· Fachbeitrag · Verfahrensgebühr
25 Fragen und Antworten zur Verfahrensgebühr in Straf- und Bußgeldverfahren
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
| Zu den Gebühren, die das RVG zur Abrechnung der Tätigkeiten des Verteidigers/Rechtsanwalts im Straf- bzw. Bußgeldverfahren neben der Terminsgebühr und der Grundgebühr vorsieht, gehört die Verfahrensgebühr. Der nachfolgende Beitrag zeigt anhand von Checklisten, worauf bei der Abrechnung der Verfahrensgebühr geachtet werden muss. In einem Folgebeitrag stellen wir im Rahmen einer Rechtsprechungsübersicht die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 RVG betreffend die Verfahrensgebühr vor. |
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Frage | Antwort |
| Die Verfahrensgebühr ist allgemein in der Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG geregelt. |
| Nein. Die Verfahrensgebühr für das Bußgeldverfahren ist in der Vorbem. 5 Abs. 2 VV RVG ebenso wie die für das Strafverfahren geregelt. Die nachfolgenden Ausführungen gelten also entsprechend. |
| Nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG entsteht die Verfahrensgebühr „für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“. Diese Formulierung entspricht teilweise der in § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zur früheren Geschäftsgebühr. Es handelt sich um den allgemeinen Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr. |
| Die Antwort gibt die Gesetzesbegründung zum RVG (BT-Drucksache 15/1971, 220). Durch die Verfahrensgebühr wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt, für den die Verfahrensgebühr geltend gemacht wird, abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind (Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Vorbem. 4 VV Rn. 35; Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., VV Vorbem. 4 Rn. 9 f.). |
| Besondere Gebühren sind die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und eine Terminsgebühr (Burhoff/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn. 38 f.). Die Teilnahme des Rechtsanwalts an (gerichtlichen) Terminen wird also von der Terminsgebühr erfasst (vgl. zur Terminsgebühr RVG prof. 13, 124). |
| Vorgesehen sind Verfahrensgebühren
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| Das Verhältnis von Grundgebühr und Verfahrensgebühr war früher umstritten (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn. 20; KG AGS 09, 271; andererseits AnwKomm-RVG/N.Schneider, 6. Aufl., VV Vorbem. 4 Rn. 22; AG Berlin-Tiergarten RVGreport 09, 395). Das 2. KostRMoG hat diesen Streit dahin entschieden, dass Grundgebühr und Verfahrensgebühr immer nebeneinander entstehen. Dazu ist in Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4100VV RVG der Zusatz eingefügt worden: „neben der Verfahrensgebühr“ (BT-Drucksache 17/11471, 281; vgl. auch unten 20). |
| Die Verfahrensgebühr entsteht mit der ersten Tätigkeit, die der Rechtsanwalt in dem Verfahrensabschnitt, für den die Verfahrensgebühr geltend gemacht wird, erbringt. |
| Nein. Die Verfahrensgebühr entsteht nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG für das „Betreiben des Geschäfts“. Das ist jede Tätigkeit des Rechtsanwalts, also auch eine außergerichtliche. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts muss sich auch nicht aus der Akte ergeben (vgl. zu allem allgemein BGH NJW 05, 2233; 13, 312; OLG Naumburg RVG prof. 12, 97). Führt der Rechtsanwalt also z.B. nach Zustellung der Anklage (außergerichtliche) Vorbereitungsgespräche mit dem Mandanten, entsteht damit schon die gerichtliche Verfahrensgebühr. Es ist ohne Belang, dass der Rechtsanwalt noch nicht gegenüber dem Gericht tätig geworden ist. |
| Ja, einen solchen Katalog kann man aufstellen (dazu Checkliste 2, S.179). |
| Hinsichtlich Einarbeitung und Information muss unterschieden werden:
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| Auch insoweit muss unterschieden werden, und zwar
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| Hinsichtlich der Vorbereitungsarbeiten muss ebenfalls unterschieden werden:
