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  • Verfahrensgebühr
    Die Verfahrensgebühr in Zivilsachen I. Instanz
    von Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Düsseldorf
    Der Beitrag erläutert anhand einiger typischer Fallkonstellationen, wie die Verfahrensgebühr im gerichtlichen Zivilverfahren der ersten Instanz richtig abgerechnet wird (dazu auch Volpert, RVG prof. 04, 37).
    Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr
    Der Anwalt erhält für die Tätigkeit im gerichtlichen Zivilverfahren erster Instanz eine 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, die sich in bestimmten Fällen auf eine 0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV RVG ermäßigt. Entstehen diese Verfahrensgebühren von verschiedenen Teilen des Gegenstands nebeneinander, muss ein Gebührenvergleich nach § 15 Abs. 3 RVG (bisher § 13 Abs. 3 BRAGO) erfolgen. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Es handelt sich um eine Pauschgebühr, die sämtliche Tätigkeiten des Anwalts im gerichtlichen Verfahren bis auf die Tätigkeiten abgilt, für die eine Terminsgebühr entsteht (Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG).
    Abgrenzung zwischen Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr
    Voraussetzung für die Entstehung der Verfahrensgebühr ist, dass der Kläger dem Anwalt den Auftrag erteilt, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten oder dass er für den Beklagten die Abwehr der Klage übernehmen soll und der Anwalt irgendeine Tätigkeit zur Ausführung dieses prozessbezogenen Auftrags vorgenommen hat (z.B. Informationsaufnahme, BT-Drucksache 15/1971, 210). Die Einreichung der Klage ist für die Entstehung nicht erforderlich. Eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG für die außergerichtliche Vertretung entsteht neben der Verfahrensgebühr nur, wenn der Anwalt für die außergerichtliche Vertretung und die Vertretung im gerichtlichen Verfahren gesonderte Aufträge erhalten hat. Schnittstelle zwischen der außergerichtlichen und der gerichtlichen Vertretung ist der Prozessauftrag (Volpert, RVG prof. 04, 111).
    Volle Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG
    Die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG entsteht nach dem Umkehrschluss aus Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG mit dem vollen Satz von 1,3 für den Prozessbevollmächtigten des Klägers entweder
  • mit Einreichung der Klage oder des verfahrenseinleitenden Antrags,
  • eines Schriftsatzes, der Sachanträge, Sachvortrag oder die Zurücknahme der Klage oder des Antrags enthält, oder
  • der Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins für den Kläger.
    Für den Anwalt des Beklagten entsteht sie entweder
  • mit Einreichung des Schriftsatzes, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, oder
  • der Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins für den Beklagten.
    Beispiel 1: Prozessauftrag; Erledigung nach Rechtshängigkeit
    Rechtsanwalt R wird von seinem Mandanten M damit beauftragt, einen Zahlungsanspruch über 10.000 EUR gerichtlich geltend zu machen. Nachdem R den Gegner zunächst außergerichtlich vergeblich zur Zahlung aufgefordert hat, reicht R Klage ein. Nach Zustellung der Klage zahlt der Gegner den geforderten Betrag. R nimmt daraufhin auftragsgemäß die Klage zurück. Welche Gebühr kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende folgende Verfahrensgebühr abrechnen:
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR   631,80 EUR
    Die volle Verfahrensgebühr ist entstanden, weil R Klage bei Gericht eingereicht hat und der Auftrag sich erst danach erledigt hat. Eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG für die außergerichtliche Zahlungsaufforderung ist nicht entstanden, weil R nur beauftragt war, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. Ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung lag nicht vor.
    Verfahrensgebühr bei vorzeitiger Auftragsbeendigung/Erledigung
    Die Verfahrensgebühr entsteht nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG nur mit einem Gebührensatz in Höhe von 0,8, wenn der Auftrag vor den dort aufgeführten Tätigkeiten bzw. Zeitpunkten endet. Dies entspricht im Wesentlichen der früheren Regelung in § 32 Abs. 1 BRAGO (Volpert, RVG prof. 04, 63). Neu ist, dass die volle Verfahrensgebühr für den Beklagtenvertreter nicht nur anfällt, wenn er vor Auftragsbeendigung einen Sachanträge enthaltenen Schriftsatz eingereicht hat, sondern auch, wenn der Schriftsatz lediglich Sachvortrag, aber keinen ausdrücklichen Sachantrag enthalten hat (Klageerwiderung ohne Klageabweisungsantrag, vgl. BT- Drucksache 15/1971, 211).
