01.09.2008 | Strafverfahren
Erstreckung nur bei vorherigem Beiordnungsantrag
Die (vergütungsrechtliche) Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung setzt voraus, dass der Rechtsanwalt in dem hinzuverbundenen Verfahren bereits einen Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung gestellt hatte (LG Bielefeld 27. 3. 08, Qs 652/06 III, n.v., Abruf-Nr. 082523). |
Sachverhalt
Der Anwalt war dem Angeklagten in einem Jugendgerichtsverfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet. Zu diesem Verfahren wurden weitere Verfahren, in denen der Anwalt als Wahlverteidiger tätig war, hinzuverbunden. Er hat die Erstreckung gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG beantragt. Das ist vom AG abgelehnt worden. Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Nach der Gesetzesbegründung zu § 48 Abs. 5 S. 3 RVG kommt eine Erstreckung insbesondere in Betracht, wenn in dem oder den hinzuverbundenen Verfahren eine Bestellung als Pflichtverteidiger ohne die Verbindung unmittelbar bevorgestanden hätte. Das ist aber nur der Fall, wenn sie vor der Verbindung bereits beantragt worden ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall, sodass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 5 S. 3 RVG schon aus diesem Grund zu verneinen sind. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die bei der Erstreckung vorzunehmende Gesamtwürdigung aller Umstände hier wohl ergeben würde, dass die im führenden Verfahren erfolgte Pflichtverteidigerbestellung nicht auch in den hinzuverbundenen Verfahren Wirkung entfalten muss. Das wäre etwa geboten, wenn das AG nach Verbindung der Verfahren gerade auch aufgrund der Mehrzahl der somit abzuurteilenden Taten das Vorliegen schädlicher Neigungen i.S.d. § 17 JGG festgestellt und infolgedessen eine nicht unerhebliche Einheitsjugendstrafe als einheitliche Rechtsfolge verhängt hätte. Das ist jedoch nicht geschehen. Im Übrigen hat es sich bei den Tatvorwürfen der hinzuverbundenen Verfahren nicht um besonders schwer wiegende Tatvorwürfe gehandelt.
Praxishinweis
Dem Hauptargument ist zu widersprechen. Die Gesetzesbegründung meint nicht das formale Kriterium der Antragstellung. Vielmehr kommt es für die Erstreckung darauf an, ob die materiellen Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung vorlagen und deshalb dem Beschuldigten auch in dem hinzu verbundenen Verfahren mangels Wahlverteidiger ein Pflichtverteidiger hätte bestellt werden müssen. Darauf, ob der Anwalt bereits in den hinzuverbundenen Verfahren einen Beiordnungsantrag gestellt hatte, kann es nicht ankommen. Denn die Frage, ob ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss – die Beiordnung also „unmittelbar bevorsteht“ – hängt nicht von der Antragstellung ab, sondern vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 StPO (so auch LG Kiel RVG prof. 06, 202, Abruf-Nr. 062985; wie das LG Bielefeld allerdings LG Berlin JurBüro 06, 29; zur Gesamtwürdigung bei Erstreckung OLG Düsseldorf RVG prof. 07, 175, Abruf-Nr. 072746).
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