· Fachbeitrag · Bußgeldverfahren
Betroffener muss vor Sachverständigengutachten nicht angehört werden
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Münster/Augsburg
| In straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren sind die Kosten eines Sachverständigengutachtens regelmäßig um ein Vielfaches höher als die festgesetzte Geldbuße. Das war auch in einem vom LG Berlin entschiedenen Fall so: Geldbuße 90 EUR, Sachverständigenkosten rund 450 EUR. Der Verteidiger hat dann später eine falsche Sachbehandlung gerügt und die Niederschlagung der Sachverständigenkosten gemäß § 21 GKG beantragt, da der Betroffene zuvor nicht angehört worden sei. Das LG sagt: Nein! |
Entscheidungsgründe
Die Kammer argumentiert, dass nach § 21 Abs. 1 S. 1 GKG Kosten nicht erhoben werden, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären (LG Berlin 20.10.16, 512 Qs 43/16, Abruf-Nr. 191206). Eine unrichtige Sachbehandlung liegt nur vor, wenn mit der die beanstandeten Kosten verursachenden Maßnahme gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen worden ist und die Gesetzesverletzung offen zutage tritt. Daran fehlt es im Fall des LG Berlin.
Denn im gerichtlichen Bußgeldverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 46 OWiG i. V. m. § 244 Abs. 2 StPO). Danach ist das Gericht verpflichtet, den ihm unterbreiteten Sachverhalt unter Erhebung aller hierfür erforderlichen Beweise umfassend aufzuklären, um eventuell zu Unrecht erhobene Vorwürfe gegen die Betroffenen zu entkräften. Vorliegend hat die Betroffene gegen die Verwertbarkeit des Messfotos Zweifel angemeldet. Daher konnte nur unter Zuhilfenahme des vom AG bestellten Sachverständigen zuverlässig geklärt werden, ob das Kfz der Betroffenen die verfahrensgegenständliche Messung ausgelöst hat und nicht etwa ein daneben befindliches Fahrzeug. Insoweit war es auch nicht erforderlich, die Betroffene vor der Beauftragung des technischen Sachverständigen anzuhören und auf das Kostenrisiko hinzuweisen, zumal die Betroffene die konkreten Zweifel an einer ordnungsgemäßen und gerichtsverwertbaren Messung selbst angebracht hat. Es existiert auch kein allgemeiner Grundsatz, wonach kostenverursachende Verfahrensmaßnahmen erst nach Anhörung der Betroffenen erfolgen dürfen (LG Berlin VRS 130, 236).
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