    Beispiel 2: Prozessauftrag; Rücknahme des Auftrags vor Klageeinreichung
    R erhält den Auftrag zur Durchführung eines Klageverfahrens über 5.000 EUR. Vor Einreichung der Klage nimmt M den Auftrag zurück. Welche Gebühr kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühr abrechnen:
    0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG aus 5.000 EUR  240,80 EUR
    Bei nur teilweiser Auftragsbeendigung ist wie folgt abzurechnen:
    Beispiel 3: Prozessauftrag; teilweise Erledigung vor Klageeinreichung
    R erhält den Auftrag zur Durchführung des Klageverfahrens über 5.000 EUR. Vor Einreichung der Klage erledigt sich der Auftrag in Höhe von 2.500 EUR. Welche Gebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
    0,8 Verfahrensgebühr Nrn. 3100/3101 Ziff. 1 VV RVG aus 2.500 EUR 128,80 EUR
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 2.500 EUR 209,30 EUR
    Nach § 15 Abs. 3 RVG darf nicht mehr erhoben werden als eine 1,3 Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR (391,30 EUR). Die beiden Verfahrensgebühren übersteigen diesen Betrag jedoch nicht. 338,10 EUR
    Differenzverfahrensgebühr bei nicht rechtshängigen Ansprüchen
    Ausdrücklich geregelt sind in Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG die Voraussetzungen und die Fälle, in denen eine 0,8 "Differenzverfahrensgebühr" entstehen kann. Sie entsteht, wenn über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche die Protokollierung einer Einigung beantragt wird (vgl. insoweit die in § 32 Abs. 2 BRAGO geregelte Differenzprozessgebühr), wenn die Feststellung einer Einigung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO über diese Ansprüche beantragt wird, wenn eine Einigung mit Dritten protokolliert oder festgestellt werden soll und wenn nur Verhandlungen vor Gericht zur Einigung über nicht rechtshängige Ansprüche geführt worden sind, eine Einigung aber letztlich nicht festgestellt oder protokolliert worden ist (Burhoff/Kindermann, RVG, Rn. 153).
    Praxishinweis: Voraussetzung für die Entstehung der Differenzverfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG ist aber, dass der Anwalt einen Auftrag zur Erledigung der nicht rechtshängigen Ansprüche im Gerichtsverfahren hat (Hartmann Kostengesetze, 34. Aufl., Nr. 3101 VV RVG Rn. 65, 66; a.A. Mock, AGS 04, 45, 48).
    Liegt kein solcher Auftrag vor, dürften nur Gebühren nach Teil 2 VV RVG in Betracht kommen. Man wird aber davon ausgehen können, dass der Anwalt, wenn er hinsichtlich nicht rechtshängiger Ansprüche im gerichtlichen Verfahren tätig wird, auch einen entsprechenden Auftrag hat (OLG Hamburg MDR 65, 586).
    Beispiel 4: Prozessauftrag; Mehrvergleich
    Anwalt R reicht auftragsgemäß Klage über 5.000 EUR ein. Auf Vorschlag des Gerichts wird eine Einigung über den Klageanspruch und einen weiteren nicht rechtshängigen Anspruch in Höhe von 10.000 EUR festgestellt (§ 278 Abs 6 ZPO). Welche Verfahrensgebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Verfahrensgebühr abrechnen:
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 5.000 EUR   391,30 EUR
    0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG aus 10.000 EUR   388,80 EUR
        780,10 EUR
    Wegen § 22 Abs. 1 RVG müssten die Werte der beiden Gegenstände (5.000 EUR und 10.000 EUR) zur Gebührenberechnung zusammengerechnet werden. Da jedoch verschiedene Gebührensätze zu Grunde zu legen sind, ist § 15 Abs. 3 RVG zu berücksichtigen (Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, S. 1043): Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
    Die beiden Verfahrensgebühren dürfen daher eine 1,3 Verfahrensgebühr (höchster Gebührensatz) nach dem zusammengerechneten Wert (15.000 EUR) in Höhe von 735,80 EUR nicht übersteigen. Die beiden Gebühren übersteigen diesen Betrag jedoch um 44,30 EUR (780,10 EUR ./. 735,80 EUR), so dass die 0,8 Verfahrensgebühr in Höhe von 388,80 EUR um 44,30 EUR auf 344,50 EUR gekürzt werden muss. Die Gebühr Nr. 3101 VV RVG beträgt daher lediglich 344,50 EUR.
