· Nachricht · Pflichtverteidigung
Welche Gebühren stehen dem Pflichtverteidiger nur für die Teilnahme an der Vorführung zu?
| Der einem Beschuldigten für die Haftprüfung beigeordnete Rechtsanwalt soll nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG verdienen (OLG Stuttgart 23.1.23, 4 Ws 13723, Abruf-Nr. 236586 ). M. E. ist diese Ansicht falsch. |
Das OLG zieht zur Begründung im Wesentlichen den Wortlaut des amtsgerichtlichen Bestellungsbeschlusses heran, wonach der Rechtsanwalt „für den heutigen Anhörungstermin“ zum Pflichtverteidiger bestellt worden war. Diese Formulierung enthalte sowohl eine zeitliche als auch eine inhaltliche Beschränkung der Bestellung auf die Haftfrage. Für eine unbeschränkte Beiordnung als Pflichtverteidiger sei auch schon deshalb kein Raum, weil für den Beschuldigten zum Zeitpunkt der Beiordnung bereits ein Rechtsanwalt als Wahlverteidiger tätig und der Beschuldigte damit nicht unverteidigt i. S. d. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO gewesen sei.
Doch diese Entscheidung ist ebenso unzutreffend wie frühere Entscheidungen des OLG Celle (StraFo 18, 534) und des LG Leipzig (StraFo 19, 439). Das folgt aus dem Wortlaut des § 141 Abs. 2 StPO, wonach dem Beschuldigten ausdrücklich „ein Pflichtverteidiger“ bestellt wird. Damit ist der Rechtsanwalt in diesen Fällen „voller Verteidiger“. Für die Anwendung der Nr. 4301 VV RVG ist kein Raum mehr, weil die Subsidiaritätsklausel der Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV RVG eingreift (ebenso vgl. LG Aachen 20.10.20, 60 Qs 47/20; LG Magdeburg StraFo 18, 314 [zum neuen Gebührenrecht]; AG Halle/Saale RVG prof. 22, 170; AG Tiergarten RVG prof. 22, 204).
(mitgeteilt von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg)