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  • 01.09.2008 | Mahnverfahren

    Mahnverfahren richtig abrechnen

    von Bürovorsteher Detlev Schönemann, Würzburg

    Ein wichtiges Thema in der Praxis ist die Gebührenabrechnung im Mahnverfahren. Dazu folgende Checkliste:  

     

    Checkliste: Mahnverfahren

    Gebühren des Antragstellers:  

     

    • Antrag auf Erlass des Mahnbescheids: Der Anwalt des Antragstellers erhält im Mahnverfahren eine 1,0 Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV RVG. Bei mehreren Auftraggebern als Gesamtgläubigern erhöht sich die Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG um 0,3 für jeden weiteren Auftraggeber. Mehrere Erhöhungen dürfen jedoch den Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen.

     

    • Erledigung: Erledigt sich der Auftrag, bevor der Antrag bei Gericht eingereicht wird, ermäßigt sich die Gebühr auf 0,5, Nr. 3306 VV RVG. Auch hier gilt Nr. 1008 VV RVG.

     

    Bei teilweiser vorzeitiger Erledigung entstehen die 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG aus dem Wert, zu dem der Mahnbescheidsantrag eingereicht wurde, sowie eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3306 VV RVG aus dem Wert der vorzeitigen Erledigung. Die Gesamtsumme der Gebühren darf aber die 1,0 Gebühr aus dem Gesamtwert (§ 22 Abs. 1 RVG) nicht übersteigen, § 15 Abs. 3 RVG.

     

    • Terminsgebühr: Diese fällt an, wenn der Anwalt im Rahmen eines unbedingten Auftrags für das Mahnverfahren mit dem Gegner bevor er den Antrag stellt ein Vermeidungs- oder Erledigungsgespräch i.S. von Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG führt. Es reicht auch ein Gespräch, das die Gegenseite zum Anerkennen bewegen soll. Dasselbe gilt für ein Gespräch mit dem Ziel, dass der Antragsgegner seinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid zurücknehmen soll. Nach OLG Koblenz kann auch der Austausch entsprechender anwaltlicher E-Mails die Terminsgebühr auslösen (AnwBl. 07, 633). Gemäß Vorbem. 3.3.2 VV RVG bestimmt sich die Gebühr nach Abschnitt 1. Die im Mahnverfahren angefallene Terminsgebühr wird seit dem 1.1.07 nach Nr. 3104 Abs. 4 VV RVG auf die im streitigen Verfahren anfallende Terminsgebühr angerechnet. Dies gilt nicht, wenn der Auftrag vor dem 1.1.07 erteilt wurde (OLG Brandenburg RVG prof. 08, 80, Abruf-Nr. 081101). Zudem bilden das Mahn- und das streitige Verfahren zwei Angelegenheiten (§ 17 Nr. 2 RVG), sodass § 15 Abs. 3 RVG nicht greift.

     

    • Verfahrensgebühr und Anrechnung: Die 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG ist bei Erhebung des Widerspruchs und Durchführung des streitigen Verfahrens auf die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG des nachfolgenden Rechtsstreits anzurechnen, Anm. zu Nr. 3305 VV RVG.

     

    Ausnahme: Eine Anrechnung unterbleibt, wenn zwischen Beendigung des Mahnverfahrens und Beginn des streitigen Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen, § 15 Abs. 5 S. 2 RVG (OLG München AGS 01, 151 zur BRAGO).

     

    • Erinnerung: Wird der Mahnantrag aus anderen als den in § 691 Abs. 3 S. 1 ZPO genannten Gründen zurückgewiesen, unterliegt diese Entscheidung nach § 691 Abs. 3 S. 2 ZPO nur der befristeten Erinnerung, § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG. Frist: zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen, § 11 Abs. 2 S. 2 RPflG. Hilft er nicht ab, muss er die Sache dem Richter vorlegen, § 11 Abs. 2 S. 3 RPflG. Der Richter entscheidet über die Erinnerung endgültig. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Das Erinnerungsverfahren ist eine besondere Angelegenheit, § 18 Nr. 5 RVG. Der Anwalt kann dafür die Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG mit 0,5 beanspruchen.