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| Anders als in Teil 3 VV RVG, wo in Nr. 3500 VV RVG eine besondere Beschwerdegebühr vorgesehen ist, gehören in Straf- und Bußgeldsachen Beschwerden nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG zum Rechtszug. Das hat zur Folge, dass im Strafverfahren die in Zusammenhang mit einem Beschwerdeverfahren erbrachten Tätigkeiten i.d.R. von der jeweiligen Verfahrensgebühr erfasst werden und dafür eine besondere Gebühr nicht anfällt (BGH NJW 09, 2682; KG StRR 11, 307; 12, 307; OLG Düsseldorf RVG prof. 11, 53; OLG Hamm StRR 09, 39; AG Hof JurBüro 11, 253; AG Sinzig JurBüro 08, 249; s. auch Burhoff, RVGreport 12, 12). Das gilt insbesondere auch für Haftbeschwerden und/oder Beschwerden gegen § 111a-StPO-Maßnahmen. Diese sind - ebenso wie alle anderen Beschwerden - innerhalb des Gebührenrahmens der jeweiligen Verfahrensgebühr über § 14 Abs. 1 RVG gebührenerhöhend anzuführen. |
| Nein. Eine Ausnahme gilt nach Vorbem. 4.2 VV RVG u.a. für den Bereich der Strafvollstreckung, nach Nr. 4140 VV RVG für das Wiederaufnahmeverfahren und nach Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG. Dort sind besondere (Verfahrens)Gebühren für Beschwerden vorgesehen. |
| Anzuwenden sind die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG. |
| Wesentliches Kriterium für die Höhe einer Verfahrensgebühr ist der (zeitliche) Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts (s. Burhoff/Burhoff, a.a.O., Vorb.. 4 Rn. 41 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorb. 4 Rn. 13), der über den „Umfang der Sache“ Anwendung bei der Bemessung findet. |
| Der Betragsrahmen der Verfahrensgebühr richtet sich im gerichtlichen Verfahren jeweils nach der Ordnung des Gerichts erstinstanzlich AG/LG/OLG und Schwurgericht bzw. Wirtschaftsstrafkammer - oder nach dem Rechtszug Berufung bzw. Revision. Die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG für das vorbereitende Verfahren ist der Höhe nach unabhängig von der Ordnung des Gerichts, an dem das Verfahren später durchgeführt wird. |
| Es gelten die allgemeinen Regeln. Auszugehen ist von der Mittelgebühr (vgl. KG StV 06, 198 [für die Terminsgebühr]; OLG Hamm StraFo 07, 218; LG Meiningen JurBüro 11, 642; LG Zweibrücken JurBüro 12, 247 VG Berlin RVG prof. 11, 119). Auf der Basis sind dann alle erbrachten Tätigkeiten zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere auch die Tätigkeiten zur allgemeinen Vorbereitung der Hauptverhandlung, wie z.B. das intensive Bemühen um eine Verständigung (§ 257c StPO)/Absprache, die zu einer Abkürzung der Hauptverhandlung geführt hat (s.o. Nr. 13). |
| Bei der Abrechnung ist darauf zu achten, dass Tätigkeiten, die zum Abgeltungsbereich der Grundgebühr gehören, nicht bei der Bemessung der Verfahrensgebühr noch einmal in Ansatz gebracht werden können (dazu Burhoff RVG prof. Sonderausgabe 8/13, 30, 39). |
| Ja, die Vertretung mehrerer Mandanten, wie z.B. mehrerer Nebenkläger, hat Auswirkungen. Die Nr. 1008 VV RVG sieht die Erhöhung einer Verfahrensgebühr vor. |
| Ja, im strafverfahrensrechtlichen Erkenntnisverfahren entstehen die Verfahrensgebühren und die Verfahrensgebühren in der Strafvollstreckung mit dem (Haft)Zuschlag gem. Vorb. 4 Abs. 4 VV RVG. Im Bußgeldverfahren sind Haftzuschläge nicht vorgesehen. |
| Ja, es gelten alle Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG. Neben dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit spielen die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten eine Rolle. |
| Reicht der Rahmen der Verfahrensgebühr wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens nicht aus, den Rechtsanwalt zumutbar zu entlohnen, kommt die Feststellung bzw. Gewährung einer Pauschgebühr nach §§ 42, 51 RVG in Betracht. |
| Nein, diese enthalten dieselben Verfahrensgebühren wie der Wahlanwalt, allerdings nur die im VV RVG bestimmten Festbeträge. |
Checkliste 2 / Katalog der von der Verfahrensgebühr erfassten Tätigkeiten |
Von der Verfahrensgebühr erfasst werden folgende (allgemeine) Tätigkeiten, wobei der jeweilige Verfahrensabschnitt zu berücksichtigen ist, für den die Verfahrensgebühr geltend gemacht wird (entnommen aus Burhoff/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 Rn. 40 m.w.N.):
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Weiterführende Hinweise
- 25 Fragen zur Terminsgebühr in Straf- und Bußgeldverfahren, RVG prof. 13, 124
- Rechtsprechungsübersicht zur Bemessung der Terminsgebühr in Strafverfahren, RVG prof. 13, 142
- Rechtsprechungsübersicht zur Bemessung der Terminsgebühr in Bußgeldverfahren, RVG prof. 13, 162