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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    PKH-Verfahren: So wird der Vorschuss des Mandanten richtig erhoben und verrechnet

    von Dipl.-Rpfleger Joachim Volpert, Willich

    | Kann man für die Tätigkeit im PKH-Prüfungsverfahren einen Vorschuss vom Mandanten erheben und wenn ja, wie wird dieser anschließend verrechnet? Dürfen auch Zahlungen des Gegners auf die Vergütung des PKH- Prüfungsverfahrens verrechnet werden? Der folgende Beitrag gibt Antworten auf diese Fragen und zeigt, wie gerechnet werden muss. |

    1. Vorschusserhebung

    Die Vergütung des PKH-Verfahrens kann der Rechtsanwalt vom Mandanten grundsätzlich vorschussweise einfordern (§ 9 RVG). Eine Vorschussanforderung ist zulässig, sofern sie vor Bewilligung der PKH erfolgt. Nach Bewilligung von PKH darf der Rechtsanwalt gemäß § 16 Abs. 2 BRAO (vgl. auch § 3a Abs. 3 RVG) Zahlungen oder Leistungen nur annehmen, die freiwillig und in Kenntnis der Tatsache gegeben werden, dass der Mandant oder der Dritte zu einer solchen Leistung nicht verpflichtet ist.

     

    a) Forderungssperre steht Vorschusserhebung nicht im Wege

    Das Recht zur Vorschusserhebung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Rechtsanwalt im Fall der späteren PKH-Bewilligung unter seiner Beiordnung gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (Forderungssperre) keine Vergütungsansprüche gegen seinen Mandanten geltend machen darf. Denn dies gilt nur für die im Hauptsacheverfahren nach Nr. 3100 ff. VV RVG anfallenden Gebühren.

     

    Dass die Forderungssperre nicht für das PKH-Bewilligungsverfahren gilt, wird dadurch deutlich, dass für das Bewilligungsverfahren - mit Ausnahme für den Abschluss eines Vergleichs - (§ 118 Abs. 1 S. 3 ZPO) keine PKH bewilligt werden kann (BGH NJW 04, 2595; BGH NJW 84, 2106).

     

    b) Kein Vorschuss nach PKH-Bewilligung für Hauptsacheverfahren

    Ist PKH für das Hauptsacheverfahren bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden, kann für die Tätigkeit im Bewilligungsverfahren ab diesem Zeitpunkt keine Vergütung mehr gefordert werden, weil das PKH-Verfahren und die Hauptsache gemäß § 16 Nr. 2 RVG dieselbe Angelegenheit bilden, in der die Gebühren nur einmal anfallen (§ 15 Abs. 2 RVG). Die Forderungssperre gilt damit ab der Bewilligung der PKH auch für das Bewilligungsverfahren.

     

    2. Anrechnung des Vorschusses

    Das PKH-Verfahren sowie das Verfahren, für das PKH beantragt worden ist, bilden gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit (§ 16 Nr. 2 RVG). Ist in beiden Verfahren derselbe Rechtsanwalt tätig, wird die Tätigkeit im PKH-Verfahren gemäß § 15 Abs. 2 RVG mit den in der Hauptsache verdienten höheren Gebühren nach Nrn. 3100 ff. VV RVG abgegolten (BGH AGS 08, 435).

     

    Der Rechtsanwalt muss bei der Geltendmachung der PKH-Vergütung (§ 49 RVG) der Staatskasse anzeigen, welche Zahlungen er bis zum Zeitpunkt der Beantragung der PKH-Vergütung vom Mandanten oder Dritten erhalten hat (§ 55 Abs. 5 S. 2 bis 4 RVG). Die Anzeigepflicht umfasst auch einen für das PKH-Verfahren gezahlten Vorschuss, da dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., § 58 Rn. 17).

     

    Die Anrechnung des Vorschusses richtet sich nach § 58 Abs. 2 RVG. Danach ist ein Vorschuss, den der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütung anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt

    • Vorschüsse von der Partei fordern darf, wenn er noch nicht beigeordnet ist,
    • eine Vergütung fordern darf für Tätigkeiten, für die keine PKH bewilligt ist,
    • erhaltene Vorschüsse zunächst auf die Vergütungsanteile verrechnen muss, für die keine PKH besteht.

