01.02.2007 | Abgeltungsbereich der Gebühren
Ist der Parteiwechsel auf Beklagtenseite eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit?
1. Bei einem Parteiwechsel erhält der Anwalt der beiden wechselnden Parteien nur eine Gesamtvergütung nach § 6 BRAGO (§ 7 RVG i.V. mit Nr. 1008 VV RVG). |
2. Hat die ausscheidende Partei den Prozessauftrag vor dem 1.7.04 erteilt, richtet sich die Vergütung insgesamt nach den Vorschriften der BRAGO, auch wenn der Parteiwechsel erst nach dem Inkrafttreten des RVG vollzogen worden ist (§ 61 Abs. 1 S. 1 RVG). |
(BGH 19.10.06, V ZB 91/06, n.v., Abruf-Nr. 063418) |
Sachverhalt
Im Jahr 2003 erhob der Kläger vor dem LG Klage gegen die Beklagte zu 1. Im Jahr 2004 teilte er mit Schriftsatz mit, er ändere die Klage dahin, dass sich diese nun gegen die Beklagte zu 2 richte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte er nach entsprechendem Hinweis des Gerichts die Rücknahme der Klage gegen die Beklagte zu 1. Da deren Prozessbevollmächtigter auch die Beklagte zu 2 vertrat, erhob der Kläger Klage gegen die Beklagte zu 2. Mit Beschluss wurden ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, „soweit er die Klage gegen die Beklagte zurückgenommen hat“. Die Klage wies das Gericht auf Kosten des Klägers ab. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für die Beklagte zu 1 eine volle Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO nebst Auslagen und für die Beklagte zu 2 eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG sowie die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht. Das LG hat eine gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO um drei Zehntel erhöhte Prozessgebühr und die von der Beklagten zu 1 geltend gemachten Auslagen bei beiden Beklagten je zur Hälfte berücksichtigt und darüber hinaus zugunsten der Beklagten zu 2 eine Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO festgesetzt. Die weitergehenden Anträge hat es zurückgewiesen. Das OLG hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich erfolglos die Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
Es liegt ein Parteiwechsel und keine Klagerücknahme mit einem sich daran anschließenden neuen Verfahren vor.
Allerdings waren die Erklärungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht auf einen Parteiwechsel gerichtet, sondern darauf, die Klage gegen die Beklagte zu 1 zurückzunehmen und stattdessen Klage gegen die Beklagte zu 2 zu erheben. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen darf eine Partei indessen nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Erklärungen festgehalten werden. Hier sind die in Rede stehenden Prozesshandlungen bei verständiger Würdigung als Klageänderung in Form eines Parteiwechsels auszulegen (BGH NJW 06, 1351). Dies entspricht dem Interesse des Klägers und ist auch in seinem Schriftsatz zum Ausdruck gekommen. Daran hat sich durch die gewählten Formulierungen im Termin zur mündlichen Verhandlung nichts geändert, weil die Erklärungen auf den Hinweis des Beschwerdegerichts zurückzuführen sind, dass zur Herbeiführung des angestrebten Parteiwechsels (auch) die Rücknahme der ursprünglich erhobenen Klage erklärt werden müsse.
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