    Beispiel 5: Prozessauftrag; Mehrvergleich scheitert
    R reicht auftragsgemäß Klage über 5.000 EUR ein. Im Verhandlungstermin wird streitig verhandelt. Hinsichtlich eines weiteren nicht rechtshängigen Anspruchs in Höhe von 10.000 EUR wird im Termin ebenfalls mit dem Ziel einer Einigung verhandelt, die jedoch scheitert. Welche Verfahrensgebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Verfahrensgebühren abrechnen:
    Es fallen die gleichen Verfahrensgebühren wie in Beispiel 4 an. Zur Entstehung der Differenzverfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 Alt. 3 VV RVG reicht es aus, dass Verhandlungen zur Einigung geführt werden. Es muss kein Antrag auf Protokollierung und Feststellung gestellt werden und es muss auch nicht zur Einigung kommen.
    Beispiel 6: Prozessauftrag; außergerichtliche Verhandlungen über Mehrvergleich
    Sachverhalt wie Beispiel 5, die Verhandlungen zur Einigung über den nicht rechtshängigen Anspruch werden außergerichtlich zwischen den Parteien geführt. Welche Verfahrensgebühren kann R abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Verfahrensgebühren abrechnen:
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus Wert 5.000 EUR 391,30 EUR
    Eine Verfahrensdifferenzgebühr ist nach dem Wortlaut von Nr. 3101 Ziff. 2 Alt. 3 VV RVG nicht entstanden, weil die Verhandlungen nicht vor Gericht, sondern außergerichtlich geführt worden sind. Die Formulierung dürfte vom Gesetzgeber bewusst gewählt worden sein, weil sie mit den Regelungen in Nr. 3101 Ziff. 2 Alt. 1 und 2 VV RVG korrespondiert. Dort erhält der Anwalt die Verfahrensdifferenzgebühr auch nur, wenn der Vergleich gerichtlich protokolliert oder festgestellt werden soll.
    Anrechnung der Verfahrensdifferenzgebühr
    Die Verfahrensdifferenzgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 RVG erfasst allgemein die in diesem Verfahren nicht rechtshängigen Ansprüche. Das können zunächst Ansprüche sein, die überhaupt nicht rechtshängig sind. Nach der Gesetzesbegründung (BT- Drucksache 15/1971, 211) werden nun aber auch die Ansprüche erfasst, die in einem anderen Verfahren rechtshängig sind (Burhoff/Kindermann, a.a.O., Rn. 153; a.A. Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., Nr. 3101 VV RVG Rn. 64: Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG ist unanwendbar, soweit der Anspruch in einem anderen Verfahren anhängig war). Durch Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 3101 VV RVG wird gewährleistet, dass die unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 3 RVG nach dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche erhobene Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV RVG auf die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG angerechnet wird, die wegen dieser Ansprüche in einem anderen Verfahren entsteht.
    Beispiel 7: Prozessauftrag; Mehrvergleich scheitert, daher weiterer Prozess
    R reicht im Verfahren A Klage über 5.000 EUR ein. Im Termin wird streitig verhandelt. Hinsichtlich eines weiteren nicht rechtshängigen Anspruchs über 10.000 EUR wird im Termin ebenfalls mit dem Ziel der Einigung verhandelt, die jedoch scheitert. Daher werden im Verfahren B 10.000 EUR eingeklagt. Welche Verfahrensgebühren kann R in beiden Verfahren abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Verfahrensgebühren abrechnen:
    Verfahren A    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 5.000 EUR   391,30 EUR
    0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG aus 10.000 EUR 388,80 EUR  
      780,10 EUR  
    Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG (nicht mehr als 1,3 aus 15.000 EUR = 735,80 EUR; vgl. Beispiel 4).    
    Gekappte 0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 RVG aus 10.000 EUR   344,50 EUR
        735,80 EUR
    Verfahren B    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 10.000 EUR   631,80 EUR
    Anrechnung nach Nr. 3101 Abs. 1 VV RVG   ./. 344,50 EUR
    Auf die Verfahrensgebühr des Verfahrens B wird die gekappte Verfahrensgebühr des Verfahrens A angerechnet.    
