30.04.2008 | Strafrecht
Pflichtverteidiger: Nachträgliche Entscheidung über Erstreckung zulässig
Eine Entscheidung nach § 48 Abs. 5 S. 3 RVG kommt auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens in Betracht (LG Dresden 25.1.08, 3 Qs 188/07, n.v., Abruf-Nr. 081098). |
Sachverhalt
Dem ehemaligen Angeklagten wurden in mehreren Verfahren Straftaten vorgeworfen. Im führenden Verfahren 1 wurde ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Im Eröffnungsbeschluss hat das AG das Verfahren 2 hinzuverbunden. Im Hauptverhandlungstermin hat das AG den Anwalt gemäß § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet. Das Verfahren wurde ausgesetzt. In einem neuen Hauptverhandlungstermin wurden noch zwei weitere Anklagen 3 und 4 zum führenden Verfahren hinzuverbunden. Eine Beiordnung des Anwalts erfolgte in diesen Verfahren weder zuvor noch in der neuen Hauptverhandlung. Es wurde auch keine Erstreckung gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG ausgesprochen. Der Anwalt hat die Gebühren für seine Tätigkeit in allen Verfahren geltend gemacht. Festgesetzt worden sind nur die Gebühren für die Verfahren 1 und 2. Dagegen hat der Anwalt Erinnerung eingelegt. Hilfsweise hat er eine Entscheidung des AG beantragt, mit der gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG die Erstreckung auch auf die Verfahren 3 und 4 erklärt werde. Diesem Antrag hat das AG stattgegeben. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Hinsichtlich der Verfahren 3 und 4 ist im Zusammenhang mit der Verbindung keine Entscheidung über die Erstreckung erfolgt. Eine Entscheidung nach § 48 Abs. 5 S. 3 RVG kommt jedoch auch noch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens in Betracht. Diese Entscheidung hat zur Folge, dass § 48 Abs. 5 S. 1 RVG greift. Faktisch kommt das einer nachträglichen Bestellung zum Pflichtverteidiger nach § 140 StPO gleich. Diese wird jedoch allgemein als unzulässig angesehen. Anders als die Pflichtverteidigerbestellung ist die Erstreckungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG jedoch rein kostenrechtlicher Natur, während die Entscheidung nach § 140 StPO die ordnungsgemäße Verteidigung im noch ausstehenden bzw. laufenden Verfahren gewährleisten soll. Dies entspricht auch der Ansiedlung der Möglichkeit zur Erstreckung im RVG und nicht in der StPO.
Praxishinweis
Die Entscheidung entspricht der wohl herrschenden Rechtsprechung (OLG Düsseldorf RVG prof. 07, 175, Abruf-Nr. 072746; LG Freiburg RVG prof. 06, 93). Der Anwalt sollte aber, um der Diskussion über die Zulässigkeit des nachträglichen Erstreckungsantrags zu entgehen, darauf achten, dass in Zusammenhang mit der Verbindung auch die Erstreckung ausgesprochen wird.
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