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  • 01.03.2007 | Aus den Gremien

    53. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern

    Die 53. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern (zur letzten Konferenz RVG prof. 06, 212) in Hamburg ergab wieder interessante Beschlüsse zum Gebührenrecht:  

     

    Übersicht: Wichtige Erkenntnisse der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern
    • Schwerpunktthema „Angemessenheit der vereinbarten Vergütung“: Der BGH hatte Folgendes entschieden: Eine die gesetzliche Vergütung um mehr als das 5-Fache übersteigende vereinbarte Strafverteidigervergütung begründet bereits unmittelbar die Unangemessenheit der Vereinbarung (BGH AGS 05, 378; kritisch Henke, AnwBl 05, 585; das OLG Frankfurt hat diese Entscheidung aufgegriffen und noch verschärft [RVG prof. 06, 68, Abruf-Nr. 060726]).

     

    Die Gebührenreferenten bewerteten diese Entscheidung zwar aufgrund des exotischen Sachverhalts als Einzelfallentscheidung, befassten sich aber mit den Grundsätzen der Entscheidung. Der Vergleich mit der obergerichtlichen Rechtsprechung zeigt, dass es keine einheitliche, kontinuierlich entwickelte oder gar ständige „Angemessenheitsrechtsprechung“ gibt (z.B. OLG Hamm AGS 02, 268; NJW 04, 3269). Die Gebührenreferenten haben verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Entscheidung. Sie stellten daher einstimmig folgende gemeinsame Auffassung fest:
    • Der Gesetzgeber hat für vereinbarte Vergütungen keine Vergütungshöchstsätze vorgesehen.
    • Die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern. Die BGH-Entscheidung schränkt das Grundrecht ohne gesetzliche Grundlage ein. Dies ist nicht durch beachtenswerte Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Entscheidung hält der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand.
    • Bei einer zeitabhängigen Vergütung findet eine Überprüfung auf Unangemessenheit oder Sittenwidrigkeit im Einzelfall allein im Hinblick auf die Höhe des Stundensatzes statt.

     

    • Erste Erfahrungen mit § 34 RVG in der ab 1.7.06 geltenden Fassung: Bisher sind keine größeren Probleme mit den ab dem 1.7.06 auszuhandelnden Beratungsvergütungen bekannt geworden.
    • Im Bereich der Rechtsanwaltskammer Celle werden vielfach Zeitvergütungen vereinbart mit einem Betrag von 50 EUR für jede angefangene Viertelstunde.
    • Rechtschutzversicherungen zahlen problemlos Vergütungen bis zu 250 EUR, ohne dass die schriftliche Vereinbarung vorgelegt werden muss.
    • Es haben aber wohl noch nicht alle Anwälte § 34 RVG in der seit dem 1.7.06 geltenden Fassung erkannt und rechnen weiterhin wie früher ab.
    • Im Saarland ist ein Stundensatz von 190 EUR üblich. Es wird im 15-Minuten-Takt abgerechnet.
    • Durch das erforderliche Gespräch über die anwaltliche Vergütung erhöht sich der Zeitaufwand der Mandatsbearbeitung für den Anwalt.
    • Vor generellen Vorgaben der Rechtsanwaltskammern zur Stundensatzhöhe wurde gewarnt.
    • Verbraucherzentralen teilten mit, dass Anfragen von Verbrauchern vorlägen, die mit der neuen Abrechnungsform nicht zurechtkommen. Die gesetzliche Vergütung sei verbraucherfreundlicher.

     

    • Reaktionen der Rechtschutzversicherer auf die Änderung: Die Rechtsschutzversicherungen zahlen für Beratungsmandate maximal 250 EUR. Notwendig ist deshalb der Hinweis gegenüber den Mandanten, dass eine eventuell verbleibende Differenz zu seinen Lasten geht. In der Praxis dürfte die Abrechnung dieses Differenzbetrags aber eher die Ausnahme bleiben. Nach Angaben der Rechtschutzversicherer haben dortige Statistiken ergeben, dass sich Beratungsvergütungen bis zum 30.6.06 hauptsächlich zwischen 100 und 190 EUR belaufen hätten.

