01.08.2005 | Strafverfahren
Strafbefehlsverfahren richtig abrechnen
von Bürovorsteher Detlev Schönemann, Würzburg
Der Beitrag zeigt abrechenbare Gebühren im Strafbefehlsverfahren auf.
Checkliste: Gebühren des Pflichtverteidigers im Strafbefehlsverfahren |
- Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG: Die Gebühr entsteht mit der Einarbeitung in den Fall, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anwalt tätig geworden ist (Gesetzesbegründung BT-Drucksache 15/1971, 222). Die Übernahme des Mandats erfolgt beim Wahlverteidiger durch Abschluss des Mandatsvertrags, beim bestellten Verteidiger durch die Beiordnung des Gerichts, §§ 140, 141StPO. Nur das Erstgespräch sowie die Akteneinsicht werden durch die Grundgebühr erfasst. Die weiteren Gespräche werden nicht durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG erfasst.
- Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG – vorbereitendes Verfahren: Das vorbereitende Verfahren beginnt mit der polizeilichen Ermittlung oder den Ermittlungsverfahren nach §§ 158bis 177 StPO. Es endet mit der Einstellung oder der Überleitung in das gerichtliche Verfahren. Auf den Grund der Einstellung kommt es nicht an, so dass auch bei einer vorläufigen Einstellung gemäß § 153a StPO das Verfahren vorerst beendet ist. Ebenso verhält es sich bei einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, und zwar trotz der Möglichkeit der Wiederaufnahme der Ermittlungen. Bei der Wiederaufnahme entsteht die Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG nicht nochmals, es sei denn, zwischen der Einstellung und der Wiederaufnahme der Ermittlungen liegen mehr als zwei Kalenderjahre, § 15 Abs. 5 S. 2 RVG.
- Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG – gerichtliches Verfahren: Die Gebühr erfasst alle Tätigkeiten des Anwalts im gerichtlichen Verfahren, wie z.B. die Beratung über den Einspruch gegen den Strafbefehl oder der Einspruch selbst. Das Hauptverfahren muss eröffnet worden sein. Dies folgt aus § 19 Abs. 1 Nr. 10 RVG. Das vorbereitende Verfahren ist mit dem Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls abgeschlossen. Das Verfahren ab Einlegung des Einspruchs bis zum Beginn der Hauptverhandlung zählt zum gerichtlichen Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung (OLG Hamm RPfleger 02, 171).
Praxishinweis: Für die Hauptverhandlung muss der Pflichtverteidiger gesondert bestellt werden. - Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG: Voraussetzung dafür ist, dass im Hauptverfahren ein Termin stattgefunden und der Anwalt daran teilgenommen hat. Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache, § 243 Abs. 1 S. 1 StPO. Ausreichend ist die bloße Anwesenheit des Anwalts. Er muss keine Anträge stellen, keine Erklärungen abgeben und zu keinen Fragen Stellung nehmen. Dies ergibt sich aus Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG. Es reicht z.B. aus, dass nach Aufruf der Sache der Einspruch zurückgenommen wird. Dies gilt auch für den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalt.
- Umfang des Vergütungsanspruchs: Dieser ergibt sich aus § 48 RVG. Wird der Anwalt im erstinstanzlichen Verfahren bestellt oder beigeordnet, erfolgt dies rückwirkend, so dass der Anwalt auch die Gebühren erhält, die im vorbereitenden und gerichtlichen Verfahren für seine Tätigkeiten vor der Bestellung angefallen sind. Neu ist, dass die Rückwirkung auch im Rechtsmittelverfahren gilt, § 48 Abs. 5 S. 2 RVG. Sie erstreckt sich aber nicht auf die vorangegangenen Rechtszüge. Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden, tritt keine Rückwirkung ein. Auch erstreckt sich die Beiordnung nicht automatisch auf das hinzuverbundene Verfahren. Das Gericht kann die Bestellung oder Beiordnung gemäß § 48 Abs. 5 S. 3 RVG aber auf das verbundene Verfahren ausdehnen.
Im Gegensatz zu §§ 97 ff. BRAGO gelten für den Pflichtverteidiger die gleichen Gebührentatbestände wie für den Wahlverteidiger. An Stelle der Rahmengebühren sind Festgebühren getreten, so dass das bisherige Berechnungsverfahren entfällt. Der Pflichtverteidiger erhält aber Zusatzgebühren zur Terminsgebühr, wenn die Hauptverhandlung länger als fünf Stunden (Nr. 4110 VV RVG) bzw. über acht Stunden (Nr. 4111 VV RVG) dauert. Damit wird ein Ausgleich dafür geschaffen, dass der Pflichtverteidiger nicht wie der Wahlverteidiger die Möglichkeit hat, den Gebührenrahmen gemäß § 14 Abs. 1 RVG auszuschöpfen. Eine Unterscheidung, ob sich der Beschuldigte auf freiem Fuß befindet oder nicht, findet bei den Zusatzgebühren nicht mehr statt. |
Bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafbefehlsverfahren nach § 408b StPO gelten folgende Besonderheiten: Die Tätigkeit des nach § 408b StPO bestellten Verteidigers ist eine solche im gerichtlichen Verfahren. Die Einlegung des Einspruchs gegen den Strafbefehl erfolgt außerhalb der Hauptverhandlung (OLG Düsseldorf NStZ 02, 390). Denn der beigeordnete Anwalt prüft nur, ob das Strafbefehlsverfahren nach § 407 ff. StPO zulässig ist, insbesondere ob die Verhängung einer Freiheitsstrafe überhaupt und ggf. in welcher Höhe angemessen erscheint. Der Anwalt kann daher nur die Grundgebühr nach Nr. 4100 sowie die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG beanspruchen.
Anmerkung: Nach Ansicht des AG Koblenz steht dem zufällig im Sitzungssaal anwesenden Anwalt, der im Verfahren nach § 408a StPO (Strafbefehlsantrag nach Eröffnung des Hauptverfahrens) zum Pflichtverteidiger bestellt wird, nur die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV zu (RVG-Letter 04, 142). Dem kann nicht gefolgt werden. Der nach § 408b StPO beigeordnete Anwalt ist als Vollverteidiger bestellt worden und nicht nur zur Wahrnehmung einer Einzeltätigkeit mit der Gebührenfolge nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG, Vorbem. 4.3 Nr. 1 VV RVG. Selbst wenn der Anwalt erst zum Zeitpunkt der Eröffnung der Hauptverhandlung zum Verteidiger bestellt wird, hat er Anspruch auf die Grund- und Verfahrensgebühr nach Nr. 4100 und 4104 VV RVG. Denn ohne die notwendige Informationsbeschaffung durch Akteneinsicht und Mandantengespräche besteht keine Möglichkeit zur Vorbereitung der Verteidigung. Nimmt der Anwalt an der Hauptverhandlung teil, steht ihm die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG zu.
Quelle:
Ausgabe 08 / 2005 | Seite 133 | ID 91913
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