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  • 29.10.2009 | Strafverfahren

    Strafbefehlsverfahren: Abrechnung der Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Für den nach § 408b StPO im Zusammenhang mit dem Erlass des Strafbefehls beigeordneten Pflichtverteidiger entsteht nur eine Gebühr nach Nr. 4302 VV RVG (LG Aurich 12.8.09, 12 Qs 90/09, Abruf-Nr. 093358).

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte erschien im Hauptverhandlungstermin nicht. Die StA beantragte daraufhin den Erlass eines Strafbefehls nach § 408b StPO. Der Angeklagte wurde dazu und zur Pflichtverteidigerbestellung angehört. Eine Reaktion erfolgte nicht. Das AG erließ den Strafbefehl und bestellte zugleich den Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger gemäß § 408b StPO für das Strafbefehlsverfahren. Dem Beschluss war der Zusatz beigefügt, dass die Bestellung nicht für eine mögliche Hauptverhandlung gelte und es mit dem Angeklagten abzusprechen sei, ob nach einem Einspruch eine Wahlverteidigung auf Kosten des Angeklagten erfolgen solle. Einspruch wurde nicht eingelegt. Der beigeordnete Anwalt hat die Festsetzung der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG beantragt. Festgesetzt worden ist nur eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4302 VV RVG. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Es ist vom AG zutreffend nur die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4302 VV RVG festgesetzt worden. Die Beiordnung des Pflichtverteidigers ist gemäß § 408b StPO ausdrücklich nur für das Strafbefehlsverfahren erfolgt. Hintergrund dieser Auslegung des § 408b StPO ist insbesondere der Umstand, dass ansonsten derjenige Angeklagte besser gestellt wäre, gegen den zunächst nur ein Strafbefehl erlassen wird, als derjenige, gegen den von vornherein Anklage erhoben würde und der nur unter den Voraussetzungen des § 140 StPO Anspruch auf eine Pflichtverteidigerbestellung hat (OLG Düsseldorf NStZ 02, 390). Eine spezielle Gebührenvorschrift für das Strafbefehlsverfahren existiert allerdings nicht, sodass die Tätigkeit des Pflichtverteidigers von den bestehenden Gebührentatbeständen zu erfassen ist. Vorliegend erfolgte die Bestellung des Pflichtverteidigers zu einem Zeitpunkt als der Strafbefehl bereits erlassen war, sodass der Pflichtverteidiger zwangsläufig vor Erlass des Strafbefehls keine Tätigkeit mehr entfalten musste und konnte. Seine Tätigkeit hat sich bei lebensnaher Betrachtung ausschließlich in der Prüfung, ob gegen den bereits erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt werden sollte, erschöpft. Dass eine darüber hinausgehende, anderweitige anwaltliche Tätigkeit entfaltet wurde, ist weder erkennbar noch nachvollziehbar dargelegt. Die erfolgte, isolierte Prüfung einer Einspruchseinlegung stellt eine Einzeltätigkeit dar. Sie ist vergleichbar der isolierten Fertigung einer Revisionsbegründung oder einer Revisionseinlegung, die anerkanntermaßen Einzeltätigkeiten i.S. von Nr. 4302 VV RVG darstellen.  

     

    Praxishinweis

    Der Auffassung des LG ist zu widersprechen. Sie steht auch im Widerspruch zu anders lautender obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Düsseldorf RVGreport 08, 351 = StraFo 08, 441 = JurBüro 08, 587 = AGS 08, 343). Danach ist zutreffend davon auszugehen, dass auch der nach § 408b StPO beigeordnete Rechtsanwalt als voller Verteidiger i.S. von Vorbem. 4 Abschnitt 1 VV RVG tätig wird und damit für die Anwendung von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG nach Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV RVG kein Raum ist. Das verkennt das LG. Es verkennt zudem, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts auch in diesen Fällen nicht auf die bloße Prüfung des Strafbefehls und die Frage des Einspruchs dagegen begrenzt ist. Will er den Angeklagten ordnungsgemäß beraten, muss er sich mit dem gesamten Verfahrensstoff auseinandersetzen und sich dafür nach Akteneinsicht in das Verfahren einarbeiten. Das ist mehr als eine „Einzeltätigkeit“. Der Verteidiger kann daher Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG) und Verfahrensgebühr (Nr. 4106, 4107 VV RVG) geltend machen.