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  • · Fachbeitrag · Anrechnung

    Verbot der doppelten Anrechnung der Geschäftsgebühr

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | In der Praxis, vor allem im Urheberrecht, kommt es regelmäßig vor, dass der Anwalt beauftragt wird, außergerichtlich abzumahnen, einstweilige Verfügungen zu beantragen oder Hauptsacheverfahren durchzuführen. Das OLG Hamburg hat jetzt die Frage verneint, ob die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Abmahnung gemäß Nr. 2300 VV RVG auf die 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) des einstweiligen Verfügungsverfahrens anzurechnen ist, nachdem zuvor im Hauptsacheverfahren die Geschäftsgebühr materiell-rechtlich mit eingeklagt und in Höhe von 0,65 dem Kläger auch durch Urteil zugesprochen wurde. |

     

    Relevanz für die Praxis

    Um die Entscheidung des OLG Hamburg (12.5.16, 8 W 49/16, Abruf-Nr. 190151) besser zu verstehen, eignet sich folgender Ausgangsfall:

     

    • Ausgangsfall

    Mandant M beauftragt Rechtsanwalt R zunächst, Gegner G außergerichtlich wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht abzumahnen. Später beauftragt M den R, den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Hiergegen erhebt G Einspruch. Im Hauptsachverfahren macht M noch die außergerichtliche Verfahrensgebühr in Höhe von 0,65 geltend. Nach mündlicher Verhandlung wird G kostenpflichtig verurteilt. Der Streitwert in allen Verfahren beträgt 20.000 EUR.

     

    Zunächst liegen für den beauftragten Rechtsanwalt drei gebührenrechtliche Angelegenheiten15 Abs. 2 RVG) vor. Es sind folgende Kosten entstanden, wobei ein Wert von 20.000 EUR angenommen wird. In der Hauptsache wurde verhandelt:

     

    • So ist abzurechnen

    1. Abmahnung

    1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG

    964,60 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    187,07 EUR

    1.171,67 EUR

    2. einstweiliges Verfügungsverfahren

    1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG

    964,60 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    187,07 EUR

    1.171,67 EUR

    3. Hauptsacheverfahren

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

    964,60 EUR

    1,2-Terminsgebühr, 3104 VV RVG

    890,40 EUR

    Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    356,25 EUR

    2.231,25 EUR

     

    Gemäß § 15a Abs. 1 RVG i. V. m. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG muss bei Gegenstandsidentität die für die außergerichtliche Abmahnung entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, maximal in Höhe von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet werden. Insofern kommt vorliegend eine Anrechnung von 0,65 in Betracht.

     

    Im Ausgangsfall besteht die Problematik allerdings darin, dass der Rechtsanwalt zwei gerichtliche Verfahren auftragsgemäß durchgeführt hat, nämlich das einstweilige Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren. Auf welches der beiden gerichtlichen Verfahren die Geschäftsgebühr anzurechnen ist, lässt sich aus dem Gesetz nicht entnehmen. Folge: Der Anwalt hat ein Wahlrecht.

     

    Dadurch, dass dem Rechtsanwalt im Ausgangsfall im Hauptsacheverfahren eine 0,65-Geschäftsgebühr durch Urteil zuerkannt wurde, ist damit bereits eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr in der Hauptsache vollzogen (Hansens, RVGreport 16, 420 f.). Daher scheidet eine erneute Anrechnung auf die Verfahrensgebühr im Eilverfahren aus.

     

    MERKE | Eine doppelte Anrechnung findet somit nicht statt, weil das Gesetz dies nicht kennt. Eine erneute Anrechnung würde nicht eine doppelte Honorierung verhindern, sondern das Honorar des Anwalts auf Antragstellerseite doppelt mindern.

     

    Die Erstattungsfähigkeit in Bezug zum erstattungspflichtigen Dritten ‒ hier Gegner ‒ wird in § 15a Abs. 2 RVG geregelt. Der Dritte kann sich somit auf die Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die angefallene Verfahrensgebühr berufen. Dies gilt aber nur, wenn der Erstattungspflichtige selbst die anzurechnende Gebühr bereits gezahlt oder anderweitig erfüllt hat oder diese gegen ihn bereits tituliert ist. Im Klartext: Da im Ausgangsfall durch das Urteil die Geschäftsgebühr (nur) in Höhe von 0,65 zugesprochen wurde, scheidet eine Anrechnung nach der Vorschrift aus, da der Gegner ja gerade die außergerichtliche Geschäftsgebühr von insgesamt 1,3 nicht gezahlt hat.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Anwalt verdient 1,3-Geschäftsgebühr für wettbewerbsrechtliches Abschlussschreiben, RVG prof. 15, 165
    • Kostenerstattung beim Abschlussschreiben, RVG prof 15, 187
    Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 3 | ID 44395425