     

    • Beschwerde: Bei maschineller Bearbeitung kann der durch Datenträger verkörperte oder datenträgerlos (§ 690 Abs. 3 ZPO Fassung ab 1.12.08) übermittelte Antrag nach § 691 Abs. 3 ZPO zurückgewiesen werden, wenn er sich für die EDV-Anlage des Gerichts nicht eignet oder die einschlägige Anlage des Antragstellers nicht zuverlässig arbeitet. Dagegen ist gemäß § 691 Abs. 3i.V. mit § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben. Frist: zwei Wochen. Auch das Verfahren ist eine besondere Angelegenheit (§ 18 Nr. 5 RVG) und löst die 0,5 Gebühr der Nr. 3500 VV RVG aus.

     

    • Vollstreckungsbescheid: Für den Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids erhält der Anwalt nach Nr. 3308 VV RVG eine weitere 0,5 Gebühr. Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG kommt hier nur in Frage, wenn der Anwalt nicht schon die erhöhte Gebühr nach Nr. 3305, 1008 VV RVG erhalten hat. Dies wäre der Fall, wenn er keinen Mahnbescheid beantragt hat und erstmals mit der Beantragung des Vollstreckungsbescheids beauftragt wird. Beide Erhöhungen können gemäß Anm. S. 2 zu Nr. 3308 VV RVG nicht nebeneinander bestehen.

     

    • Beschwerde/Erinnerung: Lehnt der Rechtspfleger den Erlass des Vollstreckungsbescheids ab, kann der Antragsteller dagegen sofortige Beschwerde gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO einlegen, § 11 Abs. 1 RPflG. Frist: zwei Wochen. Für die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren erhält der Anwalt ebenfalls die 0,5 Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG, da es sich um eine besondere Angelegenheit handelt.

     

    Wird der Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids nur wegen der Kosten – teilweise – abgelehnt, kann der Antragsteller dagegen sofortige Beschwerde einlegen (§ 104 Abs. 3 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG i.V. mit § 567 Abs. 1 ZPO), sofern der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt, § 567 Abs. 2 ZPO. Auch in diesem Beschwerdeverfahren fällt die 0,5 Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG an. Der Gegenstandswert errechnet sich aus dem Wert der abgesetzten Kosten. Liegt der Betrag unter 200 EUR, kann nur Erinnerung eingelegt werden. Dieses Erinnerungsverfahren ist ebenfalls eine nach Nr. 3500 VV mit 0,5 zu vergütende Tätigkeit, da es sich um eine besondere Angelegenheit i.S. des § 18 Nr. 5 RVG handelt.

     

    • Gehörsrüge: Wird der Antragsgegner im Verfahren der Beschwerde des Antragstellers gegen den Vollstreckungsbescheid nicht beteiligt (KG AGS 06, 66) kann er dagegen eine Gehörsrüge nach § 321a Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheben. Bei Erfolg muss das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden. Seinem Anwalt steht die 0,5 Gebühr nach Nr. 3330 VV RVG zu. Dagegen erhält der Anwalt des Antragstellers für das Verfahren über die Gehörsrüge keine zusätzliche Gebühr, da es keine besondere Angelegenheit darstellt, § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 RVG.

     

    • Einigung: Soweit der Anwalt nach Beantragung des Mahnbescheids mit der Gegenseite Verhandlungen führt, die mit einer Einigung enden, kann auch die 1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG beansprucht werden.

     

    Haben sich die Anwälte bei Verhandlungen im Mahnverfahren auch über nicht anhängige Ansprüche geeinigt, fallen Einigungsgebühren an. Deren Höhe richtet sich danach, ob Gegenstände mitverglichen wurden, die anderweitig anhängig sind oder nicht.

