umstände zugrunde lagen: Bei einem Restaurant in guter Lage wurde eine Betriebsprüfung für einen Zeitraum von elf Jahren durchgeführt, deren Zulässigkeit finanzgerichtlich bestätigt worden war. Das FA hat im Laufe des Verfahrens die Schätzmethode geändert. |
Sachverhalt
Die klagende GbR betrieb einen Gastronomiebetrieb, der über 50 Sitzplätze im Innen- und einen nur im Sommer geöffneten Außenbereich verfügte. Der Betrieb war von Montag bis Freitag jeweils mittags und abends sowie samstags nur abends und gelegentlich sonntags geöffnet. Das beklagte FA hatte 2012 mit einer steuerlichen Außenprüfung für die Zeiträume 2000 bis 2010 begonnen. Aufgrund eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden bei einer Durchsuchung an einem Dienstag im August im Papierkorb je ein Tagesendsummen-Bon (Z-Bon) für den zurückliegenden Samstag und den Montag gefunden. Diese wiesen jeweils die Bruttoumsätze für zwei Tage aus, die außerhalb des Prüfungszeitraums lagen. Aufgrund von Mängeln der Buch- und Kassenführung sowie der Aufzeichnungen über den Wareneinkauf nahmen die Prüfer Hinzuschätzungen vor, und zwar für einen Teilzeitraum auf Grundlage eines Zeitreihenvergleichs. Das FA verwarf die Methode und ermittelte auf Grundlage der beiden Z-Bons einen durchschnittlichen Tageserlös für 50 Sitzplätze im Innenbereich pro Tag und pro Stuhl (sog. Zwei-Bon-Schätzmethode). Die Plätze des Außenbereichs beachtete es nicht. Um den Jahresumsatz nach dieser Methode zu ermitteln, hat es diese Werte mit den Öffnungstagen pro Jahr multipliziert. Vom Ergebnis nahm das FA für 2003 bis 2010 jeweils einen Sicherheitsabschlag von 10 Prozent vor, um etwaigen Preiserhöhungen im Laufe der Jahre Rechnung zu tragen. Für 2000 und 2001 wurde aufgrund geringerer Verkaufspreise zu DM-Zeiten jeweils ein Abschlag von 20 Prozent berücksichtigt. Das FA hat den Ansatz der Methode damit begründet, der August zeige im Jahresvergleich keine überdurchschnittlichen Umsätze. Ferner seien keine Änderungen der betrieblichen Verhältnisse im Prüfungszeitraum vorgetragen worden.
Das FG hielt die Methode für sachgerecht und hat die Hinzuschätzungen akzeptiert. Wegen der Unregelmäßigkeiten hat es den Wert des zusätzlichen Wareneinkaufs jährlich anhand des obersten Werts der amtlichen Richtsatzsammlung für die einzelnen Jahre ermittelt, da in der Stadt höhere Aufschlagsätze erzielt würden. Zudem habe sich die Betriebsstruktur im Prüfungszeitraum nicht geändert. Es ließ die Revision im Hinblick darauf zu, ob die Belege aus den Folgejahren als besondere Form des internen Betriebsvergleichs für eine Schätzung der Umsätze und Erlöse im Prüfungszeitraum herangezogen werden können oder ob dafür ein externer Betriebsvergleich erfolgen muss. Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Der BFH stellt klar: Eine Schätzung auf Grundlage eines internen Betriebsvergleichs ‒ wie die Schätzung gem. der „Zwei-Bon-Methode“ ‒ ist gegenüber einer Schätzung auf der Grundlage eines externen Betriebsvergleichs i. d. R. vorrangig (BFH 16.12.21, IV R 1/ 18, Abruf-Nr. 227558). Das Abstellen auf die zwei Z-Bons aus 2012 sei für eine Umsatzschätzung der Prüfungsjahre 2000 bis 2010 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Geschäftsvorfälle mit hinreichender Wahrscheinlichkeit realitätsgerecht wiedergegeben worden seien. Ist dies der Fall, gelte dies auch für Belege, die ‒ wie hier ‒ aus einer Zeit nach Ende eines Prüfungszeitraumes stammen. Bei einem internen Betriebsvergleich seien solche Belege jedenfalls bedeutsam für die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen für vorangegangene Jahre, wenn sich die betrieblichen Verhältnisse nicht grundlegend geändert hätten. Jede Schätzung erfolge mit dem Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Sofern eine Methode diesem Ziel voraussichtlich näherkomme als eine andere, sei diese unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig.
