01.09.2006 | Zwangsvollstreckung
Aufforderung zur Zahlung des titulierten Betrags
Der Beitrag erläutert, welche Gebühren abrechenbar sind für die Aufforderung zur Zahlung des titulierten Betrags.
Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung
Fordert der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers den Schuldner mit Zwangsvollstreckungsauftrag zur Zahlung des titulierten Betrags unter Androhung der Zwangsvollstreckung auf, entsteht hierdurch die 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG (BGH BRAGO prof. 03, 153, Abruf- Nr. 031880; Volpert in Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 17 Rn. 222; AnwKom. RVG Wolf, 3. Aufl., VV 3309 – 3310 Rn. 14). Es handelt sich um eine bereits zur Zwangsvollstreckung gehörende und diese vorbereitende Tätigkeit, die nicht mehr mit den Gebühren des Erkenntnisverfahrens abgegolten wird, § 18 Nr. 3 RVG.
Anschließende Zwangsvollstreckungsmaßnahme
Bleibt die Zahlungsaufforderung ganz oder teilweise erfolglos und wird deshalb anschließend ein Vollstreckungsauftrag erteilt, bilden die Zahlungsaufforderung sowie der Vollstreckungsauftrag dieselbe Angelegenheit (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl.,Nr. 3309 VV RVG Rn. 358). Im Verfahren über die beantragte Vollstreckungsmaßnahme entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG damit nicht erneut.
Beispiel 1: Beantragung eines PfÜBs nach erfolgloser Zahlungsaufforderung | ||||||||||
Rechtsanwalt R wird wegen eines bereits seit längerem vorhandenen rechtskräftigen Titels über 10.000 EUR beauftragt, den Gegner unter Androhung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung aufzufordern. Da der Gegner hierauf nicht reagiert, beantragt R auftragsgemäß den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜBs). Welche Vergütung erhält R?
Lösung: R kann folgende Gebühren abrechnen:
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Durch die vorherige Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung verteuert sich die Zwangsvollstreckung nicht. R erhält die 0,3 Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG und die Auslagenpauschale insgesamt nur einmal.
Zahlungsaufforderung an mehrere Schuldner
Werden mehrere Gesamtschuldner unter Androhung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung aufgefordert, entsteht die 0,3 Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG für das an jeden einzelnen der Gesamtschuldner gerichtete Schreiben (BGH, a.a.O.; LG Berlin JurBüro 95, 530; a. A., nur eine Verfahrensgebühr bei einem an den gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mehrerer Schuldner gerichteten Schreiben: OLG Köln Rpfleger 93, 120). Da mehrere Vollstreckungsrechtsverhältnisse entstehen, liegen mehrere Angelegenheiten vor (AnwKom-RVG/Wolf, a.a.O.:, § 18 Rn. 53).
Zahlungsaufforderung ohne Androhung der Zwangsvollstreckung
Ist noch kein Vollstreckungsauftrag erteilt, ist die einfache Zahlungsaufforderung für den Prozessbevollmächtigten des Erkenntnisverfahrens gemäß § 19 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 9 und 12 RVG mit den Gebühren des Rechtszugs (Nr. 3100 VV RVG ff.) abgegolten (AnwKom. RVG Wolf, a.a.O., VV 3309-3310 Rn. 14).
Hat der Anwalt aber bereits einen Vollstreckungsauftrag, fällt auch hier die 0,3 Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG an. Denn die Verfahrensgebühr wird nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG bereits durch die Entgegennahme der Information nach Erteilung des Vollstreckungsauftrags ausgelöst (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 3309 VV RVG Rn. 369 ff.).
Verteidigung des Schuldners gegen Zahlungsaufforderung
Auch für den Anwalt des Schuldners, der sich auftragsgemäß gegen eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung wendet, fällt die 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG an.
Erstattungsfähigkeit der Aufforderung mit Vollstreckungsandrohung
Von der Entstehung der Verfahrensgebühr ist die nach § 788 ZPO zu beurteilende Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr zu unterscheiden. In der Regel darf sich der Gläubiger eines Anwalts für die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung bedienen. Eine Ausnahme kann für einen juristisch erfahrenen Gläubiger bestehen. Nach der Rechtsprechung des BGH (BRAGO prof. 03, 153; Abruf-Nr. 031880) ist die Verfahrensgebühr für eine an den Schuldner gerichtete Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung bereits erstattungsfähig, wenn
- der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Vollstreckungsklausel also erteilt ist,
- die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und
- dem Schuldner vor der anwaltlichen Zahlungsaufforderung ein angemessener Zeitraum zur freiwilligen Erfüllung zur Verfügung stand.
Die Zustellung des Vollstreckungstitels und ggf. der Vollstreckungsklausel ist grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG. Denn auch bei Erteilung eines Vollstreckungsauftrags kann gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO gleichzeitig noch die Zustellung des Vollstreckungstitels beantragt werden. Eine erforderliche Sicherheitsleistung (§ 751 Abs. 2 ZPO) muss erbracht sein (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 3309 VV RVG Rn. 364; a.A.: AnwKom. RVG Wolf, a.a.O., VV 3309 - 3310, Rn. 17). Bei einer Zug- um- Zug Leistung müssen die in § 756 ZPO aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sein.
