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  • · Fachbeitrag · Auslagenerstattung

    Besuche des Angeklagten in der JVA: Anzahl liegt im Ermessen des Pflichtverteidigers

    • 1. Die gerichtliche Überprüfung der Erforderlichkeit von Besuchen des Pflichtverteidigers bei seinem inhaftierten Mandanten ist auf eine Missbrauchskontrolle beschränkt.
    • 2. Eine allgemein gültige Obergrenze für die Zahl notwendiger Besuche besteht nicht.
    • 3. Bei sieben Besuchen während einer fünfeinhalb Monate währenden Untersuchungshaft liegt die Annahme missbräuchlichen Verteidigerverhaltens fern.

    (AG Backnang 4.3.14, 2 Ls 22 Js 43421/13, Abruf-Nr. 140870)

     

    Sachverhalt

    V war Pflichtverteidiger des Angeklagten A im Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen. A ist freigesprochen worden. Bis zur Hauptverhandlung befand er sich gut fünfeinhalb Monate in Untersuchungshaft. V hat ihn sieben Mal in der Justizvollzugsanstalt (JVA) besucht und die Festsetzung der Besuchskosten beantragt. Für zwei Besuche sind die Kosten abgesetzt worden. V hat erfolgreich Erinnerung eingelegt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das AG argumentiert wie folgt:

     

    • Es liegt im Ermessen des V, wie viele Gespräche zur Prozessvorbereitung notwendig sind. Eine gerichtliche Zweckmäßigkeitskontrolle der verfahrensvorbereitenden Schritte des Verteidigers sieht das Gesetz nicht vor.

     

    • Hält die Staatskasse Besuchskosten nicht für erstattungsfähig, trägt sie die Beweislast dafür, dass diese Kosten zur sachgemäßen Wahrnehmung der Parteiinteressen nicht nötig waren. Nur bei greifbaren Anhaltspunkten für einen Missbrauch der Verpflichtung des Verteidigers zur kostensparenden Prozessführung, ist dieser darlegungs- und beweispflichtig.

     

    • Für die Abgrenzung eines Missbrauchs ist zu bedenken, dass einer Inhaftierung in der Regel erhebliche Tatvorwürfe zugrunde liegen und der Beschuldigte eine erhebliche Freiheitsstrafe befürchten muss.

     

    • Das Gericht neigt zu der Auffassung, dass Besuche in einem zweiwöchigen Rhythmus, insbesondere wenn diese mit Besuchen anderer inhaftierten Mandanten verbunden werden, nicht als missbräuchlich anzusehen sind. Die Anwendung dieses Maßstabs liegt auch für Entscheidungen über Anträge nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG nahe.

     

    Praxishinweis

    Der Entscheidung ist zuzustimmen. Das AG setzt sich mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des (übergeordneten) LG Stuttgart (RVGreport 13, 433). Das hatte fünf Besuche beim inhaftierten Mandanten während viermonatiger Untersuchungshaft anerkannt.

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 60 | ID 42571362