    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr   287,30 EUR
    Der Anrechnungsbetrag ergibt sich aus Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 3101 VV RVG. Danach ist die im Verfahren A unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 3 RVG erhobene Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV RVG (344,50 EUR) auf die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG anzurechnen, die im Verfahren B wegen desselben Gegenstands (10.000 EUR) entsteht. R kann für beide Verfahren Verfahrensgebühren von insgesamt 1.023,10 EUR (735,80 EUR + 287,30 EUR) abrechnen.
    Beispiel 8: Prozessauftrag; Mehrvergleich (weiterer rechtshängiger Anspruch) protokolliert
    R reicht Räumungsklage (Wert 6.000 EUR) beim AG ein. Im Verhandlungstermin wird die Protokollierung einer Einigung hinsichtlich der Räumung und eines weiteren beim LG zwischen den Parteien rechtshängigen Zahlungsanspruchs in Höhe von 12.000 EUR beantragt. Welche Verfahrensgebühren kann R in beiden Verfahren abrechnen?
    Lösung: R kann folgende Verfahrensgebühren abrechnen:
    Verfahren vor dem AG    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 6.000 EUR   439,40 EUR
    0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG aus 12.000 EUR 420,80 EUR  
      860,20 EUR  
    Nach § 15 Abs. 3 RVG darf aber nicht mehr erhoben werden als eine 1,3 Verfahrensgebühr aus 18.000 EUR (787,80 EUR). Dies hat zur Folge, dass eine Kappung erfolgen muss. Die beiden Verfahrensgebühren dürfen daher eine 1,3 Verfahrensgebühr (höchster Gebührensatz) nach dem zusammengerechneten Wert (18.000 EUR) in Höhe von 787,80 EUR nicht übersteigen. Die beiden Gebühren übersteigen diesen Betrag jedoch um 72,40 EUR (860,20 EUR ./. 778,80 EUR), so dass die 0,8 Verfahrensgebühr in Höhe von 420,80 EUR um 72,40 EUR auf 348,40 EUR gekürzt werden muss. Die Gebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG beträgt daher nur 348,40 EUR.
    Verfahren vor dem LG    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 12.000 EUR   683,80 EUR
    Anrechnung nach Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG   ./. 348,40 EUR
    Auf die 1,3 Verfahrensgebühr des Verfahrens vor dem LG (Wert 12.000 EUR) wird die 0,8 Verfahrensgebühr des Verfahrens vor dem AG (Wert 12.000 EUR) angerechnet.    
    Nach Anrechnung verbleibende Verfahrensgebühr   335,40 EUR
    R kann in beiden Verfahren folgende Verfahrensgebühren abrechnen:
    Verfahren vor dem AG    
    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 6.000 EUR   439,40 EUR
    0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG aus 12.000 EUR nach Kappung   348,40 EUR
       
    Verfahren vor dem LG  
    Nach Anrechnung verbleibende 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG aus 12.000 EUR  
    335,40 EUR
        1.123,20 EUR
    Der Anrechnungsbetrag ist ebenfalls nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3101 VV RVG zu ermitteln (vgl. Beispiel 7). Unerheblich dürfte sein, dass die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, auf die angerechnet wird, im Verfahren vor dem LG bereits entstanden ist und nicht erst entsprechend dem Wortlaut "entsteht" (a.A. Mock AGS 04, 45, 47: Auf eine bereits entstandene Verfahrensgebühr dürfte nicht anzurechnen sein). Der Gesetzgeber dürfte den Begriff "entsteht" nicht im künftigen Sinn verwendet haben. Für dieses Verständnis sprechen auch Sinn und Zweck der Anrechnungsbestimmung: Es soll für jeden Gegenstand unabhängig von der Zahl der Verfahren insgesamt höchstens eine 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG anfallen. Daher ist es für die Anrechnung unerheblich, ob die Verfahrensgebühr, auf die angerechnet wird, noch entsteht oder bereits entstanden ist.
    Praxishinweis: Nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG entfällt die nach Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 3101 VV RVG vorzunehmende Anrechnung, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Jahren erledigt ist. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG entspricht § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO, jedoch ist zusätzlich geregelt worden, dass Anrechnungen nach mehr als zwei Jahren entfallen. Die Anrechnung unterbleibt auch, wenn zwei verschiedene Anwälte tätig werden.
    Quelle: RVG professionell - Ausgabe 09/2004, Seite 145
    Quelle: Ausgabe 09 / 2004 | Seite 145 | ID 106655