     

    Die Anrechnung eines Vorschusses erfolgt gemäß § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf Gebühren, für die keine PKH bewilligt ist, dannach auf Auslagen, die nicht von der PKH erfasst sind (z.B. Reisekosten) und auf die Differenzkosten zwischen PKH-Gebühren und Wahlanwaltsgebühren (§§ 13, 49 RVG).

     

    • Beispiel 1

    Rechtsanwalt R wird von seinem Mandanten M beauftragt, für eine Klage über 5.000 EUR PKH zu beantragen und für den Fall der Bewilligung Klage zu erheben. Das Gericht bewilligt die PKH mit monatlichen Raten von 90 EUR für die volle Klageforderung über 5.000 EUR und ordnet R bei. R erhebt auftragsgemäß Klage. Nach streitiger Verhandlung wird der Beklagte kostenpflichtig verurteilt. R hat vor der PKH-Bewilligung für die Tätigkeit im PKH-Verfahren folgenden Vorschuss vom Mandanten erhoben und erhalten:

    1,0 Verfahrensgebühr Nr. 3335 VV RVG, Wert 5.000 EUR:

    301,00 EUR

    Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG:

    20,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer:

    61,00 EUR

    Summe

    382,00 EUR

    Im PKH-Vergütungsantrag gibt R die 382 EUR Vorschuss an. Der Urkundsbeamte prüft, ob eine Anrechnung (§ 58 Abs. 2 RVG) auf die PKH-Vergütung erfolgen muss.

    I. PKH-Vergütung (PKH-Gebührentabelle zu § 49 RVG):

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, Wert 5.000 EUR

    284,70 EUR

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG, Wert 5.000 EUR

    262,80 EUR

    Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

    107,83 EUR

    Summe

    675,33 EUR

     

    II. Wahlanwaltsvergütung (Wahlanwaltsgebührentabelle zu § 13 RVG):

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, Wert 5.000 EUR

    391,30 EUR

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG, Wert 5.000 EUR

    361,20 EUR

    Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer

    146,78 EUR

    Summe

    919,28 EUR

    Differenz zwischen I und II

    243,95 EUR

     

    Der Vorschuss des Mandanten von 382 EUR ist zunächst auf die Differenz von 243,95 EUR zwischen der PKH- und der Wahlanwaltsvergütung anzurechnen. Der verbleibende Betrag von 138,04 EUR (382,00 EUR ./. 243,95 EUR) verringert die aus der Landeskasse zu erstattende PKH-Vergütung auf 537,26 EUR.

    3. Anrechnung bei Teil-PKH

    Wird PKH nur teilweise bewilligt und nur in diesem Umfang geklagt, kommt neben dem Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45 RVG) ein Anspruch gegen den Mandanten wegen des weiteren im PKH-Verfahren verbliebenen Gegenstands in Betracht (Volpert, RVG prof. 10, 144, 157). Die Forderungssperre steht der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht entgegen, weil sie nur im Umfang der PKH-Bewilligung greift (OLG Celle AGS 11, 495).

     

    PRAXISHINWEIS | Die ausschließlich auf das PKH-Bewilligungsverfahren entfallende Vergütung kann der Rechtsanwalt gem. § 11 RVG gegen seinen Mandanten festsetzen lassen (OLG Koblenz JurBüro 02, 588).

    Ein für das Bewilligungsverfahren gezahlter Vorschuss ist auch im Fall der nur teilweisen PKH-Bewilligung der Staatskasse anzuzeigen (§ 55 Abs. 5 S. 2 bis 4 RVG). Dessen Anrechnung richtet sich wiederum nach § 58 Abs. 2 RVG.

     

    • Beispiel 2

    Wie Beispiel 1, allerdings bewilligt das Gericht die PKH nur für eine Klage über 3.000 EUR und ordnet R insoweit bei. R erhebt auftragsgemäß Klage im Umfang der PKH-Bewilligung von 3.000 EUR. Nach streitiger Verhandlung wird der Beklagte kostenpflichtig verurteilt.

