· Fachbeitrag · Verfahrenseinstellung und Auslagenerstattung
Munition für Verteidiger: Verletzung des Willkürverbots bei Ermessensnichtgebrauch
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Münster/Augsburg
| Oft schwingen die Instanzgerichte nach der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses die „Auslagen- und Kostenkeule“ bzw. man hat den Eindruck, dass nach dem Grundsatz verfahren wird: „Wenn wir Dich schon nicht verurteilen können, dann wollen wir Dich wenigstens finanziell bestrafen.“ Munition im Kampf der Verteidiger gegen diese Praxis liefert nun das BVerfG. |
Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft hatte dem ehemaligen Angeklagten u. a. eine Urkundenfälschung zur Last gelegt. Das AG hat ihn verurteilt. Nach der Sprungrevision hat das OLG das Verfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt, da ihm kein wirksamer Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegen habe (Verfahrenshindernis, § 206a Abs. 1 StPO). Es hat nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die dem ehemaligen Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet dieser sich gegen diese Auslagenentscheidung ‒ mit Erfolg.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des BVerfG hat das OLG gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut und unter Verkennung des Zwecks des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO die Versagung der Auslagenerstattung allein auf die Bejahung der Voraussetzungen dieser Vorschrift gestützt habe, ohne das ihm insoweit eröffnete Ermessen auszuüben (26.5.17, 2 BvR 1821/16, Abruf-Nr. 195010). § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO eröffnet die Möglichkeit, von der Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen, wenn der Angeschuldigte wegen einer Straftat nur nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Das Ermessen („kann davon absehen“) ist also erst eröffnet, wenn das Gericht überzeugt ist, dass der Angeschuldigte ohne das Verfahrenshindernis verurteilt werden würde. Zum Verfahrenshindernis als alleinigem der Verurteilung entgegenstehenden Umstand müssen demnach weitere besondere Umstände hinzutreten, die es billig erscheinen lassen, dem Angeschuldigten die Auslagenerstattung zu versagen (BVerfGK 3, 229, 232; BVerfG 29.10.15, 2 BvR 388/13).
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