· Fachbeitrag · Strafprozess
Hauptverhandlungsdauer: Pausen von weniger als 60 Minuten werden nicht abgezogen
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg
| Das OLG Jena hat sich im Rahmen eines Umfangverfahrens intensiv mit der Frage des Längenzuschlags bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung auseinandergesetzt: Pausen von weniger als 60 Minuten werden nicht von der Verhandlungszeit abgezogen. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Pflichtverteidiger habe hier an mehr als fünf bis acht Stunden Hauptverhandlung teilgenommen ‒ der Längenzuschlag gemäß Nr. 4122 VV RVG sei also entstanden.
Das OLG Jena führte zur Festsetzung des Längenzuschlags Folgendes aus: Gemäß Nr. 4122 VV RVG entstehe die zusätzliche Gebühr / der Längenzuschlag, wenn der Rechtsanwalt an mehr als fünf bis acht Stunden Hauptverhandlung teilnehme. Ausweislich der Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV RVG seien Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen. Etwas anderes gelte nur, wenn der Rechtsanwalt diese vertreten muss oder wenn die Unterbrechung mindestens eine Stunde dauerte und unter Angabe einer konkreten Dauer oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung angeordnet worden ist (OLG Jena 12.4.24, 3 St 2 BJs 4/21, Abruf-Nr. 242595; 18.4.24, 3 St 2 BJs 4/21, Abruf-Nr. 242596).
Werde dann die Hauptverhandlung aus von dem Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem genannten Zeitraum fortgesetzt, sei nur der vom Vorsitzenden angeordnete Zeitraum zu berücksichtigen, nicht aber die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung (vgl. LG Mannheim 11.5.22, 4 KLs 300 Js 40140/20, AGS 22, 312).
Im vorliegenden Fall sei die Verhandlung ausweislich des Protokolls über den Hauptverhandlungstermin um 12:35 Uhr für eine Mittagspause unterbrochen worden, wobei die Verhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden um 13:30 Uhr fortgesetzt werden sollte. Tatsächlich wurde die Verhandlung erst um 13:35 Uhr fortgesetzt. Mithin belief sich die angeordnete Unterbrechung auf 55 Minuten und die tatsächliche Unterbrechung auf 60 Minuten.
Unterbrechungen von bis zu einer Stunde seien grundsätzlich immer als Teilnahme zu berücksichtigen (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., VV Vorbem. 4.1 Rn. 23) ‒ es sei denn, der Rechtsanwalt habe diese zu vertreten. Letzteres wäre der Fall, wenn die Unterbrechung auf Wunsch des Rechtsanwalts angeordnet wurde, etwa weil dieser einen anderen Termin wahrnehmen muss (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, a. a. O., Vorbem. 4.1 VV RVG Rn. 25). Ausweislich des Protokolls des Hauptverhandlungstermins sei hier aber die Verhandlung für eine Mittagspause unterbrochen worden. Vor diesem Hintergrund sei daher kein Vertretenmüssen des Anwalts erkennbar.
Die zu berücksichtigende Dauer des Termins setze sich wie folgt zusammen: Die Hauptverhandlung wurde um 10:05 Uhr eröffnet, wobei der Beginn zuvor auf 10:00 Uhr bestimmt war. Die 5 Minuten Wartezeit seien bei der Berechnung der Verhandlungsdauer mit zu berücksichtigen. Ausweislich des Protokolls wurde die Verhandlung um 15:55 Uhr geschlossen. Da die Mittagspause als Unterbrechung nicht in Abzug zu bringen sei, belaufe sich die gesamte zu berücksichtigende Verhandlungszeit auf 5,55 Stunden.
Relevanz für die Praxis
Den überzeugenden Ausführungen der Rechtspflegerin ist nichts hinzuzufügen, außer, dass sie zutreffen. Das hatte auch schon der Einzelrichter des Senats erkannt, der sich der Rechtspflegerin und ihrer Begründung angeschlossen hatte. Die Ausführungen entsprechen der Intention der Neuregelung in der Vorbem. 4.1 Anm. 3 VV RVG durch das KostRÄndG 2021 (Burhoff, AGS 21, 49; StraFo 21, 8; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Vorbem. 4 VV Rn. 44 ff.). Als Faustregel ist danach festzuhalten: Pausen bis zu einer Stunde werden bei der für den Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer nie abgezogen, darüber hinausgehende Pausenzeiten nur, wenn der Rechtsanwalt sie zu vertreten hat.
Wenn man diese einfache Regel vor Augen hat, fragt man sich, was der Bezirksrevisor eigentlich an der Festsetzung des Längenzuschlags zu beanstanden hatte. Angeordnet war vom Vorsitzenden eine (Mittags-)Pause von 55 Minuten, also unter einer Stunde. Beginnt die Hauptverhandlung nicht wieder pünktlich zum angeordneten Fortsetzungszeitpunkt, ist das für die Hauptverhandlungsdauer ohne Bedeutung, wenn der Pflichtverteidiger die Verzögerung nicht vertreten musste.
Im Übrigen ist diese Frage hier sogar ohne Bedeutung gewesen. Denn selbst wenn der Pflichtverteidiger die Verzögerung von fünf Minuten zu berücksichtigen hätte, hätte das hier keine Auswirkungen auf die Hauptverhandlungsdauer gehabt. Denn dann wären nur die fünf Minuten von den in Ansatz gebrachten 5,55 Stunden abzuziehen gewesen und es wären immer noch 5,50 Stunden verblieben. Das ist also wieder einmal viel Lärm um nichts durch die Staatskasse gewesen. Diese hat offenbar den Rechtsanwalt mit dem festgesetzten Betrag von insgesamt 802 EUR für die Teilnahme an einer fast sechs Stunden dauernden Hauptverhandlung als „überzahlt“ angesehen.
Weiterführende Hinweise
- So wirken sich Pausen auf den Längenzuschlag von Pflichtverteidigern aus, RVG prof. 22, 114
- Hauptverhandlungsdauer: Das gilt für den Längenzuschlag des Pflichtverteidigers, iww.de/rvgprof, Abruf-Nr. 47012689
- Längenzuschlag: Hauptverhandlung beginnt gemäß Ladungszeit, RVG prof. 23, 3