     

    • Angemessener Zeittakt bei Stundensatzvereinbarung: Ein Gericht hatte angefragt, ob der Halbstundentakt als Abrechnungsintervall angemessen ist. In dem Fall ist ein Stundensatz von 230 EUR pro Stunde vereinbart worden. Dazu wurde auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (AGS 06, 530 [das Urteil ist nicht rechtskräftig, Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ist eingelegt unter IX ZR 144/06]) verwiesen. Das OLG hat festgestellt, dass zwischen Leistung und Gegenleistung keine Ausgewogenheit mehr besteht, wenn durch eine vereinbarte Zeittaktklausel Zeitaufwand abgerechnet wird, der (potenziell) ohne Gegenleistung des Anwalts sei. Das Gericht hatte damit einen 15-Minuten-Zeittakt als unangemessen bewertet und die Vergütungsvereinbarung entsprechend für unwirksam gehalten. Nach dieser Entscheidung ist eine minutengenaue Abrechnung erforderlich. Die effektiv aufgewandte Zeit rechnen aber nur 36 Prozent der Anwälte ab. Es wurde darauf hingewiesen, dass in den USA der 15-Minuten-Zeittakt als unzulässige Vergütungsvereinbarung bewertet werde.

     

    • Werbung mit Dumpingpreisen: Diskutiert wurde die Entscheidung des LG Ravensburg (AnwBl. 06, 677 – sie wurde inzwischen aufgehoben durch OLG Stuttgart, AnwBl. 07, 229 mit Anm. Henke) und weitere, ähnlich niedrige, Anwaltswerbungen mit Pauschalvergütungen von 29 EUR pro Beratung oder von 9,99 EUR (LG Freiburg RVGreport 07, 39). Keine Übereinstimmung bestand in der Einschätzung, ob Anwälte, die mit Dumpingangeboten werben, scheitern würden oder die Marktpreise kaputt machen. Es wurde gewarnt, solche Angebote zu sehr zu verharmlosen.

     

    • Gebührenunterschreitungsverbot in gerichtlichen Verfahren nach § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO: Diskutiert wurde auch das 16. Hauptgutachten der deutschen Monopolkommission, das der Bundesregierung vorgelegt wurde. Darin fordert die Kommission zur Förderung des Wettbewerbs u.a. auch die Überprüfung des anwaltlichen Vergütungsrechts, die Zulassung von Erfolgshonoraren und die Aufhebung des Gebührenunterschreitungsverbots, § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO. In die gleiche Richtung gehen Überlegungen zur Deregulierung des anwaltlichen Vergütungsrechts bei der Europäischen Kommission. Es besteht Zuversicht, dass die Struktur des RVG auch künftig erhalten bleibt.

     

    • Gebühr bei PKH durch Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts: Es liegt eine Anfrage vor, ob der im Rahmen der PKH-Bewilligung beigeordnete Anwalt einen Anspruch auf Erstattung der Terminsgebühr gegen die Staatskasse hat, wenn diese durch Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts angefallen ist. Dazu fassten die Gebührenreferenten einstimmig eine gemeinsame Auffassung, dass die Ansicht des Bezirksrevisors des LG Marburg, die Mitwirkung beim Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs könne von der Beiordnung nicht erfasst sein, nicht greife.

     

    • Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG bei Teileinstellung: Erörtert wurde ein Fall, bei dem in einer Unfallsache der Anwalt einen Beteiligten verteidigt hatte, gegen den ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung anhängig war. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Anschließend erging ein Bußgeldbescheid. Dagegen legte der Anwalt Einspruch ein. Im allseitigen Einvernehmen wurde entschieden, die Geldbuße zu erhöhen und das Fahrverbot entfallen zu lassen. Der Anwalt hat in der Abrechnung der Strafsache im Hinblick auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Köperverletzung die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG abgerechnet. Die Rechtschutzversicherung hat die Zahlung dieser Gebühr abgelehnt, da keine „endgültige Einstellung“ vorliege, sondern lediglich eine Teileinstellung.

     

    Die Gebührenreferenten fassten dazu einhellig eine gemeinsame Auffassung: Für das eingestellte strafrechtliche Ermittlungsverfahren fällt die Befriedungsgebühr an, wenn der Anwalt an der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens mitgewirkt hat.

     

    • 54. Tagung: Schwerpunktthema soll die Deregulierung des anwaltlichen Gebührenrechts werden.
     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2007 | Seite 53 | ID 91809