    I. PKH-Vergütungsanspruch (PKH-Gebührentabelle zu § 49 RVG):

    1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG, Wert 3.000 EUR

    245,70 EUR

    1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG, Wert 3.000 EUR

    226,80 EUR

    Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

    93,57 EUR

    Summe

    586,07 EUR

    II. Wahlanwaltsvergütung (Wahlanwaltsgebührentabelle zu § 13 RVG):

    wie PKH-Vergütung (Wert bis 3.000 EUR, § 49 RVG)

    586,07 EUR

     

    Hier besteht keine Differenz zwischen der PKH- und der Wahlanwaltsvergütung für die Hauptsache, auf die der Vorschuss von 382 EUR vorrangig verrechnet werden könnte. Allerdings ergibt sich aufgrund des höheren Gegenstandswerts des PKH-Verfahrens eine Differenzvergütung, auf die der Vorschuss gemäß § 58 Abs. 2 RVG zunächst zu verrechnen ist. Denn diese Differenz zahlt die Staatskasse nicht. Die Differenz ergibt sich aus dem Betrag, der sich nach Abzug der Wahlanwaltsgebühr aus dem von der PKH -Bewilligung umfassten Teil von der Wahlanwaltsgebühr für den Gesamtwert ergibt (OLG Celle AGS 11, 495):

    1,0 Verfahrensgebühr Nr. 3335 VV RVG, Wert 5.000 EUR:

    301,00 EUR

    abzgl. 1,0 Verfahrensgebühr Nr. 3335 VV RVG, Wert 3.000 EUR:

    189,00 EUR

    Differenz

    112,00 EUR

    zzgl. 19 % Umsatzsteuer

    21,28 EUR

    Summe

    133,28 EUR,

    Die schuldet der Mandant und darauf ist der Vorschuss über 382 EUR (brutto) gemäß § 58 Abs. 2 RVG vorrangig zu verrechnen. Die verbleibenden 248,72 EUR (382 EUR ./. 133,28 EUR) verringern die aus der Landeskasse zu erstattende PKH-Vergütung auf einen Betrag von 337,35 EUR. Die Postentgeltpauschale entsteht gemäß § 16 Nr. 2, § 15 Abs. 2 RVG nur einmal.

    4. Anrechnung bei Klage in voller Höhe und Teil-PKH

    Ist PKH nur teilweise bewilligt worden, wird das Hauptsacheverfahren jedoch in vollem Umfang erhoben, darf der Rechtsanwalt neben der nach dem PKH- Streitwert berechneten Vergütung aus der Staatskasse die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung nach dem Gesamtstreitwert und der Wahlanwaltsvergütung nach dem Wert, für den er beigeordnet worden ist, vom Mandanten verlangen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Maßgebend für die Berechnung der Differenz, auf die der Vorschuss für das Bewilligungsverfahren gemäß § 58 Abs. 2 RVG vorrangig zu verrechnen ist, sind hier allerdings die Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV RVG.

    5. Verrechnung mit Zahlungen des Gegners

    § 58 RVG gilt nicht für Zahlungen, die nicht für den Rechtsanwalt gedacht sind, z.B. Zahlungen des Gegners auf die Hauptforderung. Einer Aufrechnung seitens des Anwalts mit diesen Zahlungen steht aber die PKH-Bewilligung (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 390 BGB) entgegen (AnwK-RVG/Fölsch/N. Schneider, 6. Aufl., § 58 Rn. 23, 29).

     

    PRAXISHINWEIS | Ist der Mandant mit der Aufrechnung einverstanden, steht die Aufrechnung einer Zahlung i.S. von § 58 RVG gleich (OLG Düsseldorf JurBüro 82, 1210) und muss vom Rechtsanwalt der Staatskasse angezeigt werden.

    Weiterführende Hinweise

    • Die Erläuterungen gelten auch für das VKH-Verfahren in Familiensachen (§ 12 S. 1 RVG).
    • Zur Einigungsgebühr im PKH-Verfahren, Volpert, RVG prof. 10, 144, 157
    Quelle: Ausgabe 12 / 2012 | Seite 209 | ID 36716140