Die Schätzung des FG verstoße allerdings gegen Schätzungsgrundsätze und allgemeine Erfahrungssätze und sei für den Senat nicht bindend, § 118 Abs. 2 FGO. Hat das FG keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen für seine Folgerungen getroffen oder sind diese aus den Tatsachenfeststellungen nicht nachvollziehbar und fehlt es daher an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen des FG, liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor. Der BFH muss den Fehler beachten, ohne dass es einer besonderen Rüge bedarf. Eine Schätzung gehöre zu den tatsächlichen Feststellungen, die durch den BFH gem. § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei, und zwar nur dahingehend, ob sie dem Grunde nach zulässig und verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sei und nicht gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze verstoße. Der BFH müsse die Schätzung insoweit nachvollziehen können als deren Ergebnisse schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein müssten.
Diesen Anforderungen genüge die Schätzung des FG nicht. Es habe die Umsatzermittlung nur auf die 50 Sitzplätze im Innenbereich bezogen berechnet, während es den Außenbereich und dessen Gewichtung im Verhältnis zum Innenbereich außer Betracht gelassen habe. Da die beiden Z-Bons aus dem Monat August als klassischem Sommermonat stammen, in dem der Außenbereich i. d. R. hoch ausgelastet sei, seien die Umsätze zu hoch angesetzt.
Die Feststellungen des FG, die beiden Z-Bons seien repräsentativ für das gesamte Jahr 2012 und für den gesamten Prüfungszeitraum 2000 bis 2010, seien nicht ausreichend. Gleiches gelte für die Annahme, dass die pauschalen Abschläge, die auf Grundlage der Werte aus 2012 vorgenommen wurden, die Preissteigerungen in den einzelnen Prüfungsjahren hinreichend abbildeten.
Hier reiche folgende Begründung des FG nicht: Zwar hätte es erwogen, die Schätzung zu modifizieren und die durchschnittlich in jedem Jahr erfolgte Preissteigerung im Zeitraum zwischen dem Streitjahr (2000) und dem Basisjahr (2012) zu ermitteln. Es hätte dies wegen der besonderen Verhältnisse aber nicht für erforderlich gehalten. Die Betriebsverhältnisse hätten sich im Prüfungszeitraum nicht geändert. Daher sei der Ansatz eines pauschal gleichbleibenden Sicherheitsabschlags von 10 Prozent für die Jahre 2003 bis 2010 gerechtfertigt.
Die Hinzuschätzung des Wareneinsatzes jeweils an der obersten Grenze der Richtsatzsammlung des jeweiligen Jahres sei nicht schlüssig begründet worden. Dazu hätten betriebliche Besonderheiten der GbR dargelegt werden müssen, die den Höchstwertansatz rechtfertigen könnten. Aufgrund der Verhältnisse im Betrieb mit dem Angebot von hochwertigen Speisen sei ggfs. auch mit einem hochpreisigen Wareneinsatz zu rechnen. Das FG habe keinen spezifischen Zusammenhang zwischen dem Ort des Betriebs und dessen Einfluss auf Qualität und Wertigkeit des Wareneinsatzes dargelegt.
Gravierende Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buch- und Kassenführung entbinden nicht davon, die Schätzung nachvollziehbar zu begründen.
Relevanz für die Praxis
Die Ausführungen des BFH enthalten einige nützliche Feststellungen für die Praxis im Umgang mit Schätzungsfällen bei einer Betriebsprüfung:
Übersicht / Umgang mit Schätzungsfällen |
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