Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.07.2011 | Gebührenanrechnung

    Anrechnung der vollen Verfahrensgebühr bei zwischengeschaltetem Mahnverfahren

    von Dipl. Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Ist die anwaltliche Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG tituliert und dem Erkenntnisverfahren ein Mahnverfahren mit gleichen Gegenstandswerten vorausgegangen, ist bei der Kostenfestsetzung die gemäß RVG VV Nr. 3305 entstandene Verfahrensgebühr für die Tätigkeit im Mahnverfahren auf die gemäß Nr. 3100 VV RVG entstandene Verfahrensgebühr in vollem Umfang anzurechnen (BGH 28.10.10, VII ZB 116/09, Abruf-Nr. 103955).

     

    Sachverhalt

    Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 12.376 EUR nebst Zinsen sowie von 1.025,30 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten verurteilt. Dem Hauptsacheverfahren ging ein Mahnverfahren voraus, in dem dieselben Ansprüche geltend gemacht worden sind. Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Kläger die Geschäftsgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die 1,3-fache Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren (Nr. 3305 VV RVG) angerechnet. Auf die Verfahrensgebühr für das streitige Verfahren (Nr. 3100 VV RVG) haben sie die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren nur in Höhe des Restes von 0,55 angerechnet. Das LG hat statt der insoweit begehrten 893,60 EUR netto 499,10 EUR netto festgesetzt. Es hat nach Abzug der anteiligen Geschäftsgebühr die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG in vollem Umfang auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG angerechnet. Das Beschwerdegericht hat die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Der BGH wies die eingelegte Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück.  

     

    Entscheidungsgründe

    Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr erfolgt in den Fällen, die in § 15a Abs. 2 RVG geregelt sind. Nachdem die außergerichtliche Geschäftsgebühr vorliegend voll tituliert worden ist, ist die Anrechnung auch im Verhältnis zu Dritten im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (§ 15a Abs. 2 2. Alt. RVG). Der Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr steht dabei nicht entgegen, dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Anwalt betrifft. Denn: Die Anrechnungsregeln hinsichtlich der im Mahnverfahren entstandenen Gebühren wirken sich auch im Verhältnis zu Dritten aus (§ 15a Abs. 2 3. Alt. RVG).  

     

    Nach herrschender Ansicht wird die Berechnung der Gebühren im Fall des nach außergerichtlicher Geschäftsbesorgung zunächst im Mahnverfahren und anschließend im Hauptverfahren in derselben Sache tätigen Rechtsanwalts in der Weise vorgenommen, dass auf die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren die Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG zur Hälfte bzw. mit maximal 0,75 angerechnet wird (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV Vorbm. 3 Rn. 209; vgl. auch OLG Stuttgart JurBüro 08, 526, zur vergleichbaren Lage nach vorangegangenem selbstständigen Beweisverfahren). Die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren wird gemäß Nr. 3305 VV RVG in vollem Umfang und nicht in durch die Anrechnung der Geschäftsgebühr gekürztem Umfang auf die Verfahrensgebühr für die Tätigkeit im streitigen Verfahren angerechnet.  

     

    Durch die volle Anrechnung ist gewährleistet, dass der Sinn der Anmerkung zu Nr. 3305 VV RVG auch zum Tragen kommt, wenn eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr anzurechnen ist. Dieser besteht darin die anwaltlichen Gebührenansprüche zu begrenzen. Ansonsten entstünde das vom Gesetzgeber nicht gewollte Ergebnis, dass für die Tätigkeit des nach außergerichtlicher Geschäftsbesorgung zunächst im Mahnverfahren und anschließend im Hauptverfahren tätigen Rechtsanwalts mehr Gebühren festzusetzen wären, als für die Tätigkeit des Anwalts, der nach außergerichtlicher Geschäftsbesorgung direkt das Hauptsacheverfahren betreibt.  

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung betrifft nur den Fall, dass die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) tituliert ist (§ 15a Abs. 2 2. Alt. RVG). Also wenn sie entweder im Mahnverfahren als Kosten festgesetzt oder durch Urteil mit tenoriert wurde. Sie betrifft nicht die Alternativen 1 und 3 des § 15a Abs. 2 RVG. Dennoch ist die Entscheidung auch - insbesondere im Fall des § 15a Abs. 2 1. Alt. RVG - anzuwenden, also auch, wenn die Geschäftsgebühr bereits gezahlt wurde.  

