Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.05.2007 | Kostenerstattung

    Materieller Kostenerstattungsanspruch eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Mandanten

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    Die Inanspruchnahme wegen einer Geldforderung begründet nicht ohne Weiteres einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch des in Anspruch Genommenen hinsichtlich der für die außergerichtliche Abwehr des Anspruchs aufgewendeten Anwaltskosten (BGH 12.12.06, VI ZR 224/05, n.v., Abruf-Nr. 070463).

     

    Sachverhalt

    Mit anwaltlichem Schreiben forderte der Beklagte von der Klägerin die Rückzahlung eines Betrags und drohte an, sonst Klage zu erheben. Im Schreiben ist dargelegt, unter welchen Umständen der Beklagte der Klägerin den Gesamtbetrag in mehreren Teilbeträgen überlassen habe. Die Klägerin beauftragte ihrerseits einen Anwalt, der den Anspruch als unbegründet zurückwies. Klage erhob der Beklagte nicht. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin Ersatz der Anwaltskosten, die sie zur Abwehr des vom Beklagten geltend gemachten Anspruchs aufgewendet hat. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Revision führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.  

     

    Praxishinweis

    Der BGH hat zu der für die Praxis wichtigen Frage eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs eines zu Unrecht in Anspruch Genommenen folgende Grundsätze aufgestellt (vgl. auch Volpert / Möller, RVG prof. 07, 45):  

     

    Übersicht: Anspruchsgrundlagen für einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch

    Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch wird nicht von vornherein durch §§ 91 ff. ZPO ausgeschlossen (BGHZ 45, 251). Es müssen aber die Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sein.  

     

    • Positive Vertragsverletzung (pVV) oder culpa in contrahendo (cic): Voraussetzung für diese Ansprüche ist, dass der vermeintliche Anspruch im Rahmen einer (vor-)vertraglichen Beziehung der Parteien geltend gemacht wurde (LG Wiesbaden AnwBl. 79, 186).

     

    Praxishinweis: Das Berufungsgericht hat zwischen den Parteien quasi-deliktische Sonderverbindungen, die einen Schadenersatzanspruch ähnlich dem aus cic oder pVV auslösen können, aufgrund der unberechtigt anzusehenden Forderung des Beklagten angenommen. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergebe sich deshalb, weil sie der unberechtigten Inanspruchnahme mit einer negativen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) hätte entgegentreten können. Dem folgt der BGH nicht. Zwar sind Sonderverbindungen denkbar, aus denen sich Auskunfts-, Schutz- oder Ersatzpflichten ergeben können (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., Einl. v. § 241 Rn. 4, § 280 Rn. 8 und § 311 Rn. 11). Allein durch die Geltendmachung eines Anspruchs, der tatsächlich nicht besteht oder jedenfalls nicht weiter verfolgt wird, entsteht keine solche Sonderverbindung (BGH NJW 88, 2032; 01, 2716). Ausnahmen krönnen gelten, wenn der in Anspruch Genommene im Einzelfall besonders schutzwürdig ist (Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 00, S. 165). Dazu ist hier nichts festgestellt worden. Das Berufungsgericht bejaht einen generellen Kostenerstattungsanspruch gegen denjenigen, der sich unberechtigt eines Rechts berühmt. Einen solchen Anspruch kennt unsere Rechtsordnung jedoch nicht. Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, soweit nicht die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen (Ahrens, NJW 82, 2477), wie dies etwa bei wettbewerbsrechtlichen Verhältnissen der Fall ist (dazu BGHZ 164, 1).

     

    • § 683 BGB: Der BGH hat diese Vorschrift als Grundlage bejaht für die Erstattung der Kosten, die einem Wettbewerbsverein durch den mit anwaltlicher Hilfe erfolgten Ausspruch einer Abmahnung entstanden sind (BGHZ 52, 393). Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist, dass die Abwehr des Anspruchs eine dem Interesse und mutmaßlichen Willen des Inanspruchnehmenden entsprechende Maßnahme ist. Im Übrigen beruht die genannte Entscheidung auf den Besonderheiten und Gepflogenheiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und kann nicht verallgemeinert werden (BGH NJW 86, 2243).

     

    • § 823 Abs. 1 BGB: Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift ist, dass in eines der in dieser Norm genannten Rechtsgüter eingegriffen worden ist (Haller, JurBüro 97, 342). Der Auffassung, die unberechtigte Geltendmachung einer Forderung stelle regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (so AG Bad Homburg MDR 86, 1028), kann nicht gefolgt werden.

     

    • § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB oder § 826 BGB: Ein hierauf gestützter Anspruch kommt in Betracht, wenn die Forderung nachweislich ohne tatsächliche oder rechtliche Grundlage ist. Dies kann als Betrugsversuch und sittenwidrige vorsätzliche Schädigung angesehen werden.

     

    • §§ 91 ff. ZPO analog: Dafür besteht kein Raum (BGH NJW 88, 2032).

     

    Praxishinweis: Die Revisionserwiderung hatte darauf hingewiesen, dass es unbefriedigend sei, wenn die Kostenerstattung nach materiellem Recht im Gegensatz zu der nach Prozessrecht lückenhaft bleibe. So ziehe der Beklagte Nutzen daraus, dass die Klägerin nicht sofort eine negative Feststellungsklage erhoben habe (so auch LG Zweibrücken NJW-RR 98, 1105; zustimmend Wedel, JurBüro 00, 35). Nach Ansicht des BGH rechtfertigt dies jedoch keine entsprechende Anwendung der zivilprozessualen Kostenvorschriften. Diese sind gegenüber materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen Ausnahmevorschriften, da sie an ein bestehendes Prozessrechtsverhältnis anknüpfen und die Kostentragungspflicht unabhängig vom Verschulden nach dem Maß des Unterliegens regeln. Eine daran orientierte Entscheidung über die Kostentragungspflicht kann nicht gewährleisten, dass sie der materiellen Rechtslage im Einzelfall entspricht (BGHZ 83, 12).

     

    Ein auf die entsprechende Anwendung der §§ 91 ff. ZPO gestützter allgemeiner Kostenerstattungsanspruch würde zu der vom Gesetzgeber nicht gewollten und auch nicht hinnehmbaren Erweiterung der Kostenerstattungspflicht in Richtung auf eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung führen. Zu bedenken ist auch, dass es beim Fehlen einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache am eindeutigen Anknüpfungspunkt für das Unterliegen fehlt (BGH NJW 88, 2032).

     

    Ein planwidrige Lücke des materiellen Haftungsrechts besteht nicht (BGH, a.a.O.). Die materiellen Haftungsnormen regeln, unter welchen Umständen eine Kostenerstattungspflicht bestehen kann. Dass einzelne Fallgestaltungen nicht erfasst werden, begründet keine Regelungslücke, weil das Haftungsrecht eben nicht an jeden Vermögensnachteil die Ersatzpflicht eines Dritten knüpft.

     

    Soweit auf eine mögliche negative Feststellungsklage abgestellt wird, überzeugt auch dies nicht. Es steht dem Betroffenen frei, diese zu erheben, wenn er die Rechtslage klären und eine gerichtliche Kostenentscheidung herbeiführen will. Erhebt er diese nicht, kann das Vorliegen eines materiell-rechtlichen Anspruchs nicht dadurch ersetzt werden, dass an die Voraussetzungen einer hypothetischen Feststellungsklage, also an eine Norm des Prozessrechts (§ 256 ZPO) angeknüpft wird.