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  • · Fachbeitrag · Vermögensabschöpfung

    BVerfG erlaubt rückwirkende Anwendung bei verjährten Straftaten

    von RA/StB Martin Werneburg, Flick Gocke Schaumburg, Berlin

    | Das BVerfG hat die rückwirkende Anwendung des zum 1.7.17 novellierten Rechts der Vermögensabschöpfung gebilligt. Die Einziehung von Taterträgen soll auch möglich sein, wenn die zugrunde liegende Straftat bereits vor dem 1.7.17 verjährt war. Aufgrund der verfassungsgerichtlich bestätigten Rechtslage droht eine neue Abschöpfungswelle. Zudem deutet die Entscheidung darauf hin, dass die Rückwirkungstatbestände zur Vermögensabschöpfung im JStG 2020 ebenfalls Bestand haben dürften. |

     

    Sachverhalt

    Ein fleischverarbeitendes Unternehmen hatte unter Verstoß gegen das SchwarzArbG in den Jahren 2008 bis 2010 bulgarische Arbeiter beschäftigt, die über 800.000 Arbeitsstunden leisteten. Die Arbeiter waren von einem Personaldienstleistungsunternehmen vermittelt worden, das für die Vermittlung ca. 72.000 EUR abrechnete. Das LG Oldenburg sprach sowohl den Leiter des fleischverarbeitenden Unternehmens als auch den Geschäftsführer der Personalvermittlung mit Urteil vom 17.10.17 von dem Strafvorwurf des Verstoßes gegen das SchwarzArbG frei, da die Taten bereits Mitte 2016 verjährt waren.

     

    Nach dem zum Tatzeitpunkt und bis zum 30.6.17 geltenden Recht der Vermögensabschöpfung wäre eine Abschöpfung von Taterträgen nicht in Betracht gekommen. Die Strafverfolgungsverjährung schloss Abschöpfungsmaßnahmen aus. Aufgrund der zum 1.7.17 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung war das LG Oldenburg allerdings nicht gehindert, trotz der Strafverfolgungsverjährung die selbstständige Einziehung von Taterträgen gegen die beiden nebenbeteiligten Unternehmen anzuordnen. Nach dem neuen Recht ist eine (selbstständige) Einziehung von Taterträgen von der Verjährung der zugrunde liegenden Straftat entkoppelt, § 76a Abs. 2 S. 1 StGB. Die Anwendungsvorschrift zum neuen Recht in Art. 316h S. 1 EGStGB erlaubt zudem die rückwirkende Anwendung der Einziehungsvorschriften, wenn die zugrunde liegende Straftat bei Inkrafttreten des Gesetzes (am 1.7.17) bereits verjährt war. Das LG ordnete daher gegen das Fleischverarbeitungsunternehmen die Einziehung von ca. 10,6 Mio. EUR an, die auf Basis der geleisteten Arbeitsstunden für legal beschäftigte Leiharbeiter angefallen wären. Zudem wurde die Abschöpfung der Vermittlungsprovisionen von ca. 72.000 EUR bei dem Personalvermittlungsunternehmen angeordnet.