     

    Zu beachten ist ferner, dass eine volle Anrechnung der titulierten Geschäftsgebühr nur aus dem Wert zu erfolgen hat, der zugleich auch Gegenstand des Mahn- und Prozessverfahrens war. Es muss demnach Gegenstandsidentität bestehen. Bei unterschiedlichem Streitwert kann es daher zugunsten des RA bei zusätzlichen Gebührenanteilen verbleiben. Wie der BGH die Anrechnung vornimmt zeigen die folgende Beispiele:  

     

    Beispiel 1: Normalfall

    Mandant M beauftragt Rechtsanwalt R, außergerichtlich gegen G eine Forderung von 5.000 EUR geltend zu machen. R fordert G daraufhin unter Fristsetzung zur freiwilligen Zahlung auf. Nach fruchtlosem Fristablauf beantragt R auftragsgemäß einen Mahnbescheid, gegen den G Widerspruch einlegt. Im anschließenden Klageverfahren wird G antragsgemäß verurteilt, die Hauptforderung sowie die außergerichtliche 1,3 Geschäftsgebühr gemäß VV 2300 zu zahlen.  

     

    Außergerichtliche Tätigkeit (durchschnittliche Angelegenheit)  

    1,3 Geschäftsgebühr aus 5.000 EUR, VV 2300  

    391,30 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    78,14 EUR  

    Summe  

    489,44 EUR  

     

    Mahnverfahren  

    1,0 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, VV 3305  

    301,00 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr gemäß VV Vorb. 3 Abs. 4  

    - 195,65 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    23,81 EUR  

    Summe  

    149,16 EUR  

     

     

    Streitiges Verfahren  

    1,3 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, VV 3100  

    391,30 EUR  

    1,2 Terminsgebühr, VV 3104  

    361,20 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    abzgl. volle Mahnverfahrensgebühr (Anm. VV 3305)  

    301,00 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    89,77 EUR  

    Summe  

    562,27 EUR  

     

     

     

    Beispiel 2: Widerklage

    Mandant M beauftragt Rechtsanwalt R, außergerichtlich gegen G eine Forderung von 5.000 EUR geltend zu machen. R fordert G, vertreten durch RA K, daraufhin unter Fristsetzung zur Zahlung auf. Nach fruchtlosem Fristablauf beantragt R auftragsgemäß einen Mahnbescheid, gegen den G durch K Widerspruch einlegt. Im anschließenden Klageverfahren erhebt G Widerklage und macht die ihm entstandene Geschäftsgebühr geltend. Die Klage wird abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.  

     

    Außergerichtliche Tätigkeit (durchschnittliche Angelegenheit)  

    1,3 Geschäftsgebühr aus 5.000 EUR, VV 2300  

    391,30 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    78,14 EUR  

    Summe  

    489,44 EUR  

     

     

    Mahnverfahren  

    0,5 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, VV 3307  

    150,50 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    abzgl. Geschäftsgebühr gem. VV Vorb. 3 Abs. 4  

    - 150,50 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    3,80 EUR  

    Summe  

    23,80 EUR  

     

     

    Streitiges Verfahren  

    1,3 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, VV 3100  

    391,30 EUR  

    1,2 Terminsgebühr, VV 3104  

    361,20 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    abzgl. Mahnverfahrensgebühr (Anm. VV 3307)  

    150,50 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    118,18 EUR  

    Summe  

    740,18 EUR  

     

     

     

    Beispiel 3: Mahnverfahren nach teilweiser Zahlung

    Mandant M beauftragt Rechtsanwalt R, außergerichtlich gegen G eine Forderung von 8.000 EUR geltend zu machen. R fordert G unter Fristsetzung zur Zahlung auf. G zahlt daraufhin 3.000 EUR. R beantragt auftragsgemäß einen Mahnbescheid über die restlichen 5.000 EUR, gegen den G Widerspruch erhebt. Im anschließenden Klageverfahren wird G antragsgemäß verurteilt. Die Hauptforderung, sowie die außergerichtliche 1,3 Geschäftsgebühr gemäß VV 2300 zu zahlen. Es ist wie folgt anzurechnen.  

     

    Außergerichtliche Tätigkeit (durchschnittliche Angelegenheit)  

    1,3 Geschäftsgebühr aus 8.000 EUR, VV 2300  

    535,60 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    105,56 EUR  

    Summe  

    661,16 EUR  

     

     

    Mahnverfahren  

    1,0 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, VV 3305  

    301,00 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr aus 5.000 EUR gem. VV Vorb. 3 Abs. 4  

    - 195,65 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    23,81 EUR  

    Summe  

    149,16 EUR  

     

     

    Streitiges Verfahren  

    1,3 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, VV 3100  

    391,30 EUR  

    1,2 Terminsgebühr, VV 3104  

    361,20 EUR  

    Auslagenpauschale, VV 7002  

    20,00 EUR  

    abzgl. Mahnverfahrensgebühr (Anm. VV 3305)  

    301,00 EUR  

    19 % USt., VV 7008  

    89,77 EUR  

    Summe  

    562,27 EUR  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2011 | Seite 116 | ID 146387