01.07.2011 | Reisekosten
Beliebter Streitpunkt: Reisekosten des Anwalts
von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn
Reisekosten gehören zu den besonderen Geschäftskosten des Anwalts. Der Anwalt kann für eine Geschäftsreise
- Fahrtkosten (Nr. 7003, 7004),
- Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005) sowie
- sonstige angemessene Auslagen (Nr. 7006) verlangen.
Der folgende Beitrag erläutert, wann und in welcher Höhe für den Anwalt Reisekosten anfallen und erstattungsfähig sind.
1. Definition der Geschäftsreise
Nach Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG liegt eine Geschäftsreise vor, wenn sich das Reiseziel außerhalb der Gemeinde befindet, in der der Anwalt seine Kanzlei oder seinen Wohnsitz hat. Entscheidend ist das Gebiet der politischen Gemeinde, unabhängig von der konkret zurückgelegten Entfernung.
Praxishinweis |
Von dem Begriff „Kanzlei“ wird nach neuerer Rechtsprechung auch die Zweigstelle einer Anwaltskanzlei erfasst (OLG Dresden RVG prof. 11, 87, Abruf-Nr. 111412). Fahrtkosten für eine Geschäftsreise zu einem Ziel innerhalb der Gemeinde, in der die Zweigstelle der Kanzlei unterhalten wird, lösen daher keinen Anspruch nach Nr. 7003 VV RVG aus. |
Unternimmt der Anwalt eine Geschäftsreise für mehrere Angelegenheiten, müssen die gesamten Reisekosten im Verhältnis der fiktiven Einzelreisekosten auf die einzelnen Mandate aufgeteilt werden (Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV RVG). Dazu sind zunächst die Kosten zu berechnen, die angefallen wären, wenn der Anwalt die Reisen für jede Angelegenheit einzeln durchgeführt hätte. Die fiktiven Einzelreisekosten werden dann mit den tatsächlich angefallenen Gesamtkosten multipliziert und durch die Summe der Einzelreisekosten geteilt.
fiktive Einzelreisekosten x tatsächliche Gesamtkosten |
Summe der Einzelreisekosten |
Eine Aufteilung ist zum einen erforderlich, wenn der Anwalt während der Reise für mehrere Auftraggeber tätig wird, da jeder Auftraggeber nur für die Kosten haftet, die im Rahmen des eigenen Mandates angefallen sind. Zum anderen kann auch bei nur einem Auftraggeber eine Aufteilung insoweit erforderlich sein, als die Erstattung durch verschiedene Prozessgegner gegebenenfalls unterschiedlich ist.
2. Fahrtkosten
Der Anwalt kann auf die unterschiedlichsten Arten zum Gerichtstermin anreisen. Die folgende Checkliste gibt einen Überblick, wann welche Fahrtkosten entstehen.
Checkliste: Das müssen Sie zu den Fahrtkosten wissen |
Praxishinweis: Eine Ausnahme gilt jedoch für bekannte Stau- oder sonstige Problemstellen, die umfahren werden dürfen.
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3. Tage- und Abwesenheitsgeld
Die Regelung in Nr. 7005 VV RVG sieht ein pauschales Tage- und Abwesenheitsgeld vor, welches die Mehrkosten des Anwalts während der Reise (z.B. Mittagessen) abgelten soll. Praxishinweis: Da die Beträge mit 20 bis 60 EUR je nach Abwesenheitsdauer relativ gering ausfallen, sollte der Anwalt bei vorhersehbaren höheren Kosten mit dem Mandanten gemäß §§ 3a ff. RVG eine Vergütungsvereinbarung treffen.
4. Sonstige angemessene Auslagen
Zu den sonstigen Auslagen, die gemäß Nr. 7006 VV RVG bei Angemessenheit verlangt werden können, gehören z.B. Übernachtungskosten (ohne die Verpflegungskosten, weil sie bereits über das Tage- und Abwesenheitsgeld abgegolten sind), Telefonkosten und Parkgebühren.
