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  • · Nachricht · Strafprozess

    Bei einem Mandanten im Zeugenschutzprogramm entfällt der Haftzuschlag für den Anwalt

    | In Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG ist ein Zuschlag normiert, wenn der Rechtsanwalt einen Mandanten vertritt, der sich nicht auf freiem Fuß befindet. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Mandant in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden ist (LG Limburg a. d. Lahn 29.2.24, 5 KLs 5 Js 10388/21, Abruf-Nr. 242530 ). |

     

    Der Haftzuschlag beinhalte eine generelle, nicht auf den Einzelfall bezogene, zwingende Regelung, die ohne Ausnahmen oder Einschränkungen gelte. Deshalb komme es für die Entstehung des Anspruchs auf die Gebühr mit Zuschlag nicht darauf an, ob im Einzelfall aufgrund der Inhaftierung Umstände gegeben seien, die zu konkreten Erschwernissen der Tätigkeit des Rechtsanwalts geführt haben. Aufgrund dieser typisierenden Betrachtung durch das Gesetz komme eine Anwendung auf sonstige Konstellationen nicht in Betracht, bei denen auch nach einer weiten Auslegung keine haft- oder unterbringungsähnliche Situation vorliege. Das sei beim Zeugenschutzprogramm der Fall. Denn aus der Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm könne nicht zwangsläufig und typisch auf einen Mehraufwand für den Verteidiger geschlossen werden.

     

    Man kommt m. E. zu einer anderen Entscheidung, wenn man auf den Sinn und Zweck der Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG abstellt. Danach soll der für den Verteidiger beim inhaftierten Mandanten erheblich größere Zeitaufwand als für die Verteidigung nicht inhaftierter Mandanten abgegolten werden. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass beim inhaftierten bzw. nicht auf freiem Fuß befindlichen Mandanten (immer) höherer Zeitaufwand entsteht ‒ unerheblich, wie groß dieser ist. So hätte es ausgereicht, die Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm mit „nicht auf freiem Fuß“ gleichzusetzen. Und das ist ohne Weiteres möglich. Denn die Angeklagte hier befand sich nicht freiwillig im Zeugenschutzprogramm, sondern im Rahmen einer Auflage bei der Außervollzugsetzung des Haftbefehls. Sie konnte sich also nicht frei bewegen. Zudem war für den Verteidiger die freie Kontaktaufnahme nicht möglich. Also lagen typische Kriterien für das Merkmal „nicht auf freiem Fuß“ vor.

    (mitgeteilt von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg)

    Quelle: ID 49994542