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  • · Nachricht · Strafprozessrecht

    Revisionsgrund: Schlummernder Schöffe

    | Schläft ein Schöffe während der Verlesung der Anklageschrift ein, ist das Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt. Dies ist ein absoluter Revisionsgrund. Das hat der BGH aktuell entschieden (BGH 14.10.20, 1StR 616/19). |

     

    Der Verteidiger des Angeklagten bemerkte während der Verlesung des Anklagesatzes, dass ein Schöffe die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet und eine erschlaffte Sitzhaltung eingenommen hatte. Er beobachtete den Schöffen mindestens eine Minute lang und wandte sich während der Verlesung der Tatvorwürfe Nr. 176 bis 177 der Anklageschrift mit der Bemerkung an den Vorsitzenden Richter, er möge sich versichern, ob der Schöffe noch wach sei. Der Vorsitzende erwiderte spontan, dass der Schöffe noch wach sei; der Schöffe selbst reagierte auf die vom Verteidiger veranlasste Unterbrechung der Verlesung der Anklageschrift und den Wortwechsel zwischen dem Verteidiger und dem Vorsitzenden nicht. Als sich die Berufsrichter zu dem Schöffen hinwandten, öffnete dieser die Augen und benötigte ersichtlich einen kurzen Augenblick, um zu realisieren, dass er eingeschlafen war. Die Verlesung der Anklageschrift wurde anschließend fortgesetzt, aber nicht ‒auch nicht teilweise ‒wiederholt. Das LG verurteilte den Angeklagten u. a. wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Dessen Revision war erfolgreich.

     

    Bei der Verlesung des Anklagesatzes handelt es sich um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung. Da der Schöffe dieser während einer erheblichen Zeitspanne schlafbedingt nicht gefolgt ist, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO vor (BGH 3.4.19, 5 StR 87/19 Rn. 9; 19.6.18, 5 StR 643/17 Rn. 3; 20.10.81, 5 StR 564/81 Rn .1).

     

    Quelle: ID 47012834