     

    • Keine anderweitige Anhängigkeit: Hier fällt eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG aus dem Wert der anhängigen Ansprüche sowie nach Nr. 1000 VV RVG mit 1,5 aus dem Wert der nicht anhängigen Ansprüche, und zwar mit der Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG an. Hinzu kommt die Verfahrensdifferenzgebühr aus dem Wert der im Mahnverfahren nicht anhängigen Ansprüche. Diese Gebühr ist aber im VV nicht ausdrücklich geregelt. Entsprechend Nr. 3305 VV RVG würde die 1,0 Verfahrensgebühr anfallen. Der Anwalt kann aber im Mahnverfahren, da hier nur eine geringere Verfahrensgebühr als im Rechtsstreit anfällt, nicht die höhere Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG mit 0,8 beanspruchen. Vielmehr ist in analoger Anwendung der Nr. 3306 VV RVG eine Verfahrensgebühr mit 0,5 aus dem Gegenstandswert der Einigung zu berechnen (Schneider, ZAP Fach 24, 951). Zu beachten ist auch hier die Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG.

     

    • Anderweitige erstinstanzliche Anhängigkeit: Hier fällt insgesamt nur eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG an. Auch hier entsteht die 0,5 Verfahrensdifferenzgebühr in entsprechend analoger Anwendung der Nr. 3306 VV RVG aus dem Wert der anderweitig anhängigen Ansprüche, begrenzt nach § 15 Abs. 3 RVG auf eine 1,0 Gebühr aus dem Gesamtwert der Ansprüche.

     

    • Anderweitige Anhängigkeit im Berufungsverfahren: Hier entsteht eine 1,3 Einigungsgebühr nach Nr. 1004 VV RVG unter Berücksichtigung der Begrenzung nach § 15 Nr. 3 RVG. Hinsichtlich der Verfahrensdifferenzgebühr ist von der gleichen Berechnungsmethode auszugehen.

     

    Gebühren des Anwalts des Antragsgegners:  

     

    • Vertretung des Antragsgegners: Der Anwalt des Antragsgegners erhält nach Nr. 3307 VV RVG eine 0,5 Gebühr. Hiermit ist die gesamte Tätigkeit im gerichtlichen Mahnverfahren abgegolten, und zwar mit der Entgegennahme der Information, eventuell Begründung des Widerspruchs und Prüfung der Erfolgsaussichten.

     

    • Terminsgebühr: Auch kommt für den Vertreter des Antragsgegners durch Vorbem. 3.3.2 VV RVG eine Terminsgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG i.V. mit Nr. 3104 VV RVG in Betracht, soweit er Besprechungen mit dem Gegner oder einem Dritten führt, die der Erledigung oder Vermeidung des Mahnverfahrens oder der Vermeidung des nachfolgenden streitigen Verfahrens dienen.

     

    Nimmt der Vertreter des Antragsgegners nach Erlass des Mahnbescheids erfolglos Verhandlungen mit dem Ziel der Herbeiführung einer Einigung auf, sodass das streitige Verfahren mit mündlicher Verhandlung durchgeführt wird, fällt sowohl für die Verhandlung im Mahnverfahren als auch für die Verhandlung im streitigen Verfahren jeweils eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG an. Zur Anrechnung der Terminsgebühr vgl. oben S. 150 zur Termingebühr des Antragstellers.

     

    • Verfahrensgebühr und Anrechnung: Wird mit der Erhebung des Widerspruchs zugleich der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt (§ 696 Abs. 1 S. 1 ZPO), gehört diese Tätigkeit nicht mehr zum gerichtlichen Mahnverfahren, sodass der Anwalt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG mit 1,3 berechnen kann (OLG Hamm AnwBl. 89, 682). Die Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid gehört nicht mehr zum Mahnverfahren, sondern zum nachfolgenden Rechtszug. Hierdurch wird die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ausgelöst (Hansens, RVGreport 04, 123). Die Gebühr der Nr. 3307 VV RVG wird auf die nachfolgende Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV RVG voll angerechnet (Anm. zu Nr. 3307 VV RVG).

     

    Ausnahme: Eine Anrechnung unterbleibt, wenn seit Beendigung des Mahnverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre verstrichen sind (OLG München AGS 01, 151).