Die dem Schuldner einzuräumende Frist zur freiwilligen Erfüllung des titulierten Anspruchs vor der Zahlungsaufforderung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BVerfG NJW 99, 778). Voraussetzung für den Beginn der Frist zur freiwilligen Erfüllung ist stets, dass der Schuldner Kenntnis von seiner titulierten Zahlungsverpflichtung erlangt hat.
In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde eine Frist von 14 Tagen nach dem in Anwesenheit des Schuldners erfolgten Vergleichsabschluss zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung als ausreichend und angemessen angesehen. Wird ein Vergleich mit Widerrufsvorbehalt abgeschlossen, beginnt die Frist erst nach Ablauf der Widerrufsfrist. Ist ein Vollstreckungstitel in Abwesenheit des Schuldners ergangen, beginnt die Erfüllungsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem der Schuldner Kenntnis von der Entscheidung erlangt hat bzw. von einer Unterrichtung des Schuldners durch den Prozessbevollmächtigten ausgegangen werden kann.
Praxishinweis: Bei den in § 798 ZPO aufgeführten Titeln ist die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung nach Ablauf der dort geregelten gesetzlichen Wartefrist von zwei Wochen ab Zustellung des Vollstreckungstitels als notwendig i.S. von § 788 ZPO anzusehen. Nach § 882a ZPO darf die Zwangsvollstreckung gegen den Bund oder ein Land wegen einer Geldforderung erst vier Wochen nach dem Zeitpunkt beginnen, in dem der Gläubiger seine Zwangsvollstreckungsabsicht angezeigt hat. Auch die Zahlungsaufforderung ist damit erst nach Ablauf dieser Frist erforderlich.
Erstattung bei Zahlungsaufforderung ohne Vollstreckungsandrohung?
Fordert der Gläubiger-Vertreter den Schuldner ohne Androhung der Zwangsvollstreckung auftragsgemäß zur Zahlung auf, dürfte eine die Zwangsvollstreckung fördernde oder vorbereitende Tätigkeit vorliegen, wenn der Gläubiger-Vertreter seinen Mandanten zuvor im Gespräch über die möglichen, zulässigen und erforderlichen Vollstreckungsmöglichkeiten informiert hat. Die entstehende 0,3 Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG ist vom Schuldner zu erstatten, wenn die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit der durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelösten Verfahrensgebühr vorliegen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 3309 Rn. 371). Der Gläubiger wird einen Vollstreckungsauftrag in der Regel nur erteilen wollen, wenn die dadurch entstehenden Kosten auch erstattungsfähig sind (AnwKom. RVG Wolf, a.a.O., VV 3309 - 3310, Rn. 15).
Zahlungsaufforderung ohne Vollstreckungsauftrag
Erteilt der Gläubiger keinen Vollstreckungsauftrag, sondern einen außergerichtlichen Vertretungsauftrag, kann für die Zahlungsaufforderung keine 0,3 Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG entstehen, sondern eine 0,5 – 2,5 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG. Hat sich der Auftrag auf ein einfaches Mahnschreiben oder eine einfache Zahlungsaufforderung beschränkt, entsteht eine 0,3 Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 3309 Rn. 370).
Ist für die Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr Nr. 2300 oder Nr. 2302 VV RVG entstanden, ist diese nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens anzurechnen.
Beispiel 2: Nachfolgende gerichtliche Vollstreckungsmaßnahme | ||||||||||||||||||||||||
R fordert den Gegner G aus einem rechtskräftigen Titel über 10.000 EUR mit außergerichtlichem Vertretungsauftrag durch einfache Aufforderung zur Zahlung auf. Da G nicht reagiert, beantragt R auftragsgemäß den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beim Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger). Welche Vergütung erhält R?
Lösung: R kann Folgendes abrechnen:
Zahlungsaufforderung: Außergerichtlich fallen 192,33 EUR an, vgl. Beispiel 1. Statt der 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG ist eine 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG entstanden.
R kann insgesamt 300,09 EUR (192,33 EUR + 107,76 EUR) abrechnen.
Praxishinweis: Die Auslagenpauschale wird aus der Verfahrensgebühr i.H. von 145,80 EUR vor Anrechnung berechnet. Die Vergütung des Gläubiger-Vertreters ist bei der Zahlungsaufforderung ohne Vollstreckungsauftrag wegen der nur teilweisen Anrechnung der Geschäftsgebühr höher. Die Erstattungspflicht des Schuldners dürfte sich jedoch gemäß § 788 ZPO auf die Vergütung i.H. von 192,33 EUR beschränken, die beim von vornherein erteilten Vollstreckungsauftrag entstanden wäre (vgl. Beispiel 1). |
Beispiel 3: Nachfolgende Vollstreckungsmaßnahme durch den Gerichtsvollzieher | ||||||||||||||||||
Aus einem rechtskräftigen Titel über 10.000 EUR führt R mit G erfolglos Verhandlungen über eine Zahlung. R beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung. Welche Vergütung erhält R?
Lösung: R kann Folgendes abrechnen:
Praxishinweis: Die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG wird nicht nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG angerechnet, weil die Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG nicht im gerichtlichen, sondern im Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher entstanden ist (Hansens in Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 7 Rn. 163 bis 165). Die Erstattungspflicht des Schuldners beschränkt sich gemäß § 788 ZPO auf die Vergütung i.H. von 192,33 EUR für den Mobiliarvollstreckungsauftrag. |