5. Erstattung der Terminsreisekosten durch den Gegner
In den Fällen, in denen der Anwalt zum Verhandlungstermin von außerhalb anreist, entsteht häufig Streit darüber, ob die Reisekosten vom (unterlegenen) Gegner zu erstatten sind oder die Partei nicht einen Anwalt am Gerichtsort hätte beauftragen müssen. Nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind Reisekosten eines Anwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und auch nicht am Ort des Prozessgerichts wohnt, nur insoweit zu erstatten, als seine Zuziehung notwendig war. In der Rechtsprechung werden hier die folgenden Fallgestaltungen unterschieden:
- Rechtsstreit vor einem auswärtigen Gericht: Eine Partei, die vor einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, kann in der Regel einen Anwalt an ihrem Wohn- bzw. Geschäftsort beauftragen und die Reisekosten erstattet verlangen (BGH NJW 03, 898; BGH NJW-RR 04, 430; BGH VersR 06, 1089; BGH NJW 06, 3008).
Beispiel |
Der Beklagte wohnt in Bonn und wird vor dem LG Düsseldorf verklagt. Er darf einen in Bonn niedergelassenen Anwalt beauftragen und erhält die Reisekosten für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins in Düsseldorf vom (unterlegenen) Gegner erstattet. Dies gilt selbst, wenn der Anwalt Mitglied einer überörtlichen Sozietät ist, die auch ein Büro in Düsseldorf hat (BGH NJW 08, 2122). Eine Ausnahme gilt, wenn:
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Praxishinweis: |
Ob die Partei nur die Kosten für eine oder aber für mehrere Informationsreisen vom Gegner verlangen kann, hängt vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, ob die Partei objektiv in der Lage war bzw. hätte sein müssen, den Anwalt in einem einzigen Gespräch zu informieren oder ob später weiterer Informationsbedarf entstanden ist, der wiederum ein persönliches Gespräch erforderte (zu Informationsreisen im Berufungsverfahren OLG Koblenz JurBüro 10, 210). |
- Rechtsstreit am Wohnort der Partei: Klagt die Partei im eigenen Gerichtsstand bzw. wird dort verklagt, kann sie nicht auf Kosten des Gegners einen auswärtigen Anwalt beauftragen (BGH NJW 03, 901). Dies gilt auch, wenn er ihr „Anwalt des Vertrauens“ ist, oder bereits vorprozessual für sie tätig war, was aufgrund der Anrechnung der Geschäftsgebühr zu geringeren Kosten führen würde.
Beispiel |
Der in Bonn wohnende Beklagte wird vor dem LG Bonn verklagt. Er beauftragt einen Anwalt aus Düsseldorf, weil er diesen bereits aus anderen Mandaten gut kennt und ihm vertraut. Auch von diesem Grundsatz sind jedoch in der Rechtsprechung Ausnahmen anerkannt. So wird die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten bejaht, wenn:
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- Anwalt am dritten Ort: Denkbar ist auch, dass die Partei einen Anwalt beauftragt, der weder an ihrem Wohn- noch am Gerichtsort ansässig ist.
Beispiel |
Der in Köln wohnende Beklagte wird vor dem LG Düsseldorf verklagt und beauftragt einen ihm bekannten Anwalt aus Bonn mit seiner Vertretung.
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6. Erstattung von Flugreisekosten
Der Anwalt ist nicht verpflichtet, einen Billigflug zu buchen (OLG Stuttgart AGS 06, 206; OLG Stuttgart RVGreport 05, 319). Solche Flüge stehen nur eingeschränkt zur Verfügung und werden häufig für Zeiten angeboten, die einer anwaltlichen Terminsreise nicht angepasst sind. Die Kosten für einen Flug in der Economy-Class sind regelmäßig erstattungsfähig. Bei Inlandsflügen ist die Erstattung der Kosten für die Business-Class umstritten (dafür: OLG Hamburg JurBüro 08, 432; KG RVGreport 06, 113; dagegen: OLG Düsseldorf NJW-RR 09, 1422; OLG Frankfurt AGS 08, 409).
Praxishinweis |
Der Anwalt sollte also - soweit das für die Kostenfestsetzung zuständige Gericht nicht ausdrücklich die Ansicht des OLG Hamburg vertritt - vorsichtshalber einen Flug in der Economy-Class buchen bzw. mit seinem Mandanten vereinbaren, dass dieser nicht erstattete Mehrkosten übernimmt. |