     

    • Beschwerde/Erinnerung: Lehnt das Gericht den Erlass des Vollstreckungsbescheids ab, kann der Antragsteller dagegen sofortige Beschwerde oder Erinnerung einlegen. Wird der Anwalt des Antragsgegners beauftragt, auch in diesem Verfahren tätig zu werden, steht ihm die Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG zu, da es sich bei dem Beschwerde- und Erinnerungsverfahren um eine besondere Angelegenheit gemäß § 18 Nr. 5 RVG handelt.

     

    • Einigungsgebühr: Diese kann auch für den Anwalt des Antragsgegners anfallen, wenn er nach Erhebung des Widerspruchs mit dem Antragstellervertreter verhandelt und dies zur Einigung führt. Werden dabei auch nicht rechtshängige Ansprüche mit erledigt, steht ihm neben der Einigungsgebühr aus dem Wert der anhängigen Forderung (1,0 Gebühr Nr. 1003 VV RVG) auch die Einigungsgebühr aus dem Wert der nicht anhängigen Ansprüche (1,5 Gebühr Nr. 1000 VV RVG ) zu. Allerdings kann nicht mehr als eine 1,5 Gebühr aus den addierten Werten berechnet werden, § 15 Abs. 3 RVG.

     

    Wird gegen den Mahnbescheid nur eingeschränkt Widerspruch erhoben, fällt gleichwohl die 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG aus dem vollen Wert der Mahnbescheidsforderung an, wenn die Beschränkung des Widerspruchs auf eine entsprechende Beratung des Anwalts zurückzuführen ist. Bei Durchführung des streitigen Verfahrens ist die Gebühr nach Nr. 3307 VV RVG nur anzurechnen aus dem Wert der streitig gebliebenen Forderung. Gleiches gilt auch, wenn nach Erhebung des Widerspruchs dieser teilweise zurückgenommen wird.

     

    Gemäß § 702 Abs. 2 ZPO ist der Vertreter des Antragsgegners am Verfahren auf Erlass des Vollstreckungsbescheids nicht beteiligt. Wenngleich auch eine Tätigkeit insoweit denkbar ist, dass eine Stellungnahme oder anderweitige Erklärung über den Umfang des Widerspruchs hinaus abgegeben wird, kann keine über die Nr. 3307 VV RVG hinausgehende Gebühr beansprucht werden. Dies gilt auch, wenn die Parteien darüber streiten, dass der Widerspruch verspätet sei bzw. dieser solange zu berücksichtigen ist, als noch kein Vollstreckungsbescheidsantrag bei Gericht eingegangen ist. Die Gebühr der Nr. 3308 VV RVG steht ausschließlich dem Anwalt des Antragstellers zu.

     

    Legt der Antragsteller gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass des Vollstreckungsbescheids Beschwerde ein, ist dem Antragsgegner rechtliches Gehör zu gewähren. § 702 Abs. 2 ZPO gilt nicht im Beschwerdeverfahren. Wird der Anwalt des Antragsgegners beauftragt, im Beschwerdeverfahren tätig zu werden, liegt eine besondere Angelegenheit gemäß § 18 Nr. 5 RVG vor, so dass dem Anwalt die 0,5 Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG zusteht.

     

    Nimmt der Antragsteller den Mahnbescheidsantrag zurück, ergeht auf Antrag der Gegenseite eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Zuständig dafür ist das für die Durchführung des streitigen Verfahrens zuständige Gericht. Das Mahngericht muss auf Antrag einer Partei das Verfahren abgeben (BGH in AGS 05, 32). Folge: Die Auseinandersetzung zur Kostenentscheidung gehört zum streitigen Verfahren, sodass die Anwälte die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem Kostenwert berechnen können. Dem steht auch § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG nicht entgegen, denn diese Vorschrift gilt nur, wenn die Kostenentscheidung in demselben Verfahren ergeht, was jedoch nach Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht nicht mehr der Fall ist.

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2008 | Seite 150 | ID 121350