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  • · Fachbeitrag · Strafbefreiungserklärungsgesetz

    Ausnutzen von Veranlagungsfehler keine strafbare Handlung

    von RA Dr. Markus Adick, Flick Gocke Schaumburg, Bonn und RA StB Dr. Carsten Höink, AWB Steuerberatungsgesellschaft mbH, Münster

    Veranlagungsfehler des FA begründen keine Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen, wenn dieser bei seiner steuerlichen Erklärung die fehlerhafte Festsetzung ausnutzt, vorausgesetzt es wurden keine unrichtigen Angaben gegenüber den Finanzbehörden abgegeben. Veranlagungsfehler begründen keinen Anlass für die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung i.S. des StraBEG (BFH 4.12.12, VIII R 50/10, Abruf-Nr. 131150).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger K, ein selbstständiger Facharzt, gab erst nach Ergehen eines Schätzungsbescheids seine Steuererklärungen mit positiven Einkünften von über 1 Mio. DM ab. Aufgrund eines Eingabefehlers des FA wurden die positiven Einkünfte als negative erfasst. Die Finanzbehörde setzte daraufhin - unter Einbeziehung weiterer tatsächlich existenter negativer Einkünfte - einen Verlustvortrag bestandskräftig fest. In den Folgejahren wurde der Verlustvortrag entsprechend bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt. K kreuzte auch in den Erklärungsvordrucken den Antrag auf Berücksichtigung des festgestellten Verlusts und Neufeststellung des verbleibenden Verlustvortrags an. Dementsprechend erfolgte im Jahr des Veranlagungsfehlers und in den Folgejahren zu Unrecht eine Nullfestsetzung der Jahressteuer.

     

    Nach Ankündigung einer Außenprüfung gab K eine strafbefreiende Erklärung/Selbstanzeige für die entsprechenden VZ ab und berief sich hinsichtlich der Nachversteuerung auf den § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StraBEG und die dort geregelten - für ihn günstigeren - Pauschalen. Das FA lehnte die Selbstanzeige unter Berufung auf das StraBEG ab und veranlagte mit dem höheren für das Ehepaar anwendbaren Steuersatz nach. K habe mangels strafbaren Verhaltens auch keine strafbefreiende Selbstanzeige abgeben können. Nach erfolglosem Einspruch und erfolgloser finanzgerichtlicher Klage musste der BFH im Rahmen der Revision über die Anwendung des StraBEG entscheiden.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BFH entschied, dass das Ausnutzen eines Veranlagungsfehlers dann keine strafbare Handlung ist, wenn der Steuerpflichtige keine zur fehlerhaften Festsetzung führenden unrichtigen Angaben gegenüber der Finanzverwaltung macht. § 1 Abs. 1 StraBEG setze hingegen voraus, dass unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht oder das FA pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden (§ 370 Abs. 1 AO).

     

    Vorliegend hat K keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, da seine - ursprüngliche - Einkommensteuererklärung die zutreffenden positiven Einkünfte enthielt. Die Erfassung als negative Einkünfte beruhte allein auf einem Fehler des FA. Auch die Geltendmachung des fehlerhaft festgesetzten Verlustvortrags sei keine unrichtige oder unvollständige Angabe, da der Verlustvortrag bestandskräftig festgestellt war, sodass es gerechtfertigt war diesen in Anspruch zu nehmen.

     

    Auch hat K das FA nicht pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und damit den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht. Denn die Verwirklichung dieses Tatbestands setze die Pflicht voraus, dem FA Tatsachen zur Kenntnis zu bringen. Seiner Steuererklärungspflicht ist der K allerdings nachgekommen. Eine Pflicht des Steuerpflichtigen, das FA auf Fehler der Finanzverwaltung aufmerksam zu machen, ist nicht gegeben. Es bestehe keine derartige Garantenstellung des Steuerpflichtigen.

     

    Auch sei eine Berichtigungs- oder Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nur gegeben, wenn vorherige Erklärungen unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Mangels strafbaren Verhaltens sei daher auch keine zur Anwendung des StraBEG führende Selbstanzeige möglich. Die Einkünfte seien zum Normalsteuersatz zu veranlagen.

     

    Praxishinweis

    K hat sein Ziel - die Anwendung des StraBEG mit seinen Pauschalen - nicht erreicht. Die Entscheidung hat aber erhebliche klarstellende Bedeutung für allgemeine Berichtigungsfälle. Dass der BFH eine Strafbarkeit nach § 370 AO verneint, wenn der Steuerpflichtige keine unvollständigen oder unrichtigen Angaben gemacht oder pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Sachverhalte in Unkenntnis gelassen hat, ist keine große Erkenntnis. Indes ist die Deutlichkeit mit der der BFH eine Garantenstellung des Steuerpflichtigen verneint, für die Praxis bedeutsam. Rechts-, Rechen- und Übernahmefehler im Rahmen der Veranlagung geschehen in der Praxis tagtäglich. Insbesondere Massenverfahren - wie Lohn- oder Umsatzsteuer - sind besonders anfällig dafür. Steuerpflichtige dürfen diese Fehler zu ihren Gunsten stillschweigend bestehen lassen und sogar zukünftig darauf aufbauende Erklärungen abgeben, wenn damit keine unvollständigen oder unrichtige Angaben gemacht werden